Gewichtsdecken: Nutzen bei gestörtem Schlaf fraglich

Gewichtsdecken sollen sich nicht nur angenehm anfühlen, sondern bei Schlafstörungen auch für besseren Schlaf sorgen. Bisherige Studien können das nicht belegen.

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Können Gewichtsdecken bei Schlafstörungen helfen?

Bisherige Studien finden keine überzeugenden Hinweise auf eine wirksame Hilfe bei Schlafstörungen – zumindest bei autistischen Kindern und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen. Ein Nutzen lässt sich jedoch auch nicht ausschließen. Mehr Forschung ist notwendig.

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© Luisa Leal Photography - shutterstock.com Guter Schlaf - schlechter Schlaf: Macht das Gewicht der Bettdecke den Unterschied?
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Gewichtsdecken sind mit Kugeln oder Perlen aus Glas, Metall oder anderen schweren Materialien gefüllt. Das Gewicht von etwa 5 bis 10 Kilogramm soll sich angenehm anfühlen.

Manche Hersteller versprechen darüber hinaus zahlreiche positive gesundheitliche Wirkungen, bezeichnen ihre Produkte gar als „Therapiedecken“ und wecken damit vermutlich hohe Erwartungen. Besonders bei Schlafstörungen sollen Gewichtsdecken demnach helfen. Wir haben recherchiert, ob es dafür Belege aus der Wissenschaft gibt.

Kein Hinweis auf Wirksamkeit

Das Ergebnis unserer Recherche ist ernüchternd: Klare Hinweise auf eine schlafverbessernde Wirkung konnten wir keine finden.

Wir haben uns die einzigen zwei Studien [1,2] angesehen, die den Schlaf mit einer Gewichtsdecke und mit einer herkömmlichen Decke verglichen haben. Bewegungsmessungen der Teilnehmenden zeigten, dass diese mit Gewichtsdecke nicht ruhiger oder länger schliefen. Diese Resultate deuten darauf hin, dass Gewichtsdecken nicht bei Schlafstörungen helfen.

Doch gut abgesichert ist diese erste Einschätzung keineswegs. Denn die Ergebnisse lassen sich nicht ohne weiteres auf alle Erwachsenen mit Schlafstörungen übertragen. Die Teilnehmenden waren in Bezug auf Alter und Vorerkrankungen nicht wirklich durchschnittlich: In einer Studie nahmen autistische Kinder teil und in der anderen Erwachsene mit Depressionen, Angststörungen oder einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).

Widersprüchlich und wenig aussagekräftig

Darüber hinaus schwächen diverse Mängel zusätzlich die Aussagekraft der aktuellen Einschätzung. Beispielsweise nahmen etliche Teilnehmende schlaffördernde Medikamente ein [2].

Eine Studie kommt zudem zu widersprüchlichen Ergebnissen: Obwohl die nächtlichen Bewegungsmessungen keinen Unterschied bei der Nachtruhe zeigten, gaben die Teilnehmenden in Befragungen an, mit Gewichtsdecke besser geschlafen zu haben [2]. Hier könnte bereits die Erwartung einer bestimmten Wirkung die eigene Wahrnehmung beeinflusst haben. Den Teilnehmenden war ja bewusst, ob sie eine herkömmliche oder eine Gewichtsdecke verwendeten.

Ein weiteres Manko beider Studien: Die Anzahl der Teilnehmenden war mit 120 Erwachsenen und 73 Kindern zu gering, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können.

Unerwünschte Wirkungen?

Eine positive Wirkung von Gewichtsdecken auf den gestörten Schlaf ist also fraglich – wir können sie aber auch nicht ausschließen.

Ebenso nicht ausreichend erforscht ist, welche unerwünschten Wirkungen Gewichtsdecken haben können. So bekam 1 von 120 erwachsenen Personen beim Schlafen mit der schweren Decke Angstzustände [2]. Einen Hautausschlag, der möglicherweise von der Decke herrührte, bekam 1 von 73 Kindern [1]. Andere Nebenwirkungen wurden nicht berichtet.

Was tun gegen schlechten Schlaf?

Häufig nicht einschlafen oder durchschlafen zu können, ist ein verbreitetes Problem: Einer Befragung zufolge haben etwa 8 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher regelmäßig so starke Schlafstörungen, dass sie sich dadurch bei im Alltag beeinträchtigt fühlen [3]. Wer über lange Zeit öfter als drei Nächte in der Woche schlecht schläft, könnte eine chronische Schlafstörung (Insomnie) haben [5]. Es ist ratsam, dieses Problem mit einer Ärztin oder einem Arzt zu besprechen.

Oft kann es helfen, bestimmte Gewohnheiten zu ändern. Dazu gehören so einfache Maßnahmen wie das Vermeiden von schweren Mahlzeiten, Alkohol oder Kaffee am Abend. Zur „Schlafhygiene“ zählt auch, im Bett nicht fernzusehen oder erst dann ins Bett zu gehen, wenn man wirklich müde ist.

Rituale, Entspannungstechniken und Bewegung sind ebenfalls einen Versuch wert. Führt dies nicht zum Erfolg, stehen eine kognitive Verhaltenstherapie und verschreibungspflichtige Schlafmittel (etwa Benzodiazepine) als wirksame Optionen zur Verfügung. Letztere dürfen nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden, weil sie zahlreiche Nebenwirkungen haben und schnell abhängig machen [5].

Weitere wissenschaftlich gesicherte Informationen zu Schlafstörungen finden sich auf der unabhängigen Seite Gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Ob Gewichtsdecken bei Schlafstörungen helfen, lässt sich am besten mit randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen. Dabei werden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Versuchsgruppe verwendet über längere Zeit eine Gewichtsdecke, während die Kontrollgruppe zum Vergleich unter einer gewöhnlichen Decke schlummert.

Wir haben drei Forschungsdatenbanken nach solchen randomisiert-kontrollierten Studien durchsucht. Gefunden haben wir zwei Studien. Da darin nur spezielle Personengruppen untersucht wurden, lassen sich die Ergebnisse nicht auf die Allgemeinbevölkerung übertragen. Zudem war die Anzahl der Teilnehmenden in beiden Studien zu gering für aussagekräftige Ergebnisse, und es gab diverse Qualitätsmängel, die unser Vertrauen weiter herabgesetzt haben.

Erwachsene mit psychischer Erkrankung

An einer Studie [2] nahmen 120 Erwachsene teil, die eine psychische Erkrankung hatten: eine Depression, Angststörung oder Aufmerksamkeitdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Zusätzlich hatten sie auch ärztlich festgestellte Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen.

Nach der zufälligen Gruppenzuteilung schliefen die Teilnehmenden vier Wochen lang entweder unter einer Gewichtsdecke oder einer herkömmlichen Decke. Um objektiv feststellen zu können, ob sie wach waren oder schliefen, trugen sie dabei einen Bewegungsmesser („Aktimeter“) am Handgelenk. Studien zeigen, dass ein solches Gerät die Schlafdauer einigermaßen zuverlässig schätzen kann [4]. Die Qualität des Schlafes lässt sich mit diesem Tracking jedoch nicht erfassen.

Die Auswertung der Bewegungsmessungen zeigte keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen – weder für die Gesamtschlafdauer noch für das Wachliegen nach dem ersten Einschlafen. Da bei dieser Auswertung ein Drittel der Teilnehmenden nicht berücksichtigt wurde, sind die Ergebnisse allerdings nur bedingt zuverlässig. Zudem fehlen genaue Zahlenangaben zur Gesamtschlafdauer.

Die Probandinnen und Probanden füllten auch einen Fragebogen aus, um ihren Schlaf einzuschätzen. Die Antworten scheinen den Bewegungsmessungen zu widersprechen. Denn die Gewichtsdecken-Gruppe schätzte ihren Schlaf deutlich besser ein als die Kontrollgruppe.

Möglicherweise lag das daran, dass sie eine positive Wirkung der Gewichtsdecken erwartet hatten. Zudem durften die Personen in der Gewichtsdeckengruppe unter zwei verschieden schweren Decken (6 kg oder 8 kg) wählen. Eine solche Wahlmöglichkeit könnte die Erwartungen der Probandinnen und Probanden verstärken. Der Kontrollgruppe stand nur eine einzige Deckenart zur Verfügung.

Ein weiteres Manko setzt die Aussagekraft der Studie herab: Etliche Teilnehmende nahmen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Medikamente, die teilweise schlaffördernd wirken. Hier gab es Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Zudem war das Geschlechterverhältnis nicht ausgeglichen. Die Schlafangaben der Gewichtsdecken-Gruppe sind also möglicherweise nicht mit jenen der Kontrollgruppe vergleichbar.

Insgesamt schätzen wir die Studienergebnisse als nicht vertrauenswürdig ein.

Autistische Kinder

Dies gilt auch für die zweite Studie [1]. Daran nahmen 73 autistische Kinder im Alter von 5 und 16 Jahren teil, die ebenfalls Schlafstörungen hatten. Die Hälfte von ihnen schlief 12 bis 16 Nächte lang mit einer Gewichtsdecke. Diese war je nach Alter der Kinder 2,25 Kilogramm oder 4,5 Kilogramm schwer. Danach bekamen sie für ebenso viele Nächte eine normal leichte Decke. Bei der anderen Hälfte der teilnehmenden Kinder war die Reihenfolge der Decke umgedreht. Sie verwendeten zuerst die herkömmliche Decke und im Anschluss die Gewichtsdecke. Dass die Untersuchungsdauer nicht bei allen Teilnehmenden gleich lang war, mindert allerdings die Vergleichbarkeit der Ergebnisse.

Auch in dieser Studie trugen die Kinder einen Bewegungsmesser am Handgelenk. Die Auswertung zeigte keinen Unterschied. Das heißt: Ob mit schwerer oder leichter Decke – im Durchschnitt gab es keinen Unterschied hinsichtlich Gesamtschlafzeit, Zeit bis zum Einschlafen und Wachliegen nach dem ersten Einschlafen.

Zusätzlich füllten die Eltern einen Fragebogen zum Schlaf ihrer Kinder aus. Dabei schnitt die Gewichtsdecke rechnerisch eine Spur besser ab. Der Unterschied zur herkömmlichen Decke war aber so gering, dass er im Alltag keine Rolle spielen dürfte. Eine Erklärung für den Unterschied bei der Fragebogen-Beantwortung könnten Erwartungen von Eltern und Kindern an die Gewichtsdecken sein.

[1] Gringras u.a. (2014)
Studientyp: randomisiert-kontrollierte Crossover-Studie
Teilnehmende: 73 autistische Kinder zwischen 5 und 16 Jahren
Behandlungsdauer: jeweils 2 Wochen mit herkömmlicher und mit Gewichtsdecke
Fragestellung: Bessern Gewichtsdecken Schlafstörungen besser als herkömmliche Decken?
Interessenskonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Gringras P, Green D, Wright B, Rush C, Sparrowhawk M, Pratt K, Allgar V, Hooke N, Moore D, Zaiwalla Z, Wiggs L. Weighted blankets and sleep in autistic children–a randomized controlled trial. Pediatrics. 2014 Aug;134(2):298-306. (Studie in voller Länge)

[2] Ekholm u.a. (2020)
Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmende: 120 Erwachsene mit verschiedenen Arten von Depression, Angststörungen oder einer Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitäts-Störung
Behandlungsdauer: 4 Wochen
Fragestellung: Bessern Gewichtsdecken Schlafstörungen besser als herkömmliche Decken?
Interessenskonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Ekholm B, Spulber S, Adler M. A randomized controlled study of weighted chain blankets for insomnia in psychiatric disorders. J Clin Sleep Med. 2020 Sep 15;16(9):1567-1577. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Seidel u.a. (2021)
Seidel, S., Klösch, G., Kosheleva, A., Papantoniou, K., Yang, L., Degenfellner, J., … & Schernhammer, E. (2021). Help-seeking behavior of young and middle-aged Austrians with chronic insomnia: Results from the 2017 national sleep survey. Sleep Epidemiology, 1, 100002. (Studie in voller Länge)

[4] UpToDate (2020)
Thomas SJ, Gamble K. Actigraphy in the evaluation of sleep disorders. In Eichler AF (ed.). UpToDate. Abgerufen am 7. 9. 2021 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[5] IQWIG (2017)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Schlafstörungen. Abgerufen am 6. 9. 2021 unter www.gesundheitsinformation.de

  • 22. 2. 2023: Eine neue Literatursuche fand keine neuen Studien
  • 8. 9. 2021: Erste Version

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