Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Vegan leben: gesund oder riskant?

Vegan zu leben muss keinen Nährstoff-Mangel verursachen. Unklar ist, wie gesund Veganismus im Vergleich zur vegetarischer Ernährung ist.

AutorIn:
Review:  Claudia Christof 

Ist eine vegane Ernährung gesünder als eine vegetarische Ernährung?

Es ist unzureichend erforscht, wie gesund vegane Ernährung im Vergleich zu vegetarischer ist. Beide Ernährungsformen scheinen das Krebsrisiko verglichen mit Mischkost geringfügig zu senken.

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Mädchen mit Henne im Gras Vegane Ernährung: gut fürs Tier, aber auch gesund für den Menschen?
© Ramona Heim – Fotolia.com

Vegane Ernährung liegt im Trend. Am laufenden Band eröffnen vegane Supermärkte, Eissalons und sogar Burger-Läden. Einer Umfrage aus dem Jahr 2018 zufolge ernähren sich etwa zwei Prozent in Österreich vegan, das entspricht knapp 180.000 Menschen.

Die Motive für eine vegane Lebensweise sind meist ethische Bedenken gegenüber Massentierhaltung. Während Vegetarierinnen und Vegetarier nur auf Fisch und Fleisch verzichten, meiden Veganerinnen und Veganer auch andere Produkte tierischer Herkunft, also Eier, Milchprodukte oder Honig.

Vegane Organisationen bewerben die rein pflanzliche Ernährung nicht nur mit dem Wohl der Tiere; die völlige Ablehnung tierischer Lebensmittel soll auch besonders gesund sein. Ernährungsfachleute warnen hingegen vor gefährlichen Mangelerscheinungen.

Vegane Ernährung: zusätzlicher Vorteil unklar

Ein längeres Leben scheint der völlige Verzicht auf tierische Nahrungsmittel nicht zu bringen. Beobachtungsstudien geben keine Hinweise darauf, dass Veganerinnen und Veganer länger leben als Menschen, die Fleisch essen [1]. Das gilt jedoch auch für Personen, die sich vegetarisch ernähren.

Sowohl vegan als auch vegetarisch lebende Menschen erkrankten in diesen Untersuchungen weniger häufig an Krebs. Über die möglichen Vorteile einer vegetarischen Ernährung auf die Gesundheit hat Medizin-Transparent.at bereits berichtet, siehe Vegetarier: gesünder ohne Fleisch? . So erleiden Vegetarierinnen und Vegetarier beispielsweise seltener einen Herzinfarkt als Fleischfans. Ob das auch auf Veganerinnen und Veganer zutrifft, ist jedoch nicht ausreichend untersucht [1].

Wie gesund der zusätzliche Verzicht auf Eier und Milchprodukte im Vergleich zur vegetarischen Ernährung ist, lässt sich nicht sagen. Was fehlt, ist ein direkter Vergleich zwischen vegetarischen und veganen Studienteilnehmenden. Ohne diesen lässt sich nicht verlässlich feststellen, ob vegane Ernährung das „gesündere Vegetarisch“ ist.

Vegetarisch und vegan lebende Menschen im Durchschnitt schlanker, betreiben mehr Sport und konsumieren weniger Tabak und Alkohol als jene, die Fleisch essen. Daher ist nicht gesichert, dass der Verzicht auf tierische Lebensmittel der Grund für die bessere Gesundheit ist. Es könnte auch am allgemein gesünderen Lebensstil liegen.

Fans der veganen Lebensweise argumentieren gerne mit einer in den 1970er und 1980er Jahre durchgeführten Studie aus China [3]. Die als „China Study“ bekannte Untersuchung kann allerdings nur einen losen Zusammenhang mit einer möglicherweise besseren Gesundheit aufzeigen. Dass eine Tier-freie Ernährung tatsächlich die Ursache für eine bessere Gesundheit ist, kann sie nicht beweisen [4] (siehe Die Studien im Detail).

Veganismus und Vitamin B12

Veganerinnen und Veganer müssen durch ihren eingeschränkten Speiseplan besonders darauf achten, alle Nährstoffe und Vitamine in ausreichender Menge aufzunehmen. Vor allem Vitamin B12 fehlt in ihrer Ernährung, denn es kommt praktisch nur in tierischen Nahrungsmitteln vor.

Auf manchen Internetseiten finden sich Gerüchte, dass Sauerkraut, fermentierte Sojaprodukte oder Algen wie Nori oder Spirulina den Bedarf an Vitamin B12 decken kann. Diese Lebensmittel enthalten jedoch hauptsächlich inaktive Formen des Vitamins, die der menschliche Körper nicht verwerten kann [5,7,8].

Wer sich rein pflanzlich ernährt, muss daher Vitamin B12 zusätzlich einnehmen. Tut man das nicht, kann es über die Jahre zu einer Blutarmut und schließlich zu bleibenden Nervenschäden kommen. Untersuchungen haben ergeben, dass ein Großteil der Veganerinnen und Veganer weniger Vitamin B12 zu sich nimmt als empfohlen [5].

Schwache Knochen durch vegane Ernährung?

Manche Fachleute warnen davor, dass eine vegane Ernährung die Knochen schwächen könnte. Grund dafür ist, dass Milchprodukte große Mengen an Kalzium beinhalten, auf die Veganerinnen und Veganer verzichten. Kalzium ist für den Knochenaufbau wichtig.

Ein Kalziummangel kann das Risiko für Knochenschwund (Osteoporose) im Alter erhöhen [6]. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit für Knochenbrüche. Wir konnten allerdings keine ausreichenden Belege dafür finden, dass Veganerinnen und Veganern tatsächlich häufiger Osteoporose bekommen.

Nicht für Kinder empfohlen

Abgesehen von Kalzium und Vitamin B12 macht es bei einer veganen Ernährung Sinn, auch andere Nährstoffe wie Eisen, Zink und Omega-3-Fettsäuren in ausreichender Menge zu sich zu nehmen.

Gerade Säuglinge und Kinder benötigen besonders viel davon, da sie noch im Wachstum sind. Werden sie ausschließlich vegan ernährt, ist das Risiko für einen Nährstoffmangel groß. Ein Beispiel sind essentielle Aminosäuren. Das sind Eiweißbausteine, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Bekommt ein Kind zu wenig davon, kann das sein Wachstum verzögern.

Ein Mangel an Vitamin B12 oder Jod kann zu Nervenschäden führen. Das zeigen Einzelfälle, bei denen Säuglinge durch die vegane Ernährung der Mutter einen Mangel an Vitamin B12 und in Folge Hirnschäden erlitten haben [7]. Zudem gibt es die Vermutung, dass neugeborene Buben vegane Mütter ein erhöhtes Risiko für eine Missbildung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie) haben [2].

Aus diesen Gründen empfehlen die Österreichische wie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Kinder nicht vegan zu ernähren. Auch in der Schwangerschaft und Stillzeit raten die Fachgesellschaften davon ab [7,9]. Die US-Amerikanische Akademie für Ernährung und Dietätik sieht hingegen kein Problem, wenn Eltern ab der Schwangerschaft darauf achten, alle Nährstoffe in ausreichender Menge zuzuführen [10].

Als unproblematisch sehen die meisten Ernährungsfachleuten, wenn Kinder vegetarisch ernährt werden. Voraussetzung ist, dass die Eltern auf eine ausgewogene, nährstoffreiche Kost aus vielen unterschiedlichen Zutaten achten [5,7,9,10].

Trotzdem empfehlenswert?

Für Erwachsene kann eine vegane Ernährung – bei guter Planung – gesund und ohne negative Auswirkungen sein. Eine Nahrungsergänzung mit Vitamin B12 ist jedoch Voraussetzung. Positive gesundheitliche Auswirkungen über die einer vegetarischen Ernährung hinaus sind jedoch nicht belegt. Bisher gibt es dazu noch kaum Forschung – zukünftige große Studien werden hier vielleicht mehr Aufschluss geben.

Pflanzliche Nährstoffquellen

Wer sich vegan ernähren will, sollte wissen, welche pflanzlichen Nahrungsmittel besonders reich an kritischen Nährstoffen sind. Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll aber einen Überblick verschaffen:

Kalzium, das der Körper relativ gut aufnehmen kann, findet sich vor allem in grünem Gemüse wie Grünkohl, Brokkoli, Pak Choi sowie in mit Kalzium hergestelltem Tofu oder auch getrockneten Feigen. Allerdings ist es schwierig, den täglichen Kalziumbedarf durch diese Nahrungsmittel alleine zu decken, selbst in großen Mengen [5]. Viele Produkte wie Sojamilch, Fruchtsäfte oder Frühstückscerealien sind jedoch ebenfalls mit Kalzium angereichert.

Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln kann der Körper schlechter verwerten als aus Fleisch. Vitamin C (etwa aus Zitrusfrüchten, Brokkoli oder Tomaten) kann die Aufnahme von Eisen verbessern. Gute pflanzliche Eisenquellen sind beispielsweise Vollkorn-Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, grünes Blattgemüse, getrocknete Früchte, Sojaprodukte, Rohrzuckermelasse oder Weizenkeime [5].

Zink ist vor allem in Vollkorngetreide-Produkten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Weizenkeimen enthalten [5].

Omega-3-Fettsäuren finden sich außer in fettigem Fisch vor allem in Leinöl, aber auch in Walnüssen, Rapsöl und Soja [5].

Vitamin D ist in kaum einem Lebensmittel natürlicherweise enthalten – die Ausnahme sind Lebertran (Dorschleber) und fettreiche Fischarten. Der Körper kann Vitamin D aber auch in der Haut selbst herstellen – alles was er dazu braucht ist Sonnenlicht [5].

Eiweiß und Aminosäuren sind auch in pflanzlicher Nahrung in ausreichender Menge vorhanden. Im Gegensatz zu tierischen Produkten beinhalten jedoch nur wenige pflanzliche Lebensmittel alle essentiellen Aminosäuren auf einmal. Eine Ausnahme ist Soja. Es ist daher wichtig, dass Veganerinnen und Veganer mehrere unterschiedliche pflanzliche Eiweißquellen miteinander kombinieren [5].

Die Studien im Detail

Die Autorinnen und Autoren einer systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 [1] haben alle Studien zusammengetragen, welche die Auswirkungen einer veganen oder vegetarischen Ernährung auf die Gesundheit untersucht haben.

Die zusammengefassten Ergebnisse der gefundenen Beobachtungsstudien zeigen für vegetarisch lebende Menschen ein acht Prozent geringeres Krebsrisiko Für Veganerinnen und Veganer ist die Krebswahrscheinlichkeit im Vergleich zu fleischessenden Studienteilnehmern demnach um 15 Prozent reduziert. Die Schwankungsbreite beider Ergebnisse ist jedoch hoch – es ist daher fraglich, ob das verringerte Krebsrisiko bei beiden Ernährungsformen im gleichen Ausmaß verringert ist. Wahrscheinlich ist die Zahl bei Veganern nur zufällig höher. Für eine konkrete Aussage fehlen jedoch direkte Vergleiche zwischen veganer und vegetarischer Ernährung.

Die Übersichtsarbeit selbst ist zwar methodisch sauber durchgeführt, der Großteil der darin analysierten Studien hat aber methodische Mängel. Das mindert die Aussagekraft der zusammengefassten Ergebnisse. Zudem lässt sich nicht ausschließen, dass etwa der generell gesündere Lebensstil von vegetarisch und vegan lebenden Menschen die Ursache für die positiven Ergebnisse ist.

China Study in der Kritik

Einzelne Fans der veganen Lebensweise führen die sogenannte „China Study“ [3,4] als Beweis für die Gesundheitsvorteile der veganen Ernährung heran. In den 1970er und 1980er Jahren untersuchte eine Forschungsgruppe je 100 Einwohner aus 65 ländlichen Provinzen in China.

Die Studie hat jedoch zahlreiche Mängel und fand nur einen losen Zusammenhang zwischen einer Tierprodukte-armen Ernährung und der Wahrscheinlichkeit, länger zu leben. Einen Zusammenhang mit einer geringeren Krebswahrscheinlichkeit zeigen die Ergebnisse nicht. Es bleibt unklar, ob nicht gänzlich andere Faktoren der Grund für die scheinbar positiven Studienergebnisse sind. Ungeachtet der Kritik brachte einer der beteiligten Wissenschaftler die Ergebnisse der China Study als populärwissenschaftliches Buch heraus.

Risiko in Schwangerschaft und Stillzeit

Die meisten Studien, die das Risiko einer veganen Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit untersucht, sind von mittelmäßiger Qualität, die Ergebnisse lassen sich kaum miteinander vergleichen. Zu diesem Schluss kommt eine systematische Übersichtsarbeit zu diesem Thema [2]. Einziges konkretes Ergebnis der Studienanalyse: möglicherweise haben neugeborene Buben von veganen Müttern eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Missbildung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie).

[1] Dinu et al. (2016) Vegetarian, vegan diets and multiple health outcomes: a systematic review with meta-analysis of observational studies. Crit Rev Food Sci Nutr. 2016 Feb 6:0. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Piccoli et al. (2015) Vegan-vegetarian diets in pregnancy: danger or panacea? A systematic narrative review. BJOG. 2015 Apr;122(5):623-33. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Campbell et al. (1998) Diet, lifestyle, and the etiology of coronary artery disease: the Cornell China study. Am J Cardiol. 1998 Nov 26;82(10B):18T-21T. (Zusammenfassung)

[4] Chen et al. (1990) Diet life-style and mortality in China: a study of the characteristics of 65 Chinese counties. Am. J. Epidemiol. (1992) 135 (10): 1180-1181. (Zusammenfassung)

[5] UpToDate (2019) Vegetarian diets for children. Hopin AG (ed.). UpToDate. Abgerufen am 22.8.2019 unter www.uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

[6] IQWIG (2018) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Osteoporose. Abgerufen am 21.8.2019 unter www.gesundheitsinformation.de

[7] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2016) Vegane Ernährung: Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. Abgerufen am 21.8.2019 unter www.ernaehrungs-umschau.de

[8] Schwarz et al. (2014) The influence of a whole food vegan diet with Nori algae and wild mushrooms on selected blood parameters. Clin Lab. 2014;60(12):2039-50. (Zusammenfassung der Studie) (Studie im Volltext)

[9] Österreichische Gesellschaft für Ernährung Vegetarische Ernährung. Abgerufen am 22.8.2019 unter www.oege.at/index.php/component/content/article/54-bildung-information/ernaehrung-von-a-z/1788-vegetarische-ernaehrung

[10] Academy of Nutrition and Dietetics (2016) Melina V, Craig W, Levin S. Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: Vegetarian Diets. J Acad Nutr Diet. 2016 Dec;116(12):1970-1980.
(Zusammenfassung)

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