Johanniskraut bei Depression: wahrscheinlich wirksam

Johanniskraut gilt als natürlicher Stimmungsaufheller. Zurecht: Wahrscheinlich kann es bei Depression ähnlich gut helfen wie Antidepressiva.

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Review:  Bernd Kerschner 

Kann Extrakt aus dem Johanniskraut die Beschwerden einer Depression lindern? Ist es ähnlich wirksam wie Medikamente gegen Depression (Antidepressiva)?

Johanniskraut kann die Symptome einer leichten bis mittelschweren Depression wahrscheinlich besser lindern als ein Scheinpräparat (Placebo). Es scheint auch ähnlich wirksam zu sein wie zugelassene Medikamente gegen Depression (Antidepressiva). Die Johanniskraut-Präparate werden im Allgemeinen besser vertragen als Antidepressiva.

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© Maslov Dmitry - Shutterstock.com Hat die traditionelle Heilpflanze Johanniskraut auch in der modernen Depressions-Therapie einen Platz verdient?
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Alle Menschen machen im Laufe des Lebens Phasen durch, in denen sie traurig sind oder ihnen Freude und Energie fehlen. Aber: Solche schlechten Zeiten sind nicht zu verwechseln mit einer Depression. Eine Depression verscheindet nicht so leicht von selbst. Depressive Menschen leiden unter tiefer Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Sie ziehen sich zurück oder haben Schwierigkeiten, den Alltag und das Berufsleben zu bewältigen [2].

Eine Depression ist eine ernste Erkrankung. Sie ist aber behandelbar, zum Beispiel mit Psychotherapie und Medikamente (Antidepressiva) [3].

Unterstützung aus der Natur

Darüber hinaus gibt es Johanniskraut-Präparate (Hypericum perforatum). Extrakte der gelb blühenden Pflanze gelten als natürliche Stimmungsaufheller und sollen gegen die Depression helfen. Zumindest werden diese Mittel schon seit Jahrhunderten eingesetzt [4]. Doch – Tradition hin oder her – ist Johanniskraut wirksam?

Johanniskraut: wirksam bei leichter bis mittelschwerer Depression

Wahrscheinlich ja. Bei leichter bis mittelschwerer Depression wirken Johanniskraut-Präparate wahrscheinlich besser als ein Placebo. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse der besten verfügbaren Studien [1]:

  • Mit Johanniskraut-Extrakt ging es etwa 56 von 100 Betroffenen besser.
  • Mit Placebo ging es etwa 35 von 100 Betroffenen besser.

Johanniskraut-Präparate wirken dabei wahrscheinlich ähnlich gut wie Antidepressiva. Zu diesen gehören zum Beispiel die Wirkstoffe Citalopram, Sertralin oder Fluoxetin.

Ob die Wirkung von Johanniskraut anhält oder vielleicht mit der Zeit abnimmt, ist jedoch unklar. In den Studien wurden die Teilnehmenden nicht länger als 8 Wochen begleitet.

Johanniskraut und Antidepressiva können die Beschwerden zwar lindern, die Depression endgültig heilen können beide Mittel allerdings vermutlich nicht. Bei einer schweren Depression sollte man sich außerdem nicht auf die Wirkung von Johanniskraut allein verlassen. Hier ist die Wirksamkeit des Pflanzen-Extrakts nicht ausreichend belegt.

Besser verträglich als Medikamente

Johanniskraut-Präparate sind im Allgemeinen gut verträglich – anscheinend sogar besser als Antidepressiva. Auch das zeigen die zusammengefassten Studienergebnisse [1].

Johanniskraut kann trotzdem Nebenwirkungen haben: Übelkeit, Hautirritationen oder Kopfschmerzen zum Beispiel. Bei Aufenthalt in der Sonne kann Johanniskraut außerdem Sonnenbrand-ähnliche Symptome verursachen, die Fachleute phototoxische Reaktionen nennen [4,5].

Achtung Wechselwirkung!

Vorsichtig sein sollte, wer Johanniskraut mit anderen Medikamenten kombiniert. Denn Johanniskraut-Präparate können deren Wirkung ungünstig beeinflussen. Medikamente zur Blutverdünnung oder zur Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppressiva) etwa können bei gleichzeitiger Einnahme weniger gut wirken. Auch die Zuverlässigkeit der Anti-Baby-Pille kann sinken.

Mit Antidepressiva verträgt sich Johanniskraut jedenfalls nicht: Die unerwünschten Wirkungen der Substanzen können sich in Kombination verstärken [4,5].

Personen, die Johanniskraut einnehmen, sollten auf jeden Fall ihre Ärztin oder ihren Arzt informieren, um gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Eine Selbstmedikation ohne ärztliche Begleitung ist in keinem Fall eine gute Idee. Wer den Verdacht auf eine Depression hat, sollte mit einer Ärztin oder einem Arzt darüber reden.

Mehr als Melancholie

Depression ist häufig. Etwa 16 bis 20 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer depressiven Erkrankung [2]. Die Depression macht antriebslos und nimmt die Freude an Dingen, die man früher eigentlich gerne getan hat. Erkrankte haben oft Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, schlafen schlecht oder haben das Gefühl, ihr Verstand würde nicht mehr richtig funktionieren. Dazu kommen Selbstzweifel und Schuldgefühle. Eine Depression kann zu Selbstmordgedanken führen, im schlimmsten Fall zum Suizid.

Hilfe bei Depression

Wenn Sie diese Beschwerden kennen und vermuten, an einer Depression erkrankt zu sein, wenden Sie sich an eine vertraute Person und suchen Sie gemeinsam professionelle Unterstützung. Ansprechpartner sind Fachärzte und Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie, aber auch der Hausarzt oder die Hausärztin.

Im Notfall ist in Österreich die Telefonseelensorge unter der Nummer 142 rund um die Uhr erreichbar.

Mehr Informationen zur Depression, wie sie entstehen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, finden Sie beim Portal Gesundheitsinformation.de oder unter Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Welche Studien haben wir berücksichtigt?

In unserer Recherche haben wir nach randomisiert-kontrollierten Studien gesucht. Dabei werden an Depression Erkrankte per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe nimmt ein Johanniskraut-Präparat ein, die andere Gruppe entweder ein Scheinpräparat ohne Wirkstoff (Placebo) oder ein geläufiges Medikament gegen Depression, ein Antidepressivum. Um einen Placebo-Effekt auszuschließen, sollten die Teilnehmenden nicht wissen, welcher Gruppe sie angehören – die Studie sollte also „verblindet“ sein. Weil Medikamente gegen Depression erst nach einigen Wochen ihre Wirkung entfalten, sollten Studien mindestens sechs Wochen dauern, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern.

Wir fanden eine systematische Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse aller solcher verfügbaren randomisiert-kontrollierten Studien zu Johanniskraut zusammenfasst [1]. An diesen Studien haben insgesamt über 6.000 Menschen teilgenommen.

Die Übersichtsarbeit wurde im Jahr 2016 veröffentlicht. Wir haben deshalb auch in Datenbanken nach Studien gesucht, die danach erschienen sind, wurden allerdings nicht fündig. Auch bei unserer Updatesuche im November 2023 fanden wir keine neuen Studien. Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit scheinen somit die aktuellsten zu sein, die derzeit zur Verfügung stehen.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Übersichtsarbeit wurde nach strengen wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt, ihre Analysen und Schlussfolgerungen darauf sind für uns gut nachvollziehbar. Die Qualität der darin zusammengefassten Studien ist allerdings sehr unterschiedlich. Unter Vertrauen in das Ergebnis ist zwar relativ hoch. Eine Restunsicherheit bleibt allerdings. Denn die einzelnen Studien sind sehr unterschiedlich und haben oft nicht dieselben Dinge auf dieselbe Art untersucht.

[1] Apaydin, E. A., et al. (2016). „A systematic review of St. John’s wort for major depressive disorder.“ Syst Rev 5(1): 148. (Link zur Übersichtsarbeit)

[2] IQWiG (2020)
Depression. Abgerufen am 28.6.2022 unter www.gesundheitsinformation.de

[3] IQWiG (2020)
Behandlungsmöglichkeiten bei einer Depression. Abgerufen am 29.6.2022 unter www.gesundheitsinformation.de

[4] IQWiG (2020)
Können Mittel aus Johanniskraut helfen? Abgerufen am 28.6.2022 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] UpToDate (2022)
Clinical use of St. John’s Wort. Abgerufen am 29.6.2022 unter www.uptodate.com (Kostenpflichtig)

    16.11.2023: Bei einer neuerlichen Suche fanden wir keine neueren Studien. Unsere Einschätzung bleibt deshalb unverändert.

    27.6.2022: Bei einer neuerlichen Suche fanden wir eine aktuellere Übersichtsarbeit, die mehr Studien zusammenfassen konnte. Ihre Ergebnisse haben unsere Einschätzung zur Wirksamkeit von Johanniskraut bestärkt.

    16.1.2015: Erstveröffentlichung des Beitrags

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