Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Weniger essen mit roten Tellern?

Rote Teller sollen Medienberichten zufolge beim Abnehmen helfen. Für diese Behauptung ist es zu früh, kurzfristig könnte diese Tellerfarbe allerdings den Appetit auf Snacks etwas zügeln.

Wird von roten Tellern weniger gegessen?

In zwei psychologischen Experimenten griffen Teilnehmer bei Salzbrezeln, Popcorn oder Schokoladestückchen weniger zu, wenn sie auf roten Tellern serviert wurden. Unklar ist, ob der Effekt über längere Zeit anhält.

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© Iblinova - fotolia.com Rote Teller als Stoppsignal beim Essen?
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Schon seit 90 Jahren untersuchen Wissenschaftler, welchen Einfluss die Farbe von Lebensmitteln auf das Ess- oder Trinkverhalten hat [4]. Gut nachvollziehbar, da zum Beispiel kräftig gefärbtes Obst oder Gemüse dem blasseren bevorzugt wird. Zu untersuchen, wie sich die Eigenschaften von Tellern oder Besteck auf das Essverhalten auswirken, eröffnet eine völlig neue Spielwiese. So könnte optimiertes Geschirr beispielsweise dabei helfen, weniger zu essen und damit das eigene Gewicht im Zaum zu halten. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn dieselbe Farbe könnte bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Assoziationen auslösen [3].

Lieber Blau als Rot

In einem psychologischen Experiment untersuchten Forscher, ob die Teilnehmer Brezeln lieber von roten, blauen oder weißen Tellern aßen, während sie einen Fragebogen ohne inhaltlichen Bezug zu den Snacks ausfüllten [1]. Das Ergebnis: Die Probanden, die ihre Brezeln auf roten Tellern serviert bekamen, griffen deutlich weniger zu als Teilnehmer mit blauen oder weißen Tellern. Zwischen der blauen und der weißen Gruppe gab es keinen Unterschied. Auch Softdrinks tranken Versuchspersonen in einem zweiten Experiment in größerer Menge aus blauen statt aus roten Bechern. Studienleiter Oliver Genschow erklärt das beobachtete Phänomen damit, dass die Farbe Rot kulturell als Warnsignal verwendet wird [1]. Das führe seiner Meinung nach zur Reaktion: Finger weg!

Die Autoren der Studie gehen demnach davon aus, dass Erfahrung für den verringerten Appetit verantwortlich ist. So logisch diese Erklärung klingen mag, liefert die Untersuchung noch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass von roten Tellern wirklich weniger gegessen wird. Viele nicht beachtete Faktoren könnten dafür verantwortlich sein, dass Brezeln von blauen oder weißen Tellern bevorzugt gegessen wurden. Zum Beispiel könnte die servierte Brezel selbst das Ergebnis beeinflussen. Hätten die Teilnehmer eine Süßspeise vielleicht lieber von einem roten als von einem blauen Teller gegessen? Vielleicht war auch nur die Farbkombination der braunen Brezeln auf roten Tellern weniger ansprechend.

Diesen Fragen wollte ein anderes Forscherteam auf den Grund gehen. In einem weiteren Experiment servierten sie ihren Probanden Popcorn oder Schokoladestücke – ebenfalls auf Tellern mit der Farbe rot, blau oder weiß [2]. Zur Ablenkung setzten die Versuchsleiter ihnen einen Fragebogen vor. Sowohl bei den salzigen als auch den süßen Snacks langten die Teilnehmer weniger zu, wenn sie auf einem roten Teller vor ihnen lagen. Dabei schien weder Farbe der Snacks noch deren Geschmack eine Rolle zu spielen.

Eingeschränkte Aussagekraft

Unklar ist, ob rote Teller und Becher auch dann noch den Appetit mindern, wenn man ständig von ihnen isst oder trinkt. Um ausschließen zu können, dass es sich um einen Einmaleffekt handelt, bräuchte es Studien über einen deutlich längeren Zeitraum. Insgesamt war die Anzahl der Teilnehmer beider Studien mit 20 bis 36 pro Teller- oder Becherfarbe zu klein, um ein wirklich verlässliches Ergebnis zu liefern. Nicht zu vernachlässigen ist zudem, dass die Versuchsleiter über das Ziel des Experiments Bescheid wussten. So bestand die Gefahr, dass sie die Versuchsperson möglicherweise unbewusst durch ihre Mimik oder Gestik beeinflusst haben.

Dass rotes Geschirr auch tatsächlich beim Abnehmen hilft, lässt sich aus den psychologischen Experimenten nicht ablesen, dazu wären eigene Studien nötig.

Blau schmeckt salzig

Eine weitere Studie aus Oxford untersuchte nicht die Farbe von Tellern oder Bechern, sondern von Löffeln [3]. Die Autoren fanden heraus, dass ihren Versuchspersonen ein identisches Joghurt von blauen Löffeln salziger schmeckte als von roten, grünen, weißen oder schwarzen Löffeln. Verantwortlich dafür sei die Geschmackserwartung, interpretierten die Studienautoren die Ergebnisse. Da viele salzige Knabbereien blau verpackt seien, hätte sich das Gehirn schon auf einen salzigen Geschmack eingestellt.

Einen Effekt für rote Löffel konnten die Wissenschaftler allerdings nicht feststellen. Ob das nun ein Widerspruch zu den beiden anderen Studien ist, oder ob Teller und Löffel unterschiedlich auf das Essverhalten wirken, ist nicht geklärt.

[1] Genschow u.a. (2012)
Studientyp: Psychologisches Experiment
Teilnehmer: 171
Fragestellung: Einfluss der Farbe Rot auf das Ess- und Trinkverhalten.
Mögliche Interessenkonflikte: Angabe fehlt

Genschow O, Reutner L, Wänke M. The color red reduces snack food and softdrink intake. Appetite. 2012 Apr;58(2):699-702. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Bruno u.a. (2013)
Studienart: Psychologisches Experiment
Teilnehmer: u.a. 90 in Popcorn-Experiment, 75 in Schokolade-Experiment
Fragestellung: Wird Schokolade oder Popcorn von roten Tellern weniger gegessen als von blauen oder weißen Tellern?
Interessenskonflikte: Angabe fehlt

Bruno N, Martani M, Corsini C, Oleari C. The effect of the color red on consuming food does not depend on achromatic (Michelson) contrast and extends to rubbing cream on the skin. Appetite. 2013 Dec;71:307-13. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Harrar u.a. (2013)
Studientyp: Psychologisches Experiment
Studienteilnehmer: Insgesamt 105 Teilnehmer
Fragestellung: Einfluss von Gewicht, Größe, Farbe und Form des Bestecks auf den Geschmack der Nahrung.
Mögliche Interessenkonflikte: Keine

Harrar, Spence. The taste of cutlery: how the taste of food is affected by the weight, size, shape, and colour of the cutlery used to eat it. Flavour 2013,2:21 (Studie in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[4] Clysdale FM (1993). Color as a factor in food choice. Crit Rev Food Sci Nutr. 1993;33(1):83-101. Review. PubMed PMID: 8424857. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 16. Juli 2013. Eine weitere Studie [2], die seitdem erschienen ist, bekräftigt die Ergebnisse.

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