Sport für das Immunsystem: stark gegen Erkältung?

Sport könnte das Immunsystem stärken und Dauer und Schwere von Atemwegsinfekten verringern. Verhindern dürfte er sie jedoch nicht.

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Verringert regelmäßiger Sport die Schwere und Dauer von Erkältungen und anderen Atemwegsinfekten?

Kann regelmäßiger Sport verhindern, an einer Erkältung oder anderen Atemwegsinfekten zu erkranken?

Bisherige Studien deuten an, dass Sport-treibende Menschen möglicherweise genauso häufig Atemwegsinfektionen haben wie Sport-Muffel. Allerdings dürften die Erkrankungen etwas weniger schwer und insgesamt ein bisschen kürzer sein.

so arbeiten wir
Ein älteres Paar läuft durch den Wald Sport hält nicht nur fit, sondern nützt möglicherweise auch dem Immunsystem
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Ein starkes Immunsystem und beste Gesundheit auch in der kalten Jahreszeit – wer will das nicht? Im Internet und anderen Medien finden sich zahlreiche Ratschläge zur Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte. Doch nur wenige dieser Tipps sind wissenschaftlich gesichert und vertrauenswürdig.

Auch Sport wird nachgesagt, dass er das Immunsystem stärken kann. Gibt es dafür Anhaltspunkte? Wir haben recherchiert, ob sich Atemwegsinfekte wie Erkältungen oder Grippe durch Sport beeinflussen lassen.

Nicht seltener, aber kürzer krank

Wunder scheint Sport in Bezug auf Erkältungen und Co nicht zu bewirken. Menschen, die regelmäßig Sport treiben, dürften genauso häufig an Atemwegsinfekten erkranken wie Sport-Muffel. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien [1].

Die Studien deuten aber darauf hin, dass sich Dauer und Schwere von Atemwegsinfekten durch regelmäßigen Sport verringern lassen.

Im Untersuchungszeitraum von 12 Wochen waren die Studienteilnehmenden

  • bei regelmäßigem Sport durchschnittlich 5,1 Tage krank
  • ohne Sport durchschnittlich 7,4 Tage krank

„Regelmäßiger Sport“ bedeutete in den analysierten Studien, etwa 7 Stunden pro Woche mit Laufen, Radfahren oder raschem Gehen zu verbringen.

Diese Ergebnisse sind allerdings nicht gut abgesichert. Denn die zugrunde liegenden Studien haben Mängel und sind nur bedingt aussagekräftig. Zudem ist die Schwankungsbreite der Ergebnisse groß. Für mehr Sicherheit können nur besser durchgeführte Untersuchungen sorgen.

Vorteile überwiegen Nachteile

Manchmal kann Sport auch Nachteile haben, wie etwa ein erhöhtes Risiko für Verletzungen. In Summe überwiegen die gesundheitlichen Vorteile für Körper und Immunsystem jedoch klar [2]. Demnach erhöht regelmäßige Bewegung die Lebenserwartung und verringert unter anderem das Risiko für

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall
  • Diabetes
  • Krebs
  • Depressionen.

Aus diesem Grund empfiehlt u.a. die Weltgesundheitsorganisation WHO, pro Woche zumindest 1 Stunde und 15 Minuten anstrengende sportliche Bewegung [3]. Dazu zählen Laufen, schnelles Radfahren oder schnelles Schwimmen.

Alternativ können es auch 2,5 Stunden oder mehr an moderater Bewegung sein. Damit ist beispielsweise rasches Gehen, Tanzen oder auch anstrengende Hausarbeit gemeint.

Was vor Infektionen schützt – und was nicht

Leider gibt es kein Wundermittel, um das Immunsystem zu stärken und sich vor Atemwegserkrankungen wie Erkältungen oder der Grippe zu schützen.

Für folgende Mittel haben wir das bereits recherchiert:

Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit gibt es für folgende Mittel:

Mit folgenden Verhaltensregeln kann man das Risiko senken, sich mit einer Erkältung, Grippe oder anderen Atemwegsinfekten anzustecken:

  • Regelmäßiges und gründliches Waschen oder Desinfizieren der Hände mit Seife.
  • Gesicht und besonders Nase, Mund und Augen so wenig wie möglich mit den Händen berühren.
  • Den unmittelbaren Kontakt mit erkrankten oder womöglich infizierten Personen meiden.

Die Studien im Detail

Eine brasilianisch-australische Forschungsgruppe hat überprüft, ob Sport eine wirksame Vorbeugung von Atemwegsinfekten ist [1]. Auf diese Art lässt sich gut untersuchen, ob Sport das Immunsystem stärken kann. Dazu haben die Forscherinnen und Forscher nach allen prinzipiell aussagekräftigen Studien gesucht, die bis Anfang März 2020 veröffentlicht wurden.

Untersuchen lässt sich diese vorbeugende Wirkung am besten mit Studien, in denen die teilnehmenden Personen per Zufall (randomisiert) entweder einer Sportgruppe oder einer Kontrollgruppe ohne Sport zugewiesen werden. Solche Studien heißen auch randomisiert-kontrollierte Studien.

Gefunden hat die Forschungsgruppe 14 solcher Studien mit insgesamt 1377 Erwachsenen. Der Frauenanteil unter den Teilnehmenden lag je nach Studie zwischen 52 und 100 Prozent. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Anzahl der Infekte durch Sport zwar nicht senken lässt; aber möglicherweise fallen Erkrankungschwere und insgesamte Krankheitsdauer etwas milder aus. Die zusammengefassten Ergebnisse der Studien sind allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig.

Das hat mehrere Gründe: Viele der Studien wurden nicht nach strengen wissenschaftlichen Standards durchgeführt. Bei den meisten ist unsicher, ob die Zuteilung zu den beiden Gruppen tatsächlich zufällig erfolgt ist. Waren also Einflussfaktoren wie Gesundheitszustand, Alter oder Geschlecht wirklich gleichmäßig auf beide Gruppen verteilt? Das kann das Ergebnis beeinflussen.

Zudem war Studienleitung und Teilnehmenden bekannt, wer zur Sport- bzw. Kontrollgruppe gehörte. Das lässt sich logischerweise nicht verheimlichen. In den meisten Studien wussten jedoch auch jene Personen Bescheid, die für die Datenauswertung zuständig waren. Eine solche fehlende „Verblindung“ kann Erwartungen entstehen lassen, welche die Ergebnisse verzerren.

Viele der Studien unterscheiden sich zudem stark voneinander – etwa hinsichtlich Sportpensum, Studiendauer oder Alter und Gesundheitszustand der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dadurch sind diese Studien nur bedingt miteinander vergleichbar.

Aufgrund niedriger Teilnehmendenzahlen ist auch die Schwankungsbreite vieler Ergebnisse hoch.
All diese Einschränkungen bei der Aussagekraft ließen sich durch besser durchgeführte Studien verringern, etwa mit einer größeren Anzahl an Teilnehmenden verringern.

[1] Grande et al. (2020). Exercise versus no exercise for the occurrence, severity, and duration of acute respiratory infections. Cochrane Database Syst Rev. 2020 Apr 4;4:CD010596. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] UpToDate (2020). The benefits and risks of aerobic exercise. In Kunins L(ed.). UpToDate. Abgerufen am 28.4.2020 unter www.uptodate.com (kostenpflichtig)

[3] WHO (2011). Recommended levels of physical activity for adults aged 18 – 64 years. Abgerufen am 28. 4. 2020 unter www.who.int

  • 11.7.2023: keine neuen Forschungsergebnisse, unsere Einschätzung ändert sich nicht
  • 3.11.2021: eine Aktualisierungs-Recherche förderte keine neuen Übersichtsarbeiten zutage. Unsere Einschätzung bleibt daher unverändert.
  • 4.5.2020: erste Version

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