Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Hilft die Kapland-Pelargonie bei Erkältungen?

Die Wurzel der Kapland-Pelargonie soll Erkältungen und Bronchitis natürlich heilen. Dass die Pflanze aus Südafrika tatsächlich hilft, ist nicht gut belegt.

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Wirkt ein Extrakt aus der Wurzel der Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides, Umckaloabo) gegen Bronchitis?

Hilft Pelargonien-Extrakt gegen Erkältungen und Nebenhöhlenentzündungen?

Bei Bronchitis gibt es Hinweise auf eine mögliche Wirkung.
Die Wirksamkeit bei Erkältungen oder Nebenhöhlenentzündungen ist kaum in verlässlichen Studien erforscht. Es ist also noch offen, ob Substanzen aus der Kapland-Pelargonie Erkältungen und Nebenhöhlenentzündungen günstig beeinflussen können.

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© Imgorthand - iStockphoto.com Bringt die Kapland-Pelargonie Linderung für Schnupfennasen?
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Lästige Triefnase, schmerzender Hals oder Husten – Erkältungen und ihre unangenehmen Begleiterscheinungen haben in der kalten Jahreszeit Hochsaison. Gleichzeitig häufen sich die Werbeeinschaltungen für rezeptfreie Mittelchen, die diesen Symptomen den Garaus machen sollen. Beworben werden unter anderem Tabletten und Tropfen aus der Wurzel der Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides). Angeboten werden diese Produkte in Österreich unter Markennamen wie Belivair, DiaPelargo, DiaTussal, Kaloba, Luuf Pelargonium oder Umckaloabo [6].

In ihrer Heimat Südafrika gilt die Wurzel der Geranienart als traditionelles Heilmittel. Was sagt die Wissenschaft dazu? Verschwinden Husten und Co durch Extrakte aus der Kapland-Pelargonie tatsächlich schneller?

Anti-Rotznasen-Wirkung nicht belegt

Um diese Frage zu beantworten, haben wir medizinische Datenbanken nach aussagekräftigen klinischen Studien mit Kindern und Erwachsenen durchsucht. Die Ausbeute war jedoch bescheiden. Die derzeitige Studienlage lässt uns nicht beurteilen, ob Extrakte aus der Kapland-Pelargonie die Symptome einer Erkältung lindern oder die Krankheitsdauer verkürzen können. Ebenso unklar ist, ob die Kapland-Pelargonie bei einer Nasennebenhöhlenentzündung helfen kann [1].

Vielleicht wirksam bei Bronchitis

Geringfügig besser erforscht ist die Wirkung bei Bronchitis. Die Ergebnisse bisheriger Studien geben insgesamt vorsichtige Hinweise darauf, dass Pelargonium-Tropfen eine Bronchitis (und den damit einhergehenden Husten) schneller verschwinden lassen könnten [1,2].

Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen. Einerseits wurden sämtliche Studien zu dieser Fragestellung durch Produkthersteller finanziert. Weiters wurden die Studien nicht durchgängig unter strengen wissenschaftlichen Auflagen durchgeführt.

Reagenzgläser sind keine Luftwege

Nichtsdestotrotz ist die Frage spannend, was hinter der mutmaßlichen Anti-Bronchitis-Wirkung der Kapland-Pelargonie stecken könnte. Sind die Pflanzenmittel etwa gar eine sinnvolle Alternative zu den bei Atemwegsinfekten viel zu häufig verschriebenen Antibiotika? Wissenschaftler haben dazu Laborversuche durchgeführt. Sie haben herausgefunden, dass die Kapland-Pelargonie im Reagenzglas das Wachstum von krankmachenden Keimen hemmen und das Immunsystem stärken kann. Außerdem zeigte sich unter Laborbedingungen eine schleimlösende Wirkung [5].

Die Ergebnisse aus dem Labor mögen recht vielversprechend klingen. Sie taugen aber leider nicht als Beweise dafür, dass Extrakte der Kapland-Pelargonie im menschlichen Körper genauso wirken. Schließlich sind unsere Atemwege viel komplexer als ein Reagenzglas. Gesicherte Belege zu Wirkung, Nutzen und Risiken können nur Studien mit menschlichen Probanden liefern, die nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt wurden.

Nebenwirkungen: eher leicht und häufig

Auch wenn gute Studien zur Wirkung rar sind, gibt es eine recht gute Nachricht: Schnupfengeplagte, die Produkte mit Pelargonium-Extrakten einnehmen, müssen nach derzeitigem Wissensstand wohl nicht mit schweren Nebenwirkungen rechnen. Leichtere unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall sind allerdings möglich und auch gar nicht so selten [1,2].

Ob die Kapland-Pelargonie bei schwangeren oder stillenden Frauen negative Auswirkungen hat, ist derzeit nicht erforscht. Die europäische Arzneimittelagentur EMA rät Schwangeren und Stillenden daher, auf Pelargonium-Produkte zu verzichten bis verlässlichere Daten vorliegen [5].

Hintergrundwissen Erkältungen

Erkältungen sind häufig. Erwachsene haben etwa zwei bis drei Mal pro Jahr damit zu tun. Kinder erwischt es meist noch öfter. Verursacher sind Viren, vor allem so genannte Rhinoviren.

Manchmal schafft es unser Abwehrsystem nicht ganz, die Viren in Schach zu halten. Dann kann es zu weiteren Erkrankungen kommen. So können sich etwa eine Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis), der Bronchien (Bronchitis) oder des Kehlkopfs dazugesellen [3, 4]. Im Normalfall schafft es unser Körper allerdings, selbst wieder gesund zu werden. Nach rund einer Woche ist die Erkrankung im Regelfall überstanden.

Wenn die Beschwerden zu lästig sind, können Medikamente unterstützen. Die Palette reicht dabei von Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Paracetamol bis hin zu abschwellenden Nasensprays. Bei letzteren ist die kurzfristige Anwendung besonders wichtig, da sie sonst abhängig machen können.

Zur Wirkung rezeptfreier Hustensäfte haben wir bereits einen Beitrag verfasst: Hustensaft: rezeptfrei und ohne Wirkung?. Weitere Informationen zu Schnupfen, Husten und Halsschmerzen finden Sie auf den Seiten des Deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen www.Gesundheitsinformation.de

Die Studien im Detail

Im Zuge unserer umfangreichen Literatursuche sind wir auf zwei systematische Übersichtsarbeiten [1] gestoßen.
Die Autoren der ersten Arbeit – einer systematischen Übersichtsarbeit des unabhängigen Cochrane-Netzwerks – wollten wissen, ob der Extrakt aus der Wurzel der Kapland- Pelargonie bei einer Erkältung, bei einer Bronchitis oder einer Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) helfen kann – die allesamt unter akute Atemwegsinfektion firmieren [1,2].

Acht Studien, über 1600 Teilnehmer

Zu diesem Zweck analysierten die Forscher insgesamt acht methodisch akzeptable Studien: Diese hatten die Wirksamkeit von Pelargonium sidoides-Präparaten bei Bronchitis (sechs Studien) und Erkältungen sowie Nebenhöhlenentzündungen (zwei Studien) im Visier. Ein Teil der Probanden wurde mit dem echten Mittel behandelt, während die anderen Probanden Placebopräparate erhielten. Als Behandlungserfolg wurde das Verschwinden von typischen Symptomen wie Husten, Schluckbeschwerden, Heiserkeit oder Schnupfen gewertet.

Die zusammengefassten Ergebnisse der sechs Bronchitis-Studien zeigten, dass jene Kinder und Erwachsene, die den pflanzlichen Extrakt schluckten, ihre Bronchitis-typischen Beschwerden (Husten, Auswurf) schneller loswurden als jene Probanden, die ein wirkstofffreies Scheinmedikament (Placebo) einnahmen. Es gab einige Hinweise darauf, dass Tropfen besser wirkten als Tabletten.

Kein Grund zur Euphorie

Zu optimistisch sollte dieses Ergebnis dennoch nicht gesehen werden. Alle Einzelstudien wurden von Herstellern finanziert und sind möglicherweise nicht unabhängig. Außerdem fanden die Autoren Hinweise, dass andere Untersuchungen mit weniger ansprechenden Ergebnissen in der Schublade gelandet sein könnten und nicht veröffentlicht worden sind. Dies kann das Gesamtergebnis verzerren und einen allzu positiven Eindruck vorgaukeln.

Offen bleibt, ob der Extrakt der Kapland-Pelargonie bei einer Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) oder einer Erkältung helfen kann. Dazu konnten die Autoren der Übersichtsarbeit nur jeweils eine verwertbare Studie finden. Obwohl auf den ersten Blick einigermaßen viel versprechend, zeigt eine genaue Prüfung, dass ihre Aussagen insgesamt nicht verlässlich sind. Somit lässt sich weder eine Wirksamkeit belegen noch eine Unwirksamkeit beweisen.

Weitere Analyse, ähnlicher Trend

Auch die Autoren einer weiteren systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 beschäftigte die Frage, welche pflanzlichen Mittel bei Husten hilfreich sein könnten [2]. Dabei fassten sie die Ergebnisse von elf gut gemachten Studien zusammen, die sich mit der Wirksamkeit von Pelargonium sidoides bei Husten befassten. Auch in dieser Arbeit zeigte sich der Trend, dass der Extrakt der Kapland-Pelargonie möglicherweise Husten bessern könnte.

[1] Timmer u.a. (2013)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: zehn randomisiert-kontrollierte Studien davon acht Studien in der Metaanalyse
Fragestellung: Hilft der Extrakt von Pelargonium sidoides bei akuten Infektionen der Atemwege? Ist der Extrakt sicher?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Timmer A, Günther J, Motschall E, Rücker G, Antes G, Kern WV. Pelargonium sidoides extract for treating acute respiratory tract infections. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 10. Art. No.: CD006323. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Wagner u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: Insgesamt 34 randomisiert-kontrollierte Studien, 11 davon zu Pelargonium sidoides
Teilnehmer: 2871 Personen zu Pelargonium sidoides
Fragestellung: Helfen pflanzliche Mittel bei Husten?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Wagner L, Cramer H, Klose P, Lauche R, Gass F, Dobos G, Langhorst J. Herbal Medicine for Cough: a Systematic Review and Meta-Analysis. Forsch Komplementmed. 2015;22(6):359-68. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[3] UpToDate (2017)
Daniel J Sexton, The common cold in adults: Diagnosis and clinical features.
Abgerufen am 17.10.2017 unter www.uptodate.com/contents/the-common-cold-in-adults-diagnosis-and-clinical-features

[4] UpToDate (2017)
Daniel J Sexton, The common cold in adults: Treatment and prevention. Abgerufen am 17.10.2017 unter www.uptodate.com/contents/the-common-cold-in-adults-treatment-and-prevention

[5] Europäische Arzneimittel-Agentur (2015)
EMA, Assessment report on Pelargonium sidoides DC and/or Pelargonium reniforme Curt., radix. ased on Article 16d(1), Article 16f and Article 16h of Directive 2001/83/EC as amended (traditional use) Draft- revision. Abgerufen am 18.10.2017 unter www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_HMPC_assessment_report/2015/10/WC500196074.pdf

[6] Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (2017)
Auszug aus dem Arzneispezialitätenregister zu PELARGONII RADIX (AUSZUG). Abgerufen am 19. 10. 2017 unter https://www.basg.gv.at/eservices/arzneispezialitaetenregister/

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