Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Große Portionen verführen zur Völlerei

Große Teller und Riesenportionen verleiten uns, mehr zu essen. Könnten kleinere Essensportionen uns davor bewahren, dick zu werden?

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Bewirken große Portionen, große Teller oder Gläser sowie größere Verpackungen, dass wir mehr essen und trinken?

Die Ergebnisse bisheriger Studien zeigen, dass Menschen generell mehr zu essen und (alkoholfreie) Getränke zu trinken scheinen, wenn sie größere Portionen vorgesetzt bekommen. Ob kleinere Portionen langfristig vor Übergewicht bewahren, ist aber nicht erforscht.

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© ambrose - Fotolia.com Hemmen kleinere Portionen den Appetit?
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Das Buffet war ein Traum, die Auswahl an köstlichen Vorspeisen, dampfenden Fleisch- und Fischgerichten und liebevoll angerichteten Desserts nicht enden wollend. Doch dann sitzt man da, mit prallem Bauch und leichter Übelkeit. Dabei hat man sich doch vorgenommen, von jeder Speise nur ein bisschen zu kosten. Tja, da waren die Augen wohl wieder größer als der Magen…

Vielleicht ist es ja ein Trost: bei großem Angebot zuzuschlagen ohne nachzudenken ist zutiefst menschlich. Das zeigen die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger wissenschaftlicher Studien [1]. So laden beispielsweise große Teller Menschen dazu ein, sich mehr darauf zu schaufeln als auf kleine Teller. Bekommt man größere Portionen serviert, isst man wahrscheinlich auch mehr als wenn die Portion kleiner gewesen wäre. Und wer vor dem Fernseher zu einer Riesenpackung Chips greift, verputzt eher eine größere Menge davon als wenn es eine kleine Packung gewesen wäre.

Selbst bei Limonaden und Säften könnte das so sein. In Experimenten haben Studienteilnehmer deutlich weniger zu sich genommen, wenn alkoholfreie Getränke in dünnen und hohen Flaschen oder Gläsern serviert wurden als in breiten und niedrigen Gläsern und Flaschen. Das kann dazu verführen, etwa mehr kalorienreiche Softdrinks zu konsumieren.

Große Portionen beeinflussen jeden

Im Durchschnitt verführen große Portionen uns Erwachsene dazu, rund 250 Kalorien mehr zu uns zu nehmen, als es bei kleineren Portionen der Fall wäre. Das entspricht einem Mehr von etwa 14 Prozent. Kinder sind da keine Ausnahme, auch sie essen deutlich mehr, wenn man sie mit größeren Mengen dazu verführt. Generell scheint zu gelten: je älter man ist, umso eher gönnt man sich mehr, wenn man auch mehr angeboten bekommt. Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen haben die Forscher nicht gefunden.

Es ist zwar nicht gänzlich gesichert: den Studienergebnissen zufolge macht es aber keinen Unterschied, ob man schon übergewichtig ist oder nicht. Es scheint auch keine Rolle zu spielen, wie groß der eigene Hunger gerade ist, oder wie sehr man sich unter Kontrolle hat. Warum das so ist, ist allerdings nicht geklärt – darüber lässt sich zurzeit nur spekulieren.

Fettig, süß und ungesund

Deutliche Unterschiede gibt es bei verschiedenen Gruppen von Nahrungsmitteln. Am größten ist der Effekt bei besonders kalorienreichen Speisen, also etwa Süßigkeiten sowie stark fett- und zuckerhältigen Snacks. Bei „gesunden“ Lebensmitteln wie Gemüse, Vollkorn und Co scheinen Menschen zwar auch mehr zu essen, wenn sie mehr angeboten bekommen – sie sind dann aber offenbar nicht ganz so anfällig für die Verlockungen großer Portionen.

Schlank bleiben mit kleinen Portionen?

Die interessanteste Frage können die Wissenschaftler nicht beantworten. Ob uns kleinere Portionen auf lange Frist vor dem Zunehmen bewahren können, wissen wir nicht. Der Grund ist, dass die bisherigen Studien das Essverhalten meist nicht länger als einen Tag lang untersucht haben. Ob man tatsächlich schlanker bleibt, wenn man über Jahre beispielsweise nur kleine Teller verwendet oder im Restaurant um kleine Portionen bittet, ist nicht ausreichend untersucht.

Unklar ist auch, ob es etwas nützt, Portionen von normaler Größe zu verringern. Der überwiegende Großteil der Studien hat nämlich nur untersucht, ob Leute von übermäßig großen Portionen mehr essen als von normal großen.

Sollten kleinere Portionen tatsächlich das Risiko für Übergewicht verringern, wären die Auswirkungen groß. So schlagen die Autoren der Studienzusammenfassung [1] beispielsweise vor, dass Supermärkte kleinere Verpackungsgrößen in den Regalen stehen haben sollten. Mengenrabatte und preisgünstige Riesenpackungen sollten demnach ebenfalls nicht mehr angeboten werden.

Weil der Portionsgrößen-Effekt bei Süßem und Snacks am größten zu sein scheint, ließe sich durch kleinere Verpackungen die Menge der Kalorien auch am besten reduzieren. Und weil der Effekt auch bei gesunden Lebensmitteln greift, könnte man Menschen mit größeren Obst- und Gemüse-Portionen vielleicht animieren, mehr davon zu essen als bisher. Ob und wie gut das funktionieren würde, können jedoch nur zukünftige Studien zeigen.

Die Studien im Detail

Wie unterschiedliche Portions-, Geschirr- und Verpackungsgrößen die verzehrte Menge an Nahrungsmitteln beeinflussen, ist erstaunlich gut untersucht. Eine systematische Übersichtsarbeit [1] hat insgesamt 69 randomisiert-kontrollierte Studien dazu gefunden und analysiert. Die einzelnen Studien sind zwar großteils von unklarer oder schlechter methodischer Qualität, doch sie zeigen alle konsistent in eine Richtung: größere Portionen bewegen Menschen dazu, mehr zu essen und möglicherweise auch mehr zu trinken.

Den Autoren zufolge deutet nichts darauf hin, dass etwa Studien mit einem negativen Ergebnis häufiger in der Schublade verschwunden sind und nur die spektakulären Ergebnisse publiziert wurden. Wäre dem so, würde das nämlich das Gesamtergebnis verzerren. Weiters gibt es keine Hinweise darauf, dass Studienergebnisse etwa durch Industriesponsoring beeinflusst worden sind.

[1] Hollands u.a. (2015)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Teilnehmer insgesamt: 6.711
Studiendauer: 1 Tag oder kürzer
Analysierte Studien: : 72 randomisiert-kontrollierte Studien (davon 69 zu Nahrungsmittel-Portionen und 3 zur Menge von Zigaretten)
Fragestellung: Hat die Portionsgröße von Nahrungsmitteln oder Größe von Zigaretten Auswirkungen auf die Konsumation?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Hollands GJ, Shemilt I, Marteau TM, Jebb SA, Lewis HB, Wei Y, Higgins JPT, Ogilvie D. Portion, package or tableware size for changing selection and consumption of food, alcohol and tobacco. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 9. Art. No.: CD011045. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

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