Startseite ● Matrix-Therapie: Massage ohne Wirkbeleg Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Matrix-Therapie: Massage ohne Wirkbeleg Die „Matrix-Therapie“ soll Muskelverspannungen, Kreuz- und Bewegungsschmerzen lindern. Jedoch: Die positive Wirkung ist weder belegt noch plausibel. 29. Mai 2019 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Julia Harlfinger Claudia Christof Teilen Kann die Matrix-Therapie (auch: Matrix-Rhythmus-Therapie) Beschwerden von Muskeln und Gelenken lindern? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher durchgeführte Studien sind zu mangelhaft, um diese Frage beantworten zu können. so arbeiten wir Schmerzende Schulter, verspannter Nacken: kann die Matrix-Therapie wirklich helfen? © 9nong – Sshutterstock.com Ob Muskelverspannungen, Gelenksbeschwerden oder Kreuzschmerzen – die sogenannte „Matrix-Therapie“ hilft angeblich bei all diesen Problemen. Funktionieren soll das mit Hilfe von speziellen Massagestäben. Ein verlockendes Versprechen. Das Vibrieren des Massagestabs soll den vermeintlich gestörten Stoffwechsel zwischen den Muskelzellen und ihrer Umgebung – also der extrazellulären Matrix – wieder in Balance bringen. Ist die extrazelluläre Matrix im Lot, dann ist auch die Ursache für Schmerzen und Verspannungen beseitigt. Angeblich. Wissenschaftliche Belege für diese Behauptung gibt es nicht; und die Erklärungsversuche zur Wirkweise sind nicht plausibel. Wir wollten dennoch wissen, ob die Behandlung mit speziellen Massagestäben zur Matrix-Therapie Schmerzen und Verspannungen lindern kann. Enttäuschende Suche nach Studien Dazu durchforsteten wir Forschungsdatenbanken sowie die Webseiten zweier Anbieter [4,5] nach entsprechenden Studien. Das Ergebnis unserer Suche ist jedoch enttäuschend. Wir fanden drei Studien, die die Matrix-Therapie mit anderen Behandlungsmethoden (z. B. Igelball-Massage, Stretching) verglichen haben. Keine von ihnen kann die Anforderungen an aussagekräftige wissenschaftliche Studien erfüllen, und unsere ursprüngliche Frage muss leider ohne konkrete Antwort blieben. Wir wissen also nicht, ob die Matrix-Therapie Menschen mit chronischen Kreuzschmerzen [1], schmerzhafter Schultersteife („Frozen Shoulder“) [2] oder Schmerzen im oberen Rücken- oder Nackenbereich [3] helfen kann. Fragwürdiger Wirkmechanismus Nicht nur für die Wirksamkeit der Matrix-Therapie fehlen Belege. Es gibt auch keine wissenschaftlich schlüssige Erklärung, wie die Methode wirken soll. Der Name Matrix-Therapie bezieht sich auf den Begriff „extrazelluläre Matrix“. Das ist der Raum, der die Körperzellen umgibt. Wissenschaftlich gesichert ist, dass Nährstoffe und Sauerstoff über die extrazelluläre Matrix von den kleinsten Blutgefäßen zu den Zellen gelangen. Umgekehrt nehmen die Blutgefäße Abfallprodukte aus der extrazellulären Matrix auf, welche die Zellen ausgeschieden haben. Keine Belege gibt es allerdings für die Behauptungen, die auf den Webseiten zweier Matrix-Therapie-Anbieter zu lesen sind: Demzufolge schwingen alle Körperzellen in einem bestimmten Rhythmus. Das soll dafür sorgen, dass die Flüssigkeit im Raum zwischen den Körperzellen im Fluss bleibt. Demzufolge ist der Transport von Sauerstoff, Nährstoffen und Abfallprodukten beeinträchtigt, falls sich diese angeblichen Zellschwingungen verlangsamen oder zum Stillstand kommen. Diverse Beschwerden sind die Folge, so Anbieter der Matrix-Therapie. Der Massagestab könne diese Schwingungen wieder ins Lot bringen und so Schmerzen und Verspannungen lindern. Aus Sicht der wissenschaftlich orientierten Medizin ist diese Erklärung nicht plausibel. Zahlreiche Varianten Je nach Anbieter trägt die Matrix-Therapie leicht unterschiedliche Namen. In allen drei von uns gefundenen Studien kam die sogenannte „Matrix-Rhythmus-Therapie“ zur Anwendung [4]. Ein anderer Anbieter bezeichnet seine Behandlung als „ZRT-Matrix-Therapie“ [5]. Auf dessen Webseite ist ebenfalls eine Studie erwähnt, die wir uns angesehen haben [9]. Darin fehlt jedoch der so wichtige Vergleich mit Personen, die nicht mit der ZRT-Matrix-Therapie behandelt wurden. Wir können daher keine Schlüsse zur Wirksamkeit und Sicherheit ziehen. Auch die Bezeichnungen „Biomechanische Stimulation“ oder „Biomechanische Muskelstimulation“ werden manchmal für die Matrix-Therapie verwendet. Was hilft? Für Muskelbeschwerden und Rücken- oder Nackenschmerzen kommen viele Ursachen in Frage. Was genau die Schmerzen auslöst, ist oft unbekannt [6,7]. Bei chronischen Kreuzschmerzen scheint die wirksamste Behandlung Bewegung zu sein. Gut eignen dürften sich Kräftigungsübungen in Kombination mit Dehnungsübungen [6]. Es gibt aber auch viele Behandlungen, für die die Wirksamkeit kaum oder nicht belegt ist. Kreuzschmerzen bessern sich mit der Zeit häufig von alleine. Wissenschaftlich gesicherte Informationen rund um Kreuzschmerzen und Abhilfen finden Sie auf der unabhängigen Seite www.gesundheitsinformation.de. Für Nackenschmerzen ist nicht gut untersucht, welche Behandlung wirklich hilft [7]. Welche Möglichkeiten es gibt, beschreibt ein Beitrag auf der Seite www.gesundheitsinformation.de. Bei einer schmerzhaften Schultersteife („Frozen Shoulder“) schmerzt die Schulter ohne ersichtlichen Grund und wird mit der Zeit steif. Helfen können Medikamente und Dehnungsübungen. Im Normalfall bessern sich die Beschwerden von alleine, auch wenn das lange dauern kann. Bis Schmerzen und Bewegungseinschränkungen deutlich zurückgehen, kann es Monate oder sogar Jahre dauern [8]. Auf www.gesundheitsinformation.de finden sich gesicherte Informationen zu dieser Erkrankung. Die Studien im Detail Ob eine Matrix-Therapie samt Massagestab Muskel- und Gelenksbeschwerden lindert, können nur randomisiert-kontrollierte Studien beantworten. In solchen Studien wird eine große Anzahl an Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) entweder einer Behandlungsgruppe oder einer Kontrollgruppe zugeteilt. Die zufällige Zuteilung soll sicherstellen, dass sich die beiden Gruppen nicht bereits zu Beginn der Studie voneinander unterscheiden. Der Vergleich ist also fair. Die Behandlungsgruppe erhält mehrere Einheiten mit der Matrix-Therapie, während die Kontrollgruppe eine Scheinbehandlung erhält, die nicht wirksam ist. Idealerweise wissen weder die teilnehmenden Personen noch das Studienpersonal, wer welcher Gruppe zugeteilt wurde – sie sind hinsichtlich der Zuteilung „verblindet“. Dadurch lässt sich ausschließen, dass Erwartungshaltungen das Ergebnis beeinflussen. Die bisher veröffentlichten randomisiert-kontrollierten Studien erfüllen diese Vorgaben nur teilweise und haben zusätzlich grobe Probleme in der Durchführung. Daher sind sie nicht aussagekräftig. Kreuzschmerzen Eine randomisiert-kontrollierte Studie [1] untersuchte 89 Personen, die seit mindestens sechs Monaten an Kreuzschmerzen litten. Die Behandlungsgruppe bekam 5 Einheiten der Matrix-Therapie zu jeweils 20 Minuten. Die Kontrollgruppe erhielt ebenso häufig und lange Behandlungen mit einem Igelball. Zusätzlich bekamen beide Gruppen eine 12-tägige multimodale Schmerztherapie. Diese beinhaltete sowohl physiotherapeutsiche als auch verhaltenstherapeutische Sitzungen zur besseren Schmerzbewältigung im Alltag. Drei Monate nach Behandlungsbeginn konnte die für die Studie verantwortliche Forschungsgruppe keinen Unterschied bei den Beschwerden zwischen beiden Gruppen feststellen. Dies würde eigentlich dafür sprechen, dass die Matrix-Therapie keinen Effekt hat – unter der Voraussetzung, dass die Studie gut gemacht ist. Doch die Studie hat zahlreiche Schwachpunkte. So waren die Beschwerden der Behandlungsgruppe bereits vor Studienbeginn etwas schwächer als in der Kontrollgruppe. Wahrscheinlich waren Teilnehmende und Studienpersonal hinsichtlich der Gruppenzuteilung nicht verblindet. Außerdem schieden 18 Prozent der Testpersonen vorzeitig aus der Studie aus und wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt. Mit insgesamt 89 Personen ist die Anzahl der Teilnehmenden zudem zu klein für ein aussagekräftiges Ergebnis. Schultersteife Eine weitere randomisiert-kontrollierte Studie [2] untersuchte 51 Personen mit schmerzhafter Schultersteife („Frozen Shoulder“). Die Behandlungsgruppe erhielt 18 Mal eine 45-minütige Matrix-Therapie-Einheit. Die Kontrollgruppe führte stattdessen Dehnungsübungen durch – ebenfalls 6 Wochen lang. Weder unmittelbar nach Behandlungsende noch nach 24 Wochen zeigte sich ein Vorteil für die Matrix-Therapie. Allerdings sind diese Ergebnisse nicht verlässlich, denn die Kontrollgruppe hatte zu Studienbeginn weniger Beschwerden als die Behandlungsgruppe. Auch in dieser Studie waren Teilnehmende und Studienpersonal nicht verblindet, sodass Erwartungshaltungen das Ergebnis eventuell beeinflusst haben. 51 Testpersonen waren außerdem deutlich zu wenig, um eine gesicherte Aussage über die Gesamtheit der Betroffenen mit Schultersteife treffen zu können. Nackenschmerzen Noch weniger Menschen nahmen an einer randomisiert-kontrollierten Studie zu Schmerzen im Nacken und im oberen Rücken teil – hier waren es nur 30 Testpersonen [3]. Die Behandlungsgruppe wurde an 3 Tagen jeweils 20 Minuten mit der Matrix-Therapie behandelt. Die Kontrollgruppe erhielt eine Kombination aus der Massagetechnik „Myofascial Release“ und Kinesio-Taping. Die für die Studie verantwortliche Forschungsgruppe gab an, nach den Behandlungen keinen Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt zu haben. Dies würde gegen einen Effekt der Matrix-Therapie sprechen. Nachprüfen lässt sich das jedoch nicht, weil genaue Zahlenangaben fehlen. Zudem ist unklar, an welchen Beschwerden die Teilnehmenden konkret litten. Somit ist die Vertrauenswürdigkeit dieser Studie sehr gering. Unterschiedliche Arten der Matrix-Therapie Die drei beschriebenen Studien [1-3] haben die „Matrix-Rhythmus-Therapie“ eingesetzt. Diese Form der Matrix-Therapie – wird vom Unternehmen MaRhyThe Systems GmbH & Co. KG beworben; es verkauft auch die Massagestäbe [4]. Auf der Webseite des Vereins Akademie für Zellbiologische Regulationsmedizin e.V. fanden wir einen Verweis auf eine weitere Studie [9]. Die untersuchte Form der Matrix-Therapie nennt der Verein „ZRT-Matrix-Therapie“. ZRT steht für „Zellbiologische Regenerationstherapie“. In dieser Arbeit fehlt eine Kontrollgruppe. Somit ist unklar, ob die Matrix-Therapie eine Besserung der Beschwerden bewirken kann, die nicht auch ohne Matrix-Therapie eingetreten wäre. Wir haben sie daher nicht näher ausgewertet. Wissenschaftliche Quellen [1] Krummenauer u.a. (2011) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmende: 89 Personen mit Kreuzschmerzen Studiendauer: 3 Monate Fragestellung: Kann eine Kombination aus Matrix-Rhythmus-Therapie und multimodaler Schmerztherapie Schmerzen besser lindern oder die Lebensqualität mehr steigern als eine Kombination aus Igelball-Stimulation und multimodaler Schmerztherapie? Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam. Gerät kostenlos von der Firma MaRhyThe-Systems GmbH zur Verfügung gestellt. Finanzierung der Studie durch die Landesversicherungsanstalt (LVA) des Landes Baden/Württemberg. Krummenauer, F., Konrad, B., Prate, K., Funk, R., Günther, K. P., & Ettrich, U. (2011). Randomisierte klinische Studie zur Wirksamkeit einer Kombination aus Matrix/Rhythmus-Therapie und multimodaler stationärer Schmerztherapie bei Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 21(01), 27-33. (zur Studie – kostenpflichtiger Zugang) [2] Çelik & Türkel (2016) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmende: 51 Personen mit schmerzhafter Schultersteife („Frozen Shoulder“) Studiendauer: 24 Wochen Fragestellung: Kann die Matrix-Rhythmus-Therapie Schmerzen, Bewegungsumfang oder die Lebensqualität mehr verbessern als eine Stretching-Behandlung? Interessenskonflikte: Angaben fehlen Çelik, D., & Türkel, N. (2016). COMPARISON OF MATRIX RHYTHM THERAPY AND STRETCHING EXERCISES ON FROZEN SHOULDER: RANDOMISED CONTROLLED TRIAL. Türk Fizyoterapi ve Rehabilitasyon Dergisi, 27(3), 81-88. (Studie in voller Länge) [3] Mattos & Pandit (2018) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmende: 30 Personen mit Schmerzen im oberen Rückenbereich oder im Nacken Studiendauer: 3 Tage Fragestellung: Kann Matrix-Rhythmus-Therapie den Bewegungsumfang stärker erhöhen oder Schmerzen besser verringern als eine Kombinationsbehandlung aus Myofascial Release und Kinesio-Taping? Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam Marika Mattos, Dr. Meenakshi Pandit (2018). The Immediate Effects of Matrix Rhythm Therapy on Active Upper Trapezius Trigger Points- A Pilot Study, International Journal of Medical Science and Innovative Research, 3(4),198-205. (Studie in voller Länge) Weitere Quellen [4] MaRhyThe-Systems GmbH & Co. KG www.marhythe-systems.de/de/die-therapie , Webseite aufgerufen am 27.5.2019 [5] Akademie für Zellbiologische Regulationsmedizin e.V. www.zellmatrix-akademie.de, Webseite abgerufen am 27.5.2019 [6] IQWIG (2019) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Rücken- und Kreuzschmerzen. Abgerufen am 27.5.2019 unter www.gesundheitsinformation.de [7] IQWIG (2019) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Nackenschmerzen. Abgerufen am 27.5.2019 unter www.gesundheitsinformation.de [8] IQWIG (2018) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Schultersteife. Abgerufen am 27.5.2019 unter www.gesundheitsinformation.de [9] Otto u.a. (2011) Otto O, Dickreiter B, Schuhmacher J (2011). Matrix-Therapie – Ergebnisse einer Therapiestudie. Abgerufen am 28.5.2019 unter https://de.scribd.com/document/89483753/Matrix-Studie Schlagworte KreuzschmerzenMassageMatrix-TherapieMuskelnNackenschmerzenRückenschmerzenSchultersteifeVerspannungen In über 500 Faktenchecks suchen