Startseite ● Omega-3-Fettsäuren: keine schützende Wirkung auf das Herz Omega-3-Fettsäuren: keine schützende Wirkung auf das Herz Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel bieten keinen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder vorzeitigem Tod. Das konnten Studien eindeutig belegen. 26. Juni 2025 AutorIn: Jana Meixner Review: Bernd Kerschner Teilen Verringert die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere plötzlich auftretende Herz-Kreislauf-Probleme? Senkt sie das Risiko, frühzeitig daran zu sterben? nein Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen deutlich: Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel schützen nicht vor Herzinfarkt oder Schlaganfall. Sie verhindern auch nicht das Risiko, daran zu sterben. In hohen Dosen können Omega-3-Präparate Vorhofflimmern begünstigen. so arbeiten wir Omega-3-Kapseln bieten keinen Schutz fürs Herz. © Africa Studio – Shutterstock Zweimal pro Woche Fisch, sagen Ernährungsgesellschaften [Quelle 5]. Das sei gut fürs Herz und die Gefäße, wegen der darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren. Noch leichter zu haben seien diese Omega-3-Fettsäuren in Form praktischer Fischöl-Kapseln – sagt die Werbung. So soll die tägliche Einnahme vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen. Stimmt gar nicht, sagt unsere Recherche. Omega-3: kein Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall Wir haben in weltweiten Datenbanken nach Studien gesucht, die untersucht haben, ob die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen oder einen frühzeitigen Tod durch diese verhindern kann. Das Ergebnis: Aussagekräftige Studien gibt es zuhauf. Über 100.000 Teilnehmende haben insgesamt daran teilgenommen. Zusammengefasst zeigen diese Studien keine Schutz-Wirkung von Omega-3 [Quellen 1,2]. Die tägliche Einnahme verhindert weder Herzinfarkte und Schlaganfälle, noch kann sie das Leben verlängern. Bei dieser Einschätzung sind wir uns sehr sicher. Zum einen aufgrund der hohen Anzahl der untersuchten Personen. Zum anderen, weil besonders solide durchgeführte Studien zu diesem eindeutigen Ergebnis kommen. Wir halten es für sehr unwahrscheinlich, dass zukünftige Forschung zu einem gänzlich anderen Ergebnis kommen wird. Nebenwirkung Vorhofflimmern Omega-3-Präparate scheinen grundsätzlich sicher zu sein. Zumindest in Form handelsüblicher Omega-3-Präparate, die normalerweise zwischen 300 und 600 Milligramm Omage-3-Fettsäuren enthalten. Bei täglichen Mengen zwischen 1.000 und 2.000 Milligramm Omega-3-Fettsäuren trat bei den Teilnehmenden etwas häufiger sogenanntes Vorhofflimmern auf [Quellen 2,3]. Das ist eine Herz-Rhythmusstörung, bei der die Vorhöfe des Herzens unkontrolliert zucken. Dadurch verringert sich vorrübergehend die Pumpleistung des Herzens. In den Studien betraf das Vorhofflimmern rund 4 von 100 Personen, die Omega-3 einnahmen. Bei jenen Personen, die kein Omega-3 oder ein Scheinpräparat (Placebo) einnahmen, waren es dagegen rund 3 von 100. Ein 50 Jahre alter Mythos Dass Fischöl das Herz schützt, ist ein Mythos, der sich – obwohl eindeutig widerlegt – hartnäckig zu halten scheint. Doch woher kommt er eigentlich? Seinen Anfang nahm die Geschichte in den 1970er Jahren, als zwei dänische Forscher einem vermeintlichen Mysterium auf den Grund gehen wollten: Es kursierte das Gerücht, in Grönland seien die Menschen auffallend gesund. Denn jene Erkrankungen, die in der westlichen Welt die meisten Todesopfer fordern, seien auf Grönland so gut wie unbekannt: die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Man vermutete, das könne an der traditionellen Lebens- und Ernährungsweise der Bewohnerinnen und Bewohner liegen [Quelle 4]. Viel Fleisch, kein Obst und Gemüse Um dem Gerücht auf den Grund zu gehen, reisten die beiden dänischen Forscher nach Grönland und kamen wenig später mit aufsehenerregenden Ergebnissen zurück. Der traditionelle Speiseplan der Grönländer passte zwar so gar nicht unser Bild einer gesunden Ernährung: hauptsächlich fetter Fisch, Wal- und Robbenfleisch, fast gar kein Obst und Gemüse. Doch trotzdem schienen Herzinfarkte und Schlaganfälle auf Grönland auffallend selten zu sein – das meinten die Forscher zumindest herausgefunden zu haben. Verantwortlich machten sie die in Fisch und Walfleisch in großen Mengen enthaltenen Omega-3-Fettsäuren [Quelle 4]. Falsche Todes-Statistiken Die wissenschaftliche Publikation der beiden bekam in Fachkreisen viel Aufmerksamkeiten und Forschende berufen sich bis heute darauf. Nur leider war die Annahme, auf der die Forschenden ihre Theorie aufbauten, gänzlich falsch. Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren gar nicht so selten auf Grönland [Quelle 4]. Die dänischen Forscher hatten sich in ihrer Herz-Statistik nämlich auf die Angaben der lokalen Gesundheitsbehörden verlassen. Und die hatten schlicht keine Ahnung, woran die Menschen in ihrem Land starben. Besonders in sehr abgelegenen Gebieten Grönlands war – und ist auch heute noch – die Gesundheitsversorgung schlecht. Viele Menschen starben ohne schnellen Zugang zu ärztlicher Hilfe und die genaue Todesursache blieb ungeklärt. Neueren Schätzungen zufolge traf das wohl auf rund ein Viertel aller Todesfälle in Grönland zu. Spätere, genauere Untersuchungen zeigten, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Grönland damals ähnlich häufig oder sogar häufiger waren als in Europa [Quelle 4]. Macht Fisch-essen gesünder? Ist die Zweimal-pro-Woche-Fisch-Empfehlung nun hinfällig? So einfach lässt sich das nicht sagen. Studien sprechen zwar gegen eine schützende Wirkung auf das Herz – das gilt sowohl für Fischöl-Kapseln als auch einer Ernährungsweise, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist [Quelle 1]. Insgesamt scheinen Menschen, die häufig Fisch essen jedoch gesünder zu sein. Das kann daran liegen, dass Fisch andere gesunde Inhaltsstoffe hat. Oder dass Menschen Fisch anstelle von Fleisch essen [Quelle 6]. Weniger Fleisch zu essen, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebs-Arten [Quelle 10]. Das trifft besonders auf rotes Fleisch (von Rind und Schwein zum Beispiel) und hoch verarbeitete Fleisch- und Wurstprodukte zu (Wurst, Schinken, Würstel). Was den Fischkonsum angeht, stehen Gesundheitsempfehlung und Umweltverträglichkeit allerdings mittlerweile im Widerspruch: Die Überfischung und Verunreinigung der Meere nimmt stetig zu, die Fischbestände schrumpfen. Ob die Empfehlung, viel Meeresfisch zu essen angesichts dieser Probleme noch zeitgemäß ist, ist fraglich [Quelle 8]. Omega-3-Fettsäuren in Fisch und pflanzlichen Ölen Omega-3-Fettsäuren gehören zu den ungesättigten Fettsäuren und sind für den Körper lebensnotwendig. Er kann sie nicht selbst herstellen, sondern muss sie über die Nahrung aufnehmen. Wir benötigen Omega-3 Fettsäuren unter anderem für die Umhüllung unserer Körperzellen und zur Herstellung verschiedener Botenstoffe im Körper. Die bekanntesten Omega-3 Fettsäuren sind die Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die vor allem in fettem Fisch enthalten sind, und die Alpha-Linolensäure (ALA), die aus pflanzlichen Nahrungsmitteln, wie Walnüssen, Leinöl oder Rapsöl kommt [Quellen 1,7]. Nicht nur ein Herzschutz wurde den Omega-3-Kapseln angedichtet: Auch bei Depression sollen sie helfen. Dafür konnten wir keine Belege finden. Ebenso fehlen Hinweise auf eine Wirkung von Omega-3-Fettsäuren gegen ADHS bei Kindern. Herz-Kreislauf-Erkrankungen: häufigste Todesursache In Österreich gehen rund 35 von 100 Todesfällen auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zurück [Quelle 9]. (Zum Vergleich: Krebs verursacht rund 24 von 100 Todesfällen.) In wohlhabenden Ländern sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache. Sie hängen direkt mit dem Lebensstil zusammen: Falsche Ernährung, wenig Bewegung, rauchen und Stress verursachen Bluthochdruck und Ablagerungen in den Blutgefäßen. Das wiederum kann zu einem Herzinfarkt, Schlaganfall und zu einer Verengung der Blutgefäße des Herzens (koronare Herzkrankheit) führen. Verlässliche Informationen zu Herz-Kreislauferkrankungen und dazu, was man zur Vorbeugung tun kann, haben die Gesundheitsportale Gesundheitsinformation.de (koronare Herzkrankheit und Schlaganfall) und Gesundheit.gv.at (Herzinfarkt). Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Bei unserer Recherche suchten wir nach Studien, in denen Teilnehmende mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt worden waren. Die eine Gruppe sollte Omega-3-Kapseln einnehmen, die andere keine Kapseln oder Placebo-Kapseln. Nach einigen Jahren würde verglichen: In welcher Gruppe gab es mehr Herzinfarkte, Schlaganfälle und Todesfälle? Solche sogenannten randomisiert-kontrollierten Studien sind die aussagekräftigste Art, die Wirksamkeit einer Behandlung zu untersuchen. Wir wurden fündig: Insgesamt 19 solche Studien wurden bisher durchgeführt. Zwei Übersichtsarbeiten haben diese Studien und ihre Ergebnisse übersichtlich zusammengefasst [Quelle 1,2]. Wie aussagekräftig sind die Studien? Auf den ersten Blick war die Datenlage etwas verwirrend: Das Gesamt-Sterberisiko schien durch Omega-3-Kapseln unbeeinflusst, ebenso das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse – zum Beispiel für einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzstillstand. Minimal verringert schien jedoch das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Ein Widerspruch. Manche der Studien hatten jedoch Mängel, die das Ergebnis verzerren können. Deshalb rechneten wir in einer sogenannten Metaanalyse nur die Ergebnisse der hochwertigen und verlässlichen Studien zusammen. Dabei wurde klar: Omega-3-Kapseln haben keinen Effekt auf das Herz-Kreislauf-Risiko. Unser Vertrauen in die Datenlage ist hoch. Sowohl die beiden Übersichtsarbeiten als auch die zusammengefassten Studien sind solide durchgeführt und kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Auch die große Zahl der Teilnehmenden – über 100.000 – gibt uns Sicherheit, dass auch weitere Forschung in der Zukunft zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wird. Wissenschaftliche Quellen [1] Abdelhamid et al. (2020) Omega‐3 fatty acids for the primary and secondary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, (3). (Übersichtsarbeit in voller Länge) [2] Qi et al. (2023) Omega-3 Polyunsaturated Fatty Acids Supplements and Cardiovascular Disease Outcome: A Systematic Review and Meta-Analysis on Randomized Controlled Trials. Rev. Cardiovasc. Med. 2023, 24(1), 24. (Übersichtsarbeit in voller Länge) [3] O’Keefe et al. (2024) Omega-3 and Risk of atrial fibrillation: Vagally-mediated double-edged sword. Progress in cardiovascular diseases. (Zusammenfassung der Studie) [4] Fodor et al. (2014) “Fishing” for the origins of the “Eskimos and heart disease” story: facts or wishful thinking?. Canadian Journal of Cardiology, 30(8), 864-868. (Zusammenfassung der Publikation) [5] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2024) Abgerufen am 17.4.2025 unter https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-empfehlungen [6] National Institutes of Health (NIH) USA (2025) Omega-3 Supplements: What You Need To Know. Abgerufen am 16.4.2025 unter https://www.nccih.nih.gov/health/omega3-supplements-what-you-need-to-know [7] UpToDate (2025) Mozaffarian D. Fish oil and marine omega-3 fatty acids. UpToDate. Abgerufen am 25.6.2025 unter www.uptodate.com (Kostenpflichtiger Zugang) [8] National Research Council (2015) A framework for assessing effects of the food system. National Academies Press. (ANNEX 1, DIETARY RECOMMENDATIONS FOR FISH CONSUMPTION.) (Link zur Publikation) [9] Statistik Austria (2025) Abgerufen am 17.4.2025 unter https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/gestorbene/todesursachen [10] Weltgesundheitsorganisation (WHO) Red and processed meat in the context of health and the environment: many shades of red and green. Information brief. Geneva: World Health Organization; 2023. Abgerufen am 22.4.2025 unter https://www.who.int/publications/i/item/9789240074828 Versionsgeschichte 29.04.2025: Bei einer neuerlichen Suche fanden eine aktuellere Übersichtsarbeit. Sie kam zu demselben Schluss wie die frühere. 22.07.2020: Veröffentlichung der ersten Version dieses Faktenchecks Schlagworte FischölHerzHerz-Kreislauf-ErkrankungenHerzinfarktNahrungsergänzungsmittelOmega 3 FettsäurenOmega-3Schlaganfall In über 500 Faktenchecks suchen Suchbegriff eingeben: Suchen