Dieser Beitrag ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Omega-3 Fettsäuren bei Depression: Wirkung fraglich

Die in Fischöl enthaltenen Omega-3-Fettsäuren sollen Depressionen lindern können. Wissenschaftlich belegen lässt sich diese Behauptung allerdings nicht.

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Können Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl Depressionen lindern?

Die bisher durchgeführten Studien sind kaum vertrauenswürdig. Ihre zusammengefassten Ergebnisse deuten nicht darauf hin, dass Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl eine Depression merkbar lindern könnte.

In Studien, die Fischöl mit Medikamenten gegen Depression verglichen, schienen die Omega-3-Fettsäuren schlechter zu wirken als die Medikamente.

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© Africa Studio - fotolia.com Helfen Fischöl-Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren bei Depressionen?
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Fisch, vor allem fetter Meeresfisch, enthält Omega-3-Fettsäuren, denen in den letzten Jahren wahre Wunder der Heilkraft nachgesagt wurden. Entsprechend boomt der Handel mit Fischöl-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel.

Für einige der beworbenen Anwendungsgebiete konnten Studien bisher kaum überzeugen, wie unsere Beiträge zu den Themen Fischöl gegen Rheuma, Omega-3-Fette als Herzschutz oder als Mittel gegen ADHS zeigen.

Angeblich sollen Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl auch Depressionen lindern können. Was ist an dieser Behauptung dran? Schaffen es Omega-3-Kapseln, Erwachsene von Schwermut zu befreien?

Omega 3 schlechter als Medikamente gegen Depression

In einer Übersichtsarbeit fasste ein Forschungsteam unter anderem all jene Studien zusammen, die die Wirkung von Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren mit der Wirksamkeit von modernen Antidepressiva auf die Symptome einer Depression verglichen hatten [2]. Dabei schnitt das Fischöl schlechter ab: Bei Menschen mit einer schweren Depression schienen die Medikamente eher zu einer Besserung zu führen als die Omega-3-Fettsäuren.

Das bedeutet natürlich nicht automatisch, dass Fischöl gar nicht wirkt. Wie sieht es nun im Vergleich zu einem Scheinmedikament aus? Wir haben auch nach Studien gesucht, die Fischöl bei einer Depression mit Placebo vergleichen.

Omega-3-Fettsäuren: Wirkung fraglich

Die Zusammenfassung der Ergebnisse aller Arbeiten, die Omega-3-Fettsäuren bei Menschen mit einer Depression untersucht haben, kommt leider zu einem unbefriedigenden Ergebnis: Die bisher durchgeführten Studien sind von so schlechter Qualität, dass eine eindeutige Aussage nicht möglich ist [1].

Zwar scheinen die Omega-3-Fettsäuren eine Depression auf den ersten Blick ein klein wenig lindern zu können. Sollte diese Wirkung tatsächlich eintreten, wäre der Effekt aber so gering, dass er für die Betroffenen kaum merkbar sein dürfte.

Studienergebnisse nicht verlässlich

Die Studienergebnisse sind allerdings aus verschiedenen Gründen nicht verlässlich: So hatten die meisten Studien zu wenig Teilnehmer oder Teilnehmerinnen, diese wurden über zu kurze Zeiträume untersucht, oder die Studien waren in anderer Hinsicht nicht sauber durchgeführt. Damit sind sie wenig aussagekräftig.

Zum Beispiel zeigten kleine Studien an wenigen Teilnehmenden eine deutlich positivere Wirkungen von Fischöl als große Untersuchungen an vielen Probanden. Das kann darauf hindeuten, dass kleine Studien erst gar nicht veröffentlicht worden sind, wenn sie keine Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren fanden. Zudem sind kleine Studien weniger aussagekräftig als große.

Auch kamen Studien, die weniger gut gemacht waren, eher zu einem positiven Ergebnis als wissenschaftlich besser durchgeführte Untersuchungen. Nachdem es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Fischöl um eine gewinnträchtige Industrie handelt, lässt sich eine Beeinflussung der Ergebnisse durch kommerzielle Interessen nicht ausschließen.

Die Autorinnen und Autoren der Übersichtsarbeit kommen zu dem Schluss, dass die bisherigen Daten nicht ausreichen, um die Wirkung oder mögliche Nebenwirkungen von Fischöl bei der Behandlung depressiver Symptome beurteilen zu können. Ebenso unklar ist, ob die regelmäßige Einnahme von Kapseln mit Fischöl bei manchen Menschen auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Eine verlässlichere Antwort auf diese Fragen könnten nur zukünftige, streng nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Studien bringen.

Fischöl oder Fisch?

Abschließend sei noch erwähnt, dass in sämtlichen berücksichtigten Untersuchungen die Einnahme von Kapseln mit reinen Omega-3-Fettsäuren untersucht wurde, nicht aber eine fischreiche Ernährung. Welche Wirkung ein regelmäßiger Fischkonsum auf die Sympotome einer Depression haben könnte, bleibt also gänzlich offen.

Die Studien im Detail

Die Autorinnen und Autoren einer gut gemachten Übersichtsarbeit fassten alle Studien bis Jänner 2015 zusammen, die die Wirkung moderner Antidepressiva mit anderen Behandlungsformen verglichen haben [2], darunter auch Studien mit Omega-3-Fettsäuren. Zu diesem Thema fanden sie drei Arbeiten.

In einer davon wurde bei 60 depressiven Personen die Wirkung einer achtwöchigen Therapie mit gängigen Antidepressiva (sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern, kurz SSRI) mit der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Medikamente bei einer schweren Depression besser wirken dürften als Fischöl. Die Autorinnen und Autoren der Übersichtsarbeit weisen allerdings darauf hin, dass diese Studie zahlreiche Mängel aufweist.

Besser gemachte, umfangreichere Studien könnten das Ergebnis in Zukunft also verändern.
Dasselbe gilt für zwei weitere Studien, die acht Wochen SSRI als Einzeltherapie mit SSRI in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren verglichen haben [2,3]. Die Kombination von Medikamenten mit Omega-3 schien etwas bessere Erfolge als die reine Medikamententherapie zu bringen. Doch wegen Mängeln beim Studiendesign ist auch dieses Ergebnis nicht gesichert.

Omega-3-Fettsäuren können nicht überzeugen

Das unabhängige Forschungsnetzwerk Cochrane fasste alle Studien zusammen, die die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren bei Erwachsenen mit einer Depression untersucht haben [1]. Die Auswertung von 25 Studien zeigte zwar einen geringfügigen Trend in die Richtung, dass Omega-3-Fettsäuren die Symptome einer Depression besser lindern könnten als Placebo, doch war die Wirkung so gering, dass sie für die Betroffenen im Alltag keine Rolle spielen dürfte. Die Qualität der meisten Studien war allerdings sehr gering, das Ergebnis ist also nicht vertrauenswürdig.

Als die Forscher und Forscherinnen nur die vertrauenswürdigen, gut gemachten Studien gemeinsam auswerteten, blieb von den geringen positiven Effekten nichts mehr übrig.

Eine Studie, die in die Übersichtsarbeit aufgenommen wurde, hatte Omega-3-Fettsäuren direkt mit einem Antidepressivum verglichen. Diese Arbeit hatte jedoch nur 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen und war nicht gut gemacht. Auch dieses Ergebnis ist damit nicht vertrauenswürdig.
Aufgrund der derzeitigen Studienlage bleibt demnach fraglich, ob Fischöl bei Depressionen besser wirkt als ein Scheinmedikament.

[1] Appleton u.a. (2015)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse der Cochrane-Vereinigung
Analysierte Studien: 26 randomisiert-kontrollierte Studien, davon vergleichen 25 die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren mit Placebo, eine vergleicht Omega-3-Fettsäuren mit Antidepressiva
Teilnehmende insgesamt: 1438
Fragestellung: Zeigt die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren bei Depressionen eine Wirkung?
Interessenkonflikte: keine laut AutorInnen

Appleton KM, Sallis HM, Perry R, Ness AR, Churchill R. Omega-3 fatty acids for depression in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Nov 5;(11):CD004692 (Volltext der Übersichtsarbeit)

[2] Gartlehner u.a. (2015)

Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 2 randomisiert-kontrollierte Studien zur Fragestellung Omega-3-Fettsäuren
Fragestellungen: Wie gut lindert die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren die Symptome einer Depression im Vergleich zu Antidepressiva? Ist eine Kombination aus Omega-3-Fettsäuren und Antidepressiva wirksamer als Antidepressiva allein?
Interessenkonflikte: keine laut AutorInnen

Nonpharmacological Versus Pharmacological Treatments for Adult Patients With Major Depressive Disorder. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2015 Dec (Volltext der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[3] Asher u.a. (2017)
Comparative Benefits and Harms of Complementary and Alternative Medicine Therapies for Initial Treatment of Major Depressive Disorder: Systematic Review and Meta-Analysis. J Altern Complement Med. 2017 Jul 12 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

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