Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Lichttherapie bei Herbst-Winter-Depression mäßig wirksam

Lichtlampen sollen fehlendes Tageslicht ersetzen und die Herbst-Winter-Depression lindern. Doch nur einem kleinen Teil der Betroffenen dürften sie spürbar helfen.

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Kann Lichttherapie mit Lichtlampen die Beschwerden einer Herbst-Winter-Depression lindern?

Lichttherapie mit Lichtlampen kann möglicherweise eine Herbst-Winter-Depression lindern. Allerdings scheint sie nur bei einer von fünf betroffenen Personen zu helfen. Wie lange eine Besserung anhält, ist unklar. Langzeitstudien dazu fehlen.

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© Smileus - shutterstock.com Wenn sich das Sonnenlicht langsam verabschiedet, drückt das bei manchen Menschen spürbar aufs Gemüt.
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Die Tage werden kürzer, es wird kalt und dunkel, das Wetter nass und trüb. Was für manche ein bloßes Ärgernis ist, kann für andere zur gesundheitlichen Belastung werden: Für Menschen, die von Herbst-Winter-Depression betroffen sind, zum Beispiel.

Die Betroffenen haben die typischen Beschwerden einer Depression. Das sind beispielsweise Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen. Wie genau eine Herbst-Winter-Depression entsteht, ist bisher nicht geklärt. Als eine mögliche Ursache vermutet man aber den Mangel an natürlichem Licht in der kalten Jahreszeit [3].

Hier hilft angeblich die Lichttherapie. Bis zu eine Stunde täglich, so die Empfehlung, sollten sich Betroffene dazu vor einer Lichttherapie-Lampe aufhalten. Eine solche Lampe ist dem natürlichen Tageslicht nachempfunden und strahlt etwa 100 Mal heller als eine herkömmliche Glühbirne.

Fehlendes Sonnenlicht ersetzen – das klingt erst mal plausibel. Und praktisch. Immerhin kann die Therapie einfach zuhause durchgeführt werden. Doch geht es Menschen mit Herbst-Winter-Depression durch Lichttherapie wirklich besser?

Wirkung bei 21 von 100 Personen

Wir fanden zwei wissenschaftliche Arbeiten, die alle verfügbaren Studien zu dem Thema zusammenfassten [1,2]. In allen Studien wendeten die Teilnehmenden die Lichttherapie selbstständig zuhause an. Vor und nach Ende der Behandlung wurden sie zu ihren Beschwerden befragt. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse: Die Behandlung mit Lichtlampen könnte manchen von Herbst-Winter-Depression betroffenen Menschen zumindest kurzfristig ein wenig helfen.

Nach zwei bis acht Wochen langer Behandlung zeigte sich:

  • Ohne Lichttherapie besserten sich die Beschwerden bei 25 von 100 Personen
  • Mit Lichttherapie besserten sich die Beschwerden bei 46 von 100 Personen

Insgesamt hat die Lichttherapie also 21 von 100 Personen geholfen. Diese Personen hatten am Ende der Behandlung nur noch halb so starke Beschwerden angegeben wie zu Beginn.

Die derzeit besten verfügbaren Studien deuten also an, dass die Lichttherapie manchen Menschen helfen kann. Im Durchschnitt allerdings dürfte der Effekt nicht sonderlich groß sein, und die aktuelle Einschätzung ist mit einiger Unsicherheit behaftet.

Auffällige Lücken

Denn viele der verfügbaren Studien sind klein und mangelhaft durchgeführt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Studien, die keinen Effekt der Lichttherapie finden konnten, gar nicht erst veröffentlicht wurden. Diese Informationslücken könnten dazu führen, dass der Nutzen der Therapie überschätzt wird. Unser Vertrauen in die Ergebnisse ist deshalb gering.

Wirkung nur kurzfristig gemessen

Unklar bleibt auch, wie lange die vermutete Wirkung anhält. Die Teilnehmenden wurden höchstens acht Wochen ab Beginn der Behandlung beobachtet. Eine Langzeitwirkung wurde in den Studien nicht untersucht.

Nebenwirkungen scheint die Lichttherapie jedenfalls nicht zu haben: Es gibt zwar vereinzelte Berichte über Schlaflosigkeit, Augenschmerzen und Kopfweh. Diese Beschwerden kamen aber etwa gleich häufig vor, egal, ob die Betroffenen Lichttherapie, eine Scheintherapie (Placebo) oder gar keine Therapie erhalten hatten.

Tragbare Lichtgeräte ohne Effekt

Es gibt auch Lichttherapie-Geräte, die mit herkömmlichen Lampen nicht viel Ähnlichkeit haben: Sie ähneln vielmehr leuchtenden Brillen oder Schirmkappen und werden am Kopf getragen. Wirken sollen sie durch indirektes Leuchten in die Augen. Für diese Art von Lampen liefern die Studienergebnisse jedoch keinen Hinweis auf eine Wirkung gegen Herbst-Winter-Depression, weder lang- noch kurzfristig.

Wenn der Winter depressiv macht

Müdigkeit und gedämpfte Stimmung erleben viele Menschen, sobald die Tage spürbar kürzer und kälter werden. Manche sind jedoch so stark betroffen, dass sie Symptome einer Depression entwickeln. Die Beschwerden bei der Herbst-Winter-Depression ähneln normalerweise denen einer Depression, die unabhängig von der Jahreszeit auftritt: Antriebslosigkeit, gedrückte Stimmung und wiederkehrende negative Gedanken etwa. Menschen mit Herbst-Winter-Depression berichten zusätzlich oft von Heißhungerattacken (speziell auf Süßes), Gewichtszunahme und erhöhtem Schlafbedürfnis.

In Österreich leiden etwa 2 bis 3 von 100 Menschen pro Jahr an einer Herbst-Winter-Depression, auch saisonale Depression genannt [4]. Im Gegensatz zur Jahreszeiten-unabhängigen Depression verschwinden die Beschwerden im Frühlings von selbst wieder. In den meisten Fällen dürfte die Herbst-Winter-Depression jedoch im darauffolgenden Jahr wiederkommen [5].

Ursprung ungeklärt

Über die Ursachen ist noch wenig bekannt. Als Auslöser der Herbst-Winter-Depression wird unter anderem der Mangel an natürlichem Licht vermutet. Dadurch könnte es zu einem Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn kommen. Lange Nächte könnten außerdem zu verstärkter Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin führen und so Symptome wie Müdigkeit und Antriebslosigkeit verursachen.

Auch eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus gilt als möglicher Auslöser. Etwa, weil von außen vorgegebene Zeitpläne und Anforderungen (zum Beispiel von der Arbeitswelt) nicht mit der inneren Uhr und dem im Winter verstärkten Bedürfnis nach Schlaf zusammenpassen. Auch genetische Veranlagung könnte eine Rolle spielen [3].

Relikte vom Winterschlaf?

Eine andere Hypothese sieht den Ursprung der Herbst-Winter Depression gar in unserer Evolution: Wie bei anderen Säugetieren auch könnte der menschliche Körper mit Beginn der kalten Jahreszeit in einen Winterschlaf-Modus wechseln – bei manchen Menschen deutlicher als bei anderen. Mit Müdigkeit, Heißhunger und Gewichtszunahme wappnen sich viele Tiere gegen den Winter. Bei Menschen mit Herbst-Winter-Depression könnten es sich um ein stark ausgeprägtes Überbleibsel einer solchen uralten Winterschlaf-Reaktion handeln [3].

Die Studien im Detail

Wir gehen auf Basis der aktuellen Studienlage vorsichtig davon aus, dass die Lichttherapie eine gewisse Wirkung haben könnte. Im Durchschnitt dürfte dieser Effekt allerdings nur klein sein. Diese Einschätzung basiert auf zwei Übersichtsarbeiten [1,2].

Die erste Übersichtsarbeit fasste 19 Studien mit insgesamt 610 Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Herbst-Winter-Depression zusammen [1]. In der zweiten Arbeit waren es 7 Studien mit 268 Teilnehmenden [2]. Die Studien wurden in den USA, in Kanada und Mitteleuropa durchgeführt. Untersucht wurde, wie gut die Therapie mit Lichtlampen gegen die Beschwerden bei einer Herbst-Winter-Depression wirkt. Dazu verglichen die Forscherinnen und Forscher die Wirkung der Lichtlampen mit einer Placebo-Behandlung (meist sehr schwaches Licht oder Licht mit einer anderen Wellenlänge) oder gar keiner Therapie.

Je nach Studie verbrachten die Teilnehmenden 30 Minuten bis sechs Stunden pro Tag vor einer Lichtlampe, meist morgens. Mit einer einzigen Ausnahme führten die Patientinnen und Patienten in allen Studien die Therapie selbstständig zuhause durch. Zum Einsatz kamen dabei Lampen mit sehr hellem Tageslicht-ähnlichem Licht (2000 bis 10 000 Lux). Zum Vergleich verwendete die andere Gruppe (Placebo-Gruppe) Lampen mit weit schwächeren Licht (bis zu 400 Lux) oder Rotlicht-Lampen, von denen keine antidepressive Wirkung zu erwarten war.

Die Teilnehmenden bewerteten die Stärke ihrer Depression auf verschiedenen Punkteskalen –vor Behandlungsbeginn, direkt nach dem Ende der Behandlung und in manchen Studien einige Wochen danach.

Ist der Effekt überhaupt spürbar?

Beide Übersichtarbeiten stellten eine Besserung der Beschwerden durch die Lichttherapie bei manchen Patientinnen und Patienten fest.

  • Mit Therapie hatten sich nach zwei bis acht Wochen bei 46 von 100 Personen die Beschwerden verbessert.
  • Bei 25 von 100 Betroffenen war das aber auch ohne Therapie der Fall. Das heißt:
  • Bei etwa 21 von 100 Personen war die Lichttherapie Ursache für die Besserung.

Im Durchschnitt über alle Teilnehmenden war die Linderung der Beschwerden allerdings sehr klein und betrug etwa 2 Punkte auf der „Hamilton Depression Rating Scale“. Als spürbare Linderung gilt eine Verbesserung um 3 oder mehr Punkte [6]. Die hier beobachtete Verbesserung, gemittelt über alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, war also in erster Linie eine rechnerische.

Ob die Lichttherapie hilft oder nicht, dürfte also von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein: Manche profitieren deutlich, andere dafür gar nicht.

Gesondert untersuchten die Forschungsteams auch den Effekt von kleinen Lampen, die wie Brillen oder Schirmkappen am Kopf getragen werden und indirekt in die Augen leuchten. Für diese Art von Geräten gibt es keinerlei Hinweis auf eine Wirkung gegen die Herbst-Winter-Depression.

Studien sehr unterschiedlich und großteils mangelhaft

Wie lange die Teilnehmenden die Lichttherapie anwendeten, unterschied sich in den einzelnen Studien stark: Mit einem Tag Behandlungsdauer in einer Studie bis zu einem Monat in vier Studien.

Diese großen Unterschiede, genauso wie die meist mangelhafte Qualität der verfügbaren Studien schwächen unser Vertrauen in das Ergebnis.

Dazu kommt ein hohes Risiko für das sogenannte Schubladenproblem, im Fachjargon Publication Bias genannt: Das bedeutet, dass Studien, die nicht die erhoffte Wirkung zeigen, sozusagen in der Schublade landen und gar nicht erst veröffentlicht werden. Im Fall der Lichttherapie könnte das laut den beiden Übersichtsarbeiten ein Problem sein. Dass der positive Effekt der Lampen überschätzt wird, ist also möglich.

[1] Pjrek u.a. (2020)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 19
Fragestellung: Ist die Lichttherapie als alleinige Behandlung wirksam bei saisonaler Depression?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenteam
Pjrek, E., et al. (2020). „The Efficacy of Light Therapy in the Treatment of Seasonal Affective Disorder: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials.“ Psychother Psychosom 89(1): 17-24. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Nussbaumer-Streit u.a. (2020)
Studientyp: Health Technology Assessment mit systematischer Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 7
Fragestellung: Ist die Lichttherapie als alleinige Behandlung wirksam bei saisonaler Depression?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenteam
Nussbaumer-Streit B. et al (2020). Herbst-Winter-Depression. Führen nicht medikamentöse Verfahren wie Licht- und Vitamintherapie zu besseren Ergebnissen? Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (Hg.) (Bericht in voller Länge)

Weitere Quellen

[3] UpToDate (2020)
Avery, D. Seasonal affective disorder: Epidemiology, clinical features, assessment, and diagnosis. In: UpToDate, Givens, J (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2020.
Abgerufen am 28.10.2020 unter www.uptodate.com

[4] Pjrek E, Baldinger-Melich P, Spies M, Papageorgiou K, Kasper S, Winkler D. Epidemiology and socioeconomic impact of seasonal affective disorder in Austria. Eur Psychiatry 2016; 32: 28-33. (Zusammenfassung der Studie)

[5] Schwartz PJ, Brown C, Wehr TA, Rosenthal NE. Winter seasonal affective disorder: a follow-up study of the first 59 patients of the National Institute of Mental Health Seasonal Studies Program. Am J Psychiatry 1996; 153(8): 1028-1036. (Zusammenfassung der Studie)

[6] Masson, S. C. (2013). Minimum clinically important differences identified for commonly used depression rating scales. Journal of clinical epidemiology, 66(7), 805. (Artikel in voller Länge)

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