Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Utipro plus: Wirkung bei Blasenentzündung nicht belegt

Utipro Plus - eine Kombination aus Propolis, Xyloglucan, Gelatine und Hibiskus - soll Blasenentzündungen lindern und vorbeugen. Belege dafür fehlen jedoch.

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Hilft das Produkt Utipro Plus zur Vorbeugung einer Blasenentzündung oder zur Linderung der Beschwerden?

Drei Studien zum Produkt Utipro Plus untersuchten die Kombination dieser Inhaltsstoffe. Aussagen zur Wirksamkeit lassen sich allerdings nicht treffen, da die Studien diverse Mängel haben. Zu den Inhaltsstoffen – einzeln eingesetzt – haben wir keine Studien gefunden.

so arbeiten wir
© Gregory Johnston - Shutterstock.com Häufig auf die Toilette müssen ist bei einer Blasenentzündung typisch.
© Gregory Johnston – Shutterstock.com

Brennen beim Wasserlassen, Schmerzen und häufiger Harndrang – viele Frauen kennen die typischen Anzeichen einer Blasenentzündung. Etwa jede zehnte Frau ist mindestens einmal pro Jahr davon betroffen [4].

Gegen Blasenentzündungen werden in Drogeriemärkten und Apotheken viele rezeptfreie Mittel angeboten. Sie gelten als „natürlich“ und sollen helfen, aktuelle Beschwerden zu lindern und zukünftigen Blasenentzündungen vorzubeugen.

Leseranfrage zu Kombinationsmittel

Eines dieser Mittel trägt den Markennamen „Utipro Plus“. Dazu hat uns eine Leseranfrage erreicht.
Es enthält eine Kombination mehrere Inhaltsstoffe: Xylocglucan (ein unverdaulicher Bestandteil pflanzlicher Zellen), Gelatine, Hibiskus und Propolis. Unseres Wissens nach ist Utipro Plus in Österreich das einzige Mittel mit dieser Wirkstoffkombination.

Klingt in der Theorie logisch…

Auslöser einer Blasenentzündung sind meist Darmbakterien, die aus dem After in die Harnröhre gelangen und dann in die Blase aufsteigen.

Das Mittel soll wirken, indem Xyloglucan und Gelatine die Darmschleimhaut mit einem Schutzfilm auskleiden. Das verhindert, zumindest laut Theorie, dass sich Bakterien dort anhaften, vermehren und danach über die Harnröhre zur Blase gelangen. Zusätzlich sollen Propolis und Hibiskus den Harn ansäuern und Bakterien so an der Vermehrung hindern.

Die Erklärung klingt nachvollziehbar. Doch funktioniert das tatsächlich? Wir haben recherchiert, was die besten verfügbaren Studien zum Thema sagen: Helfen die Inhaltsstoffe einzeln oder in Kombination? Bringen sie bei einer aktuellen Blasenentzündung spürbare Erleichterung oder helfen sie, eine neuerliche Erkrankung zu verhindern?

…doch praktische Belege fehlen

Zu diesen Fragen haben wir drei wissenschaftliche Datenbanken nach aussagekräftigen Studien zu diesen Mitteln durchforstet. Studien zur Wirkung der Inhaltsstoffe gegen Blasenentzündungen jeweils als Einzelsubstanz konnten wir keine finden.

Zum Kombinationsmittel Utipro Plus haben wir drei Studien gefunden [1-3]. Diese haben jedoch grobe Mängel und können die Frage nach der Wirksamkeit nicht beantworten.

  • In zwei Studien [1,2] haben die Teilnehmenden Utipro Plus gemeinsam mit einem Antibiotikum eingenommen. Die Ergebnisse sind widersprüchlich.
  • Ob das Kombinationsmittel ohne zusätzliches Antibiotikum bei einer Blasenentzündung hilft, hat nur eine Studie erforscht [3]. Die vom Studienteam berichteten positiven Ergebnisse halten wir für nicht vertrauenswürdig.
  • Bei allen drei Studien gibt es Verbindungen zur Herstellerfirma von Utipro Plus.
  • Von auffälligen Nebenwirkungen berichtet zwar keine der drei Studien. Da es bei diesen an Vertrauenswürdigkeit mangelt, ist damit für uns die Sicherheit des Mittels nicht gut belegt.

Frauen häufig betroffen

Frauen bekommen deutlich häufiger eine Blasenentzündung als Männer. Der Grund ist, dass die Harnröhre bei Frauen deutlich kürzer ist. Somit gelangen Bakterien bei ihnen einfacher in die Blase.
Ab den Wechseljahren nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine Blasenentzündung zu. Ein erhöhtes Risiko haben auch Schwangere sowie Personen mit Diabetes oder Multipler Sklerose.

Oft wieder gesund ohne Behandlung

Meist ist der Verlauf unkompliziert. Bei der Hälfte der betroffenen Frauen kehrt die Blasenentzündung aber innerhalb eines Jahres zurück. In seltenen Fällen breitet sich die Infektion über die Harnleiter in Richtung Nieren aus. Dies kann mit Fieber, Übelkeit und Schmerzen in der Nierengegend einhergehen.

Antibiotika können bei einer Blasenentzündung helfen. Sie haben aber Nebenwirkungen und sind nicht immer nötig. Denn bei 30 bis 50 von 100 Frauen heilt eine unkomplizierte Blasenentzündung auch ohne spezielle Behandlung innerhalb einer Woche ab [4].

Recherchen zu anderen Mitteln

Neben dem Kombinationsmittel mit Xyloglucan, Gelatine, Hibiskus und Propolis werden viele „natürliche“ Mittel beworben und verkauft. Wir haben bereits Cranberrys, Mannose und Aronia-Beeren unter die Lupe genommen: Belege für eine Wirksamkeit haben wir für keines dieser Mittel finden können.

Weitere wissenschaftlich gesicherte Informationen rund um Blasenentzündungen, deren Behandlung und Vorbeugung finden sich auf der unabhängigen Seite Gesundheitsinformation.de

Die Studien im Detail

Um die Wirksamkeit von Utipro Plus oder seiner Inhaltsstoffe bei einer Blasenentzündung beurteilen zu können, eignen sich randomisiert-kontrollierte Studien am besten. Bei dieser Studienart werden Teilnehmende per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt.
Idealerweise wissen weder die Testpersonen noch die Studienleitung, wer welcher Gruppe angehört. Diese „Verblindung“ verhindert, dass Erwartungshaltungen das Ergebnis beeinflussen.

Drei Studien zum Kombi-Präparat

Wir haben daher vorrangig nach verblindeten Studien gesucht, bei der eine Gruppe das Kombi-Präparat eingenommen hat, die andere Gruppe stattdessen zur Kontrolle ein wirkstofffreies Scheinpräparat (Placebo).

Durch unsere Suche in zwei Forschungsdatenbanken haben wir drei randomisiert-kontrollierten Studien zum Mittel Utipro Plus [1-3] gefunden. Wir konnten keine Studie identifizieren, in der die Inhaltsstoffe jeweils einzeln untersucht wurden.

Utipro Plus oder Placebo

Ob Utipro Beschwerden bei einer Blasenentzündung besser lindert als ein Placebo, hat nur eine kleine Studie [3] mit 50 Frauen und 10 Männern untersucht. Je nach Gruppenzuteilung nahmen sie entweder Utipro-Plus-Kapseln oder Placebo-Kapseln ein, und zwar fünf Tage lang zweimal täglich.

Nach fünf Tagen waren die Beschwerden in der Utipro-Plus-Gruppe deutlich zurückgegangen. In der Placebo-Gruppe sind sie annähernd gleich geblieben.

Auf den ersten und flüchtigen Blick sieht das nach einem Hinweis auf die Wirksamkeit von Utipro Plus aus. Doch auf den zweiten Blick gibt es aus unserer Sicht etliche Ungereimtheiten, die unser Vertrauen gesenkt haben.

Dass sich die Beschwerden in der Placebogruppe nach fünf Tagen nicht gebessert haben, ist durchaus erstaunlich. Denn eine unkomplizierte Blasenentzündung heilt bei 30 bis 50 von 100 Frauen innerhalb einer Woche auch ohne Behandlung ab [4].

Die berichteten Ergebnisse aus der Placebogruppe sind daher keineswegs typisch, sondern zeugen von einem ungewöhnlichen und schweren Krankheitsverlauf: Daher nehmen wir einerseits an, dass die Utipro-Plus-Gruppe und die Placebo-Gruppe von Beginn an zu unterschiedlich für einen fairen Vergleich waren. Auch bezweifeln wir, dass sich von der offenbar überdurchschnittlich schwer betroffenen Placebo-Gruppe Erkenntnisse für die üblichen Betroffenen ableiten lassen.

Dass auch Männer in der Studie teilgenommen haben, verzerrt die Ergebnisse. Denn aufgrund der unterschiedlichen Harnröhrenlänge ist der Verlauf einer Blasenentzündung bei Männern und Frauen nicht vergleichbar.

Und ein weiterer Grund macht die Studie wenig vertrauenswürdig: Sie wurde von einem Zeitschriftenverlag veröffentlicht, der Publikationen wohl nicht durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenprüfen lässt [5]. Dieser vielfach übliche „Peer-Review“ ist ein Kriterium, das zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft beiträgt.

Utipro plus Antibiotikum: kein Zusatznutzen?

Zwei Studien [1,2] untersuchten, ob Utipro Plus zusätzlich zu einem Antibiotikum Beschwerden besser lindert als ein Antibiotikum alleine. Eine solide Antwort können sie aus unserer Sicht nicht geben.
In einer der Studien [1] nahmen 102 Frauen mit einer unkomplizierten Blasenentzündung teil – das ist eine Blasenentzündung, die oft von selbst ausheilt und bei der keine Komplikationen zu erwarten sind. Fünf Tage lang bekamen alle Teilnehmerinnen das Antibiotikum Ciprofloxacin. Zusätzlich zum Antibiotikum nahmen sie, je nach Gruppe, entweder 2 Kapsel Utipro Plus oder Placebokapseln ein.

Laut Publikation unterschieden sich die Gruppen weder an Tag 3 noch an Tag 5. Kann man daraus verlässlich schließen, dass Utipro Plus keinen Zusatznutzen hat und nicht gegen die typischen Schmerzen beim Harnlassen hilft? Dies lässt sich aus unserer Sicht nicht ableiten.

Denn wir finden es beispielsweise durchaus fragwürdig, dass in die Auswertung nur jene 78 der ursprünglich 102 Teilnehmerinnen eingeflossen sind.

Nach Ablauf der 5 „Antibiotika-Tage“ nahmen die Teilnehmerinnen für weitere 15 Tage nur noch Utipro Plusbeziehungsweise Placebokapseln. Auch am Ende der insgesamt 20 Tage gab es keinen Unterschied in der Stärke der Beschwerden – so überhaupt noch welche vorhanden waren.

Utipro mit Antibiotikum: widersprüchliches Ergebnis

Die zweite Studie [2] war mit lediglich 40 Teilnehmenden (34 Frauen, 6 Männer) deutlich kleiner. Die Aufteilung der Männer war ungleich verteilt: Fünf Männer waren der Utipro-Plus-Gruppe zugeteilt, doch nur einer der Placebo-Gruppe.

Das war nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Gruppen. In der Utipro-Plus-Gruppe war auch der Anteil an Teilnehmenden mit zusätzlichen (nicht näher beschriebenen) Erkrankungen höher. Die beiden Gruppen waren also bereits zu Studienbeginn zu unterschiedlich, um am Ende einen fairen Gruppenvergleich liefern zu können. Wir werten dies als bedeutsamen Mangel.

Je nach Gruppenzuteilung bekamen die Teilnehmenden entweder Utipro Plus oder Placebo-Kapseln – zuerst zwei Kapseln (Tag 1-5), dann eine Kapsel (Tag 6-10).

Zusätzlich nahmen alle Testpersonen ein Antibiotikum ein (Tag 1-5). Dazu fehlen Angaben zur Art des Antibiotikums und zur Einnahmehäufigkeit.

Nach 11 Tagen wurden laut Autorenteam im Urin der Placebogruppe deutlich mehr Bakterien nachgewiesen als im Urin der Utipro-Gruppe. Ist das ein Hinweis darauf, dass die Kombination Antibiotikum mit Utipro Plus besser wirkt als das Antibiotikum allein?

Dieser Schluss liegt zwar nahe, ist aus unserer Sicht aber zu einfach. Denn der Art und Anzahl von Bakterien im Urin lässt sich nicht direkt auf das Krankheitsgefühl und die Beschwerden der Betroffenen umlegen. Ob sich Schmerzen und Brennen bei der Utipro-Gruppe stärker gebessert haben als in der Placebogruppe, lässt sich aus der Studie nicht herauslesen – eine Analyse des Symptomverlaufs wäre aus unserer Sicht deutlich aussagekräftiger.

Zur Vorbeugung wirksam? Keine Aussagen möglich

Zwei Studien [1,2] haben auch untersucht, ob Utipro Plus weiteren Blasenentzündungen vorbeugen kann. Nach der zuvor beschriebenen ersten Studienphase nahmen die Teilnehmenden in den jeweils ersten beiden Wochen der folgenden zwei Monate täglich eine Kapsel Utipro oder Placebo. Antibiotika bekamen die Teilnehmenden keine.

In der größeren Studien [1] kehrte die Blasenentzündung in der Placebogruppe häufiger zurück als in der Utipro-Plus-Gruppe. Allerdings sind bei dieser Auswertung die Daten von rund einem Viertel der Teilnehmerinnen nicht berücksichtigt. Das kann zu Verzerrungen geführt haben. Die Ergebnisse sind daher nicht vertrauenswürdig.

In der kleineren Studie [2] waren Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen am Ende des dritten Monats unterschiedlich stark. Wie groß dieser Unterschied zwischen den Gruppen war, ist allerdings nicht angegeben – Details dazu fehlen. Die Schmerzen im Unterbauch waren in beiden Gruppen ähnlich. Da in der Utipro-Plus-Gruppe 5 Männer und 15 Frauen waren und in der Placebogruppe 1 Mann und 19 Frauen, sind die Ergebnisse der beiden Gruppen jedoch nicht miteinander vergleichbar.

[1] Salvatorelli u.a. (2016) A New Approach to the Treatment of Uncomplicated Cystitis: Results of a Randomized Placebo-Controlled Clinical Trial. Urol Int. 2016;97(3):347-351. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Costache u.a. (2019) Xyloglucan + Gelose Combination versus Placebo as Adjuvant Therapy to First-Line Antimicrobials for Uncomplicated Urinary Tract Infection in Adults. Urol Int. 2019;102(4):468-475. (Zusammenfassung der Studie)

[3] García-Larrosa u.a. (2016) Efficacy and Safety of a Medical Device versus Placebo in the Early Treatment of Patients with Symptoms of Urinary Tract Infection: A Randomized Controlled Trial. Clinical Microbiology: Open Access. 05. 10.4172/2327-5073.1000233. (Studie in voller Länge)

[4] IQWIG (2019) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Akute Blasenentzündung. Abgerufen am 14. 11. 2019 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] Beall’s list (2019) Beall’s list of predatory journals and publishers. Last updated 3 October 2019. Abgerufen am 18. 11. 2019 unter //beallslist.weebly.com/#update

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