Startseite ● Noni: Faule Versprechen aus der Südsee Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Noni: Faule Versprechen aus der Südsee Noni-Früchte riechen nach ranzigem Käse. Und sie werden als Wundermittel beworben. Fehlende Belege zeigen: da ist etwas faul. 08. August 2018 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Julia Harlfinger Jörg Wipplinger Claudia Christof Teilen Fördern Produkte aus der Nonifrucht die Gesundheit? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher existieren keine wissenschaftlich gut durchgeführten Studien, die einen gesundheitlichen Nutzen von Noni beweisen können. so arbeiten wir Nonifrüchte: nichts für zarte Nasen © asierromero – fotolia.com In Australien trägt die Noni-Frucht auch die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „rotten cheese fruit“ – übersetzt „Gammelkäse-Frucht“. Schuld ist der Geruch nach ranzigem Käse, den Noni-Früchte verströmen. Das tut dem Marketinghype rund um Produkte aus der Südsee-Frucht jedoch keinen Abbruch. Der Grund: Saft der Noni wird als natürliches Universalheilmittel beworben. So soll der Genuss von Noni vor Krebs schützen oder den Blutdruck senken. In der Volksmedizin Indiens, Südostasiens, Afrikas und Australiens gilt die Hühnerei-große Tropenfrucht als Wundermittel gegen alle erdenklichen Beschwerden. Angeblich ist die Wirksamkeit von Nonisaft sogar durch zahlreiche klinische Studien wissenschaftlich belegt. Nachweis fehlt Eine kühne Behauptung, denn Belege für eine solche Wirkung sind bisher ausständig. Grob gesagt: Auf Basis der aktuellen Studienlage können wir positive Effekte durch Noni weder bestätigten noch ausschließen. Insgesamt findet sich zwar eine Handvoll klinischer Studien an menschlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die sind allerdings von geringer Qualität, ihre Aussagen sind nicht verlässlich. Das gilt speziell für die Behauptung, Noni-Produkte könnten den Cholesterinspiegel und die Blutfettwerte verbessern [1,2] oder den Blutzuckerspiegel bei Diabetes optimieren [5]. Genauso wenig gibt es glaubhafte Hinweise, dass Saft oder Extrakt der Südseefrucht die Hörfähigkeit verbessert oder eine durch Narkosemittel ausgelöste Übelkeit nach Operationen bekämpfen kann [3,4]. Seriöse klinische Studien, welche die Wirksamkeit von Noni bei Bluthochdruck oder zur Vorbeugung und Behandlung von Krebs untersuchen, konnten wir gar keine finden. Im Trend In der EU darf Nonisaft seit dem Jahr 2003 als neuartiges Lebensmittel („novel food“) verkauft werden. Eine Bestätigung möglicher Gesundheitsvorteile ist die Zulassung als Lebensmittel jedoch nicht. Das stellte auch die europäische Lebensmittelbehörde EFSA klar [6]. Leberschädlich? Bis zum Jahr 2006 tauchten vier Fallberichte [7] auf, bei denen Personen an einer Leberentzündung erkrankt waren, nachdem sie Noni-Saft getrunken hatten. Bei einer Überprüfung der Fälle fand die EFSA jedoch keinen überzeugenden Hinweis darauf, dass Noni-Saft der Auslöser für die Lebererkrankung war. Vielmehr dürften Alkohol, Medikamente oder Pflanzendrogen schuld daran gewesen sein, beziehungsweise hatten sich bereits bestehende Leberschäden plötzlich verschlimmert [6]. Giftigkeits-Untersuchungen haben keinen Hinweis auf eine gesundheitsschädliche Wirkung von Noni-Früchten gezeigt. Die EU stufte daher 30 Milliliter Noni-Saft täglich als sicher ein. Bis zum Jahr 2009 tauchten sechs weitere Fallberichte auf, bei denen Leberentzündungen in einem möglichen Zusammenhang mit Noniprodukten standen. Die Fachleute der EFSA schlossen daher nicht aus, dass einzelne Personen unter Umständen empfindlich auf die Früchte reagieren könnten [7]. Die Studien im Detail Studienlage zu Extrakten und Säften aus der Noni-Frucht ist dürftig. Gut gemachte klinische Studien haben wir keine finden können – weder bei unserer ursprünglichen Recherche im Jahr 2015, noch beim einem Update im Sommer 2018. Daher wissen wir nicht, ob Noni deutliche positive Gesundheitseffekte hat – auch wenn die Autorinnen und Autoren von Tier- und Reagenzglasstudien dies gerne nahelegen. Doch Ergebnisse aus dem Labor lassen sich nicht ohne Weiteres auf den menschlichen Mechanismus übertragen. Eine Handvoll methodisch fragwürdiger Studien untersuchte die Auswirkung auf diverse Blutwerte. Ob Produkte aus Noni neben einer Änderung von Blutwerten auch Beschwerden bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern merklich lindern konnten, berichten die Forscher nicht [1,2,3]. Zum Beispiel: 30 Milliliter Nonisaft täglich schienen die Gesamt-Cholesterinmenge und Blutfette bei schweren Raucherinnen und Rauchern nach einem Monat sinken zu lassen [1]. Ob sich aber auch die Werte für das „schlechte“ LDL-Cholesterin verbessert haben, geben die Forscherinnen und Forscher nicht an. Auch nicht, ob die Testpersonen spürbar gesünder waren. Zudem war die Zahl der Testpersonen in der Noni-Saft-Gruppe viel größer als die in der Vergleichsgruppe. Das macht eine Verzerrung der Ergebnisse wahrscheinlicher. Eine weitere Studie untersuchte Personen mit hohen Cholesterinwerten [2]. Testpersonen, die Noni-Kapseln einnahmen, unterschieden sich aber schon vor Studienbeginn stark von jenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die zwecks Vergleich Kapseln ohne Inhaltsstoffe schluckten. Die Ergebnisse sind daher nicht aussagekräftig. In einer kleinen Studie [5] erhielten Personen mit Typ-2-Diabetes drei Wochen täglich Nonisaft. Auf den Blutzuckerspiegel schien sich das im Vergleich zu einem anderen Getränk nicht auszuwirken. Die Ergebnisse sind jedoch nicht zur Gänze nachvollziehbar. Die Auswirkung von Noni-Extrakt auf die Hörfähigkeit von neun älteren Frauen untersuchte ein anderes Forschungsteam [3]. Den Ergebnissen zufolge besserte die Behandlung die Hörfähigkeit nur bei mittelhohen Tönen für das linke Ohr, nicht aber für das rechte Ohr oder andere Tonhöhen. Wahrscheinlich ist das Ergebnis bei einer derart kleinen Teilnehmerinnenzahl auf einen Zufall zurückzuführen. Ob Noni die Übelkeit [4] nach einer Narkose verhindern kann, bleibt ebenfalls unklar. Eine Studie dazu überprüfte so viele Zeitpunkte, dass zu einem davon die Noni-Gruppe tatsächlich besser abschnitt als die Vergleichsgruppe. Jedoch: Zufällige Unterschiede sind umso wahrscheinlicher, je mehr Vergleiche gleichzeitig gemacht werden. Wissenschaftliche Quellen [1] Wang u.a. (2012) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 132 starke Raucherinnen und Raucher Studiendauer: 30 Tage Fragestellung: Verbessert Noni-Saft bei starken Raucherinnen und Rauchern die Blutfettwerte? Mögliche Interessenskonflikte: finanziert durch die Firma Morinda, ein Hersteller von Noni-Saft Wang MY, Peng L, Weidenbacher-Hoper V, Deng S, Anderson G, West BJ. Noni juice improves serum lipid profiles and other risk markers in cigarette smokers. ScientificWorldJournal. 2012;2012:594657. (Studie in voller Länge) [2] Sasnan u.a. (2014) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 60 Personen mit hohem Cholesterinspiegel Studiendauer: 14 Tage Fragestellung: Verbessert Noni-Extrakt die Cholesterinwerte? Mögliche Interessenskonflikte: mitfinanziert durch die Firmen Laboratory of Biomedika und PT. Puspa Pharma Sasnan, G. S., E. Hanani, et al. (2014) Effect of Morinda citrifolia fruit extract capsule on total cholesterol levels in patients with hypercholesterolemia. Tropical Journal of Pharmaceutical Research 1319-1326 (Studie in voller Länge) [3] Langford u.a. (2004) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 9 Frauen nach der Menopause Studiendauer: 3 Monate Fragestellung: Verbessert Noni-Extrakt bei Frauen nach der Menopause die Hörfähigkeit? Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben Langford, J., A. Doughty, et al. (2004) Effects of Morinda citrifolia on quality of life and auditory function in postmenopausal women. Journal of alternative and complementary medicine (New York, N.Y.) 737-739 (Zusammenfassung der Studie) [4] Prapaitrakool & Itharat (2010) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 100 Personen mit einer geplanten Operation Studiendauer: 1 Tag Fragestellung: Lindert Noni-Extrakt – vor der Operation eingenommen – Übelkeit nach der Operation? Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren Prapaitrakool S, Itharat A. Morinda citrifolia Linn. for prevention of postoperative nausea and vomiting. J Med Assoc Thai. 2010 Dec;93 Suppl 7:S204-9. (Zusammenfassung) [5] Sabitha u.a. (2009) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 34 Personen mit Typ-2-Diabetes Studiendauer: 21 Tage Fragestellung: Verbessert Noni-Saft die Blutzucker-Werte bei Typ-2-Diabetikern? Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben Sabitha, P., M. R. Adhikari Prabha, et al. (2009) The beneficial effects of Noni fruit juice in diabetic patients. Journal of Clinical and Diagnostic Research 1822-1826 (Studie in voller Länge) Weitere wissenschaftliche Quellen [6] Bundesinistitut für Risikobewertung (2006) Können Noni-Säfte die Gesundheit schädigen? Aktualisierte Information Nr. 045/2006 des BfR vom 06. März 2006. Abgerufen am 6.8.2018 unter www.bfr.bund.de/cm/343/koennen_noni_saefte_die_gesundheit_schaedigen.pdf [7] EFSA (2009) Opinion on the safety of Tahitian Noni® ‘Morinda citrifolia (noni) fruit puree and concentrate’ as a novel food ingredient. Abgerufen am 6.8.2018 unter www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/998 Versionsgeschichte Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 12. November 2015. Eine neuerliche Literatursuche im Juli 2018 brachte keine neue Studien zutage. Unsere ursprüngliche Einschätzung hat sich nicht verändert. Schlagworte ErnährungFrüchteNoniObstpflanzlichSaftSuperfood In über 500 Faktenchecks suchen