Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Amorex: Zweifelhafte Pille gegen Liebeskummer

Amorex, ein rezeptfreies Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke, soll bei Liebeskummer helfen. Einen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt es nicht.

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Hilft ein Extrakt aus der afrikanischen Schwarzbohne (Wirkstoff 5-Hydroxytryptophan) gegen Liebeskummer?

Eine solche Wirkung ist bisher nicht wissenschaftlich bestätigt.

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© Africa Studio - shutterstock.com Tablette statt trauern: lässt sich Liebeskummer so einfach lindern?
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Liebe tut weh – das ist die bittere Erkenntnis, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln will mit seinem Präparat namens „Amorex“ den Liebeskummer bekämpfen. Damit soll sich die Trennung von einer geliebten Person mit einer kleinen Pille quasi wegschlucken lassen, so scheint es. Die Wirkung des Präparats sei sogar wissenschaftlich bestätigt, Nebenwirkungen ausgeschlossen. Ein Durchbruch in der Medikamentenforschung?

Unbewiesene Behauptung

Eher nicht. Einen wissenschaftlichen Beweis, dass das Präparat tatsächlich seelische Schmerzen nach Trennungen von einem geliebten Partner lindern kann, gibt es nicht. Daran ändert auch die einzige auffindbare Studie zu dem Mittel nichts. Ihre Ergebnisse [1] sind nicht in der Lage, eine Wirksamkeit von Amorex beweisen zu können.

Belegt sind hingegen mögliche Nebenwirkungen durch den Hauptbestandteil der Pillen, den Wirkstoff 5-Hydroxytryptophan [2] [3]. Diese reichen von Übelkeit und Erbrechen bis zu Durchfall. Selten kann es auch zu Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Herzrasen kommen. Nicht bewiesen ist die Befürchtung, der Wirkstoff könnte in Zusammenhang mit der seltenen, aber ernsten Erkrankung EMS (Eosinophilie-Myalgie-Syndrom) stehen.

Amorex im Ernstfall kein Ersatz für Therapie

Ein gebrochenes Herz oder die Trennung vom geliebten Partner sind tiefgreifende Ereignisse, die mitunter auch schwere psychische Probleme auslösen können. Bei einer gravierenden und langandauernden seelischen Belastung sollten Betroffene auf eine Selbstbehandlung mit derartigen Präparaten verzichten und stattdessen den Rat eines Psychologen oder Psychiaters suchen.

Vorläufer moderner Antidepressiva

Der Hauptwirkstoff der Amorex-Pillen, 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) stammt aus dem Extrakt der afrikanischen Schwarzbohne (Griffonia simplicifolia). Er ist auch ein Zwischenprodukt bei der körpereigenen Produktion des Nervenbotenstoffs Serotonin.

Bei Depressionen mangelt es dem Gehirn häufig an diesem Botenstoff, moderne Medikamente gegen Depressionen (sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) wirken daher vor allem, indem sie die Wirkung von Serotonin verstärken. Bevor diese Medikamente verbreitet waren, wurde auch der Einsatz von 5-HTP zur Behandlung von Depressionen erforscht. Der Körper wandelt aufgenommenes 5-HTP im Gehirn tatsächlich zu Serotonin um, dennoch ist die antidepressive Wirksamkeit von 5-HTP nicht gut belegt [3]. Mittlerweile gilt die Behandlung damit als veraltet.

Die Studien im Detail

Ob der in Amorex enthaltene Wirkstoff 5-HTP bei Liebeskummer hilft, wurde bisher nur in einer einzigen, kleinen Studie untersucht [1]. Dabei erhielten 15 Personen nach der Trennung von einem geliebten Menschen sechs Wochen lang zweimal täglich 12,8 mg 5-HTP. Am Ende dieser Zeit war die Belastung durch den Trennungsschmerz den Autoren zufolge deutlich geringer als vor Studienbeginn.

Ob der Liebeskummer allerdings auch von alleine – also ohne 5-HTP – zurückgegangen wäre, haben die Autoren nicht untersucht. Einen Vergleich mit unbehandelten Studienteilnehmern haben die Forscher nicht vorgenommen.

Keine Nebenwirkungen?

Interessanterweise ist die verabreichte 5-HTP-Konzentration in der Studie mit 12,8mg pro Tablette [1] deutlich geringer als bei den in der Apotheke erhältlichen Präparaten. Laut Packungsbeilage sind in einer Amorex-Tablette 72 mg 5-HTP enthalten, empfohlen werden vom Hersteller 2 Tabletten pro Tag. In dieser Konzentration sind in Studien die zuvor angeführten Nebenwirkungen bei einigen Teilnehmern aufgetreten [4].

[1] Emanuele u.a. (2010)
Studientyp: nicht-kontrollierte Studie
Teilnehmer: 15 Personen mit Liebeskummer (11 Frauen, 4 Männer, Durchschnittsalter 23 Jahre)
Studiendauer: 6 Wochen
Fragestellung: Kann die Einnahme von 5-HTP-Präparaten Liebeskummer bessern?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angabe

Emanuele E, Bertona M, Minoretti P, Geroldi D. An open-label trial of L-5-hydroxytryptophan in subjects with romantic stress. Neuro Endocrinol Lett.
2010;31(5):663-6. (Zusammenfassung der Studie) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21178946 (Studie in voller Länge)

[2] Turner u.a. (2006)
Studientyp: narrativer Review
Fragestellung: Antidepressive Wirkung und Sicherheit von 5-Hydroxytryptophan
Mögliche Interessenskonflikte: nicht angegeben

Turner EH, Loftis JM, Blackwell AD. Serotonin a la carte: supplementation with the serotonin precursor 5-hydroxytryptophan. Pharmacol Ther. 2006 Mar;109(3):325-38. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[3] Shaw u.a. (2008)
Shaw KA, Turner J, Del Mar C. Tryptophan and 5-Hydroxytryptophan for depression. Cochrane Database of Systematic Reviews 2002, Issue 1. Art. No.: CD003198. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] Jangid u.a. (2013)
Jangid P, Malik P, Singh P, Sharma M, Gulia AK. Comparative study of efficacy of l-5-hydroxytryptophan and fluoxetine in patients presenting with first depressive episode. Asian J Psychiatr. 2013 Feb;6(1):29-34. (Zusammenfassung der Studie)

Aktualisierte Version vom 23. 7. 2018. Urpsprünglich veröffentlicht am 17. 11. 2014. Eine umfangreiche Suche hat keine neueren Studien aufgezeigt, unsere Einschätzung hat sich daher nicht geändert

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