Covid-19: Corona-Infektion auch ohne Test sicher erkennen?

Labortests können wohl in den meisten Fällen eine Infektion mit dem Coronavirus nachweisen. Lässt sich eine Covid-19-Erkrankung auch ohne Labortest sicher erkennen?

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Ist es möglich, eine Infektion mit dem Coronavirus nur anhand von Symptomen, aber ohne Labortest verlässlich zu erkennen?

Bisher haben sich keine Symptome herauskristallisiert, von denen sich gesichert auf eine Covid-19-Infektion schließen lässt Auch die Abwesenheit bestimmter Symptome erlaubt es nicht, eine Entwarnung zu geben. Es deutet sich also an, dass Symptome wie etwa Husten, Kurzatmigkeit oder Geruchsverlust eher nicht geeignet sind, um eine Diagnose zu stellen. Labortests („PCR-Tests“) sind die derzeit sicherste Variante (Stand: August 2020).

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© Africa Studio - Shutterstock.com Ganz normale Erkältung oder doch Covid-19?
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus.

Manche Fachleute bezeichnen Covid-19 als „Chamäleon“. Gemeint ist damit, dass Infektionen mit dem Coronavirus namens SARS-CoV-2 sehr unterschiedlich verlaufen können. Manche Personen bemerken die Infektion nicht einmal. Bei anderen wiederum verläuft sie sogar tödlich.

Nicht nur der Schweregrad von Covid-19 variiert stark. Auch die Art der Symptome ist breit gefächert.

Viele Symptome möglich

Oft sind die Atemwege betroffen. Das kann sich durch Husten und Kurzatmigkeit äußern.

Auch möglich sind beispielsweise Kopfschmerzen, Durchfall sowie Geschmacksverlust. Müdigkeit und Gelenksschmerzen werden ebenfalls immer wieder genannt, aber wie auch die anderen Symptome nur von einem Teil der Betroffenen.

Ärztinnen und Ärzten fallen bei der Untersuchung von Menschen mit Covid-19 mitunter ungewöhnliche Blutwerte (geringe Sauerstoffsättigung), ungewöhnliche Geräusche beim Abhören der Lunge oder ein schneller als normal schlagendes Herz auf.

Diagnose möglich ohne Test?

Erlauben die Symptome eine verlässliche Diagnose? Oder führen sie nur auf eine falsche Fährte? Denn immerhin treten Allerweltssymptome wie Kopfweh, Fieber und Halsschmerzen nicht nur bei einer Corona-Infektion auf. Und die Krankheitszeichen können sich von Person zu Person unterscheiden [1-4].

Andererseits wäre es natürlich enorm hilfreich, eine Covid-19-Infektion anhand von bestimmten Beschwerden feststellen (oder ausschließen!) zu können sowie eine Abgrenzung zu anderen Krankheiten zu treffen. Und zwar im Rahmen einer einfachen und schnellen ärztlichen Untersuchung, ganz ohne Labortests , zum Beispiel mittels PCR (über die wir bereits berichtet haben).

Schließlich sind Tests mittels PCR zu Spitzenzeiten der Pandemie nicht unbedingt für alle Verdachtsfälle verfügbar. Und es gibt längere Wartezeiten bis zum Ergebnis. Denn für die Auswertung der Tests sind spezielle Labors zuständig.

Suche nach treffsicheren Indizien

Eine Gruppe aus Forscherinnen und Forscher hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr Licht in die Sache zu bringen [1]. Das Team wollte den aktuellen Wissensstand (Stand: August 2020) zu Corona-Symptomen als Diagnosewerkzeug aufbereiten. Dafür haben sie die derzeit besten verfügbaren Studien herangezogen.

7700 Personen: Test und Symptomliste

In diesen 16 Studien haben rund 7700 Erwachsene einerseits Labortests (PCR) gemacht. Bei etwa einem Fünftel ergaben diese Tests die Diagnose Coronavirus-Infektion.

Gleichzeitig wurden die Symptome aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer – egal, ob Corona-infiziert oder nicht – erfasst. Auch Besonderheiten, die sich bei der ärztlichen Untersuchung ergeben hatten, wurden notiert.

Dann verglich das Forschungsteam, ob sich Covid-19-Patientinnen herausfiltern lassen, weil sie andere Symptome haben als Nicht-Infizierte.

Keine Einordnung möglich

Doch leider konnte die Studienauswertung das „Covid-Chamäleon“ nicht enttarnen. Es deutet sich aber an, dass Symptome alleine nicht ausreichend sind, um verlässlich eine Diagnose zu stellen.

Weder das Vorhandensein bestimmter Symptome noch deren Abwesenheit erlaubt es, mit hoher Sicherheit auf Covid-19 zu schließen oder die Infektion auszuschließen. Zumindest derzeit können Symptome nur Hinweise darauf liefern, dass eine genauere Abklärung mittels Labortest wichtig ist.

Ein Zahlenbeispiel [1]:
Von 1000 Personen mit verschiedenen verdächtigen Symptomen waren ca. 170 mit dem Coronavirus infiziert.

  • 500 bis 700 von ihnen hatten Husten. Davon waren 70 bis 120 mit dem Coronavirus infiziert.
  • 300 bis 500 hatten keinen Husten, davon waren 50 bis 100 mit dem Coronavirus infiziert.

Zu viele Unklarheiten gibt es noch bei den bisherigen Studien, die Ergebnisse sind unterschiedlich und schlecht vergleichbar. Außerdem dürften die Testpersonen aus den ausgewerteten Studien die Allgemeinbevölkerung nicht sonderlich gut widerspiegeln.

Wir müssen also auf bessere Studien warten. Sie sollen besser klären, ob bzw. welche Beschwerden eine Covid-19-Diagnose zulassen – und umgekehrt: bei welchen Symptomen man Entwarnung geben kann. Insbesondere Forschungsarbeiten zu spezielleren Symptomen wie Geruchsverlust und Geschmacksverlust könnten lohnend sein. Auch wichtig zu wissen: ob eventuell bestimmte Symptom-Kombinationen besonders verräterisch sind.

Zukunftsmusik: Nachweis ohne Test

Auch wenn es noch Zukunftsmusik ist: Eine raschere, billigere und einfachere Diagnose ohne technische Hilfsmittel ist wünschenswert, um Menschen mit Coronavirus-Infektion schneller zu helfen und zu isolieren. Idealerweise könnte man anhand von bestimmten Symptomen auch Vorhersagen treffen, ob sich vielleicht ein schwerer Verlauf anbahnt – im Gegensatz zu jenen Personen, die die Krankheit wahrscheinlich gut zuhause bewältigen können.

Umgekehrt wäre es wertvoll, wenn die Symptomatik so gar nicht passt, bei einem unbegründeten Covid-19-Verdacht rasch Entwarnung geben zu können. Dies könnte verhindern, dass die Betroffenen unnötigerweise in Quarantäne sind und so Arbeits- oder Schultage versäumen.

Sicherheit durch Labortests

Zur Zeit sind Labortests (meist „PCR-Tests“) die verlässlichsten Werkzeuge, um eine Infektion mit dem Coronavirus zu erkennen oder auch auszuschließen. Dabei wird genetisches Material des Virus nachgewiesen. Diese Tests sind nicht unfehlbar, aber es sind die derzeit besten verfügbaren Nachweise (Stand: August 2020).

PCR-Tests können auch jene Corona-Infektionen feststellen, bei denen die Betroffene gar keine Beschwerden spüren (asymptomatischer Verlauf).

Viele Allerweltssymptome

Zu den häufigsten Symptomen [1-4] bei einer Infektion mit dem Coronavirus zählen:

  • Husten
  • Fieber
  • Muskelschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Atembeschwerden (starten üblicherweise etwa 4 bis 8 Tage nach Beginn der ersten Symptome)
  • Halsschmerzen
  • Durchfall
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Geruchsverlust, Geschmacksverlust
  • Bauchschmerzen
  • Nasenrinnen

Mehr Information zum Thema Coronavirus-Infektion finden Sie auf den Seiten des IQWIG (Gesundheitsinformation.de) und des Öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs (Gesundheit.gv.at)

Medizin-transparent hat einen eigenen Corona-Schwerpunkt zu Mythen und Fakten rund um die neue Infektionskrankheit, der seit März 2020 laufend erweitert wird.

Die Studien im Detail

Vorausschickend möchten wir anmerken: Die Forschung rund um das neuartige Coronavirus ist sehr aktiv. Dementsprechend ist es möglich, dass sich der Wissensstand für unseren Beitrag (Stand: August 2020) nach der Veröffentlichung schneller verändern wird als üblich.

Im Fokus der Übersichtsarbeit standen Corona-Symptome bzw. deren Eignung zur Diagnose [1]. Deswegen suchte ein Forschungsteam zuerst bis Ende April 2020 nach allen Studien zu Thema und filterten das beste verfügbare Wissen heraus.

Insgesamt sind 16 Beobachtungsstudien in die Analyse eingeflossen, veröffentlicht wurden diese von Jänner bis April 2020. Darin enthalten sind die Daten von 7706 erwachsenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sie waren in China oder den USA im Spital – auf einer Ambulanz, auf einer Station oder in der Notaufnahme.

Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde einerseits ein PCR-Test durchgeführt. Die Proben für diesen Labortest stammten etwa aus Rachen, Nase oder Hals. Bei fast jeder fünften Person (17%) ergab dieser Test dann eine gesicherte Covid-19 Diagnose.

Gleichzeitig wurden die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geschilderten Beschwerden erfasst sowie die von Gesundheitspersonal erhobenen Symptome. Dazu zählten etwa Fieber, Husten, Halsschmerzen, Muskelschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen.

Auf Basis der bisherigen Studien lässt sich leider nicht sagen, ob diese oder andere Symptome bzw. eine Kombination daraus sicher Anhaltspunkte für eine Infektion mit dem Coronavirus sind. Einerseits sind die Studien zu stark unterschiedlichen Ergebnissen gekommen und lassen sich nicht zusammenfassen. Also deutet sich an, dass die Diagnose durch Symptome nicht mit Labortests mithalten kann.

Fraglich ist auch, ob die bisherigen Ergebnisse auf die Mehrzahl der Covid-19-Infizierten übertragbar sind. Denn die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden allesamt im Spital behandelt. Gut möglich, dass sie die Allgemeinbevölkerung nicht widerspiegeln, die am Beginn der Infektion zur Abklärung eher Hilfe in der Hausarztpraxis oder bei der telefonischen Gesundheitsberatung (in Österreich: 1450) sucht.

Es ist auch unklar, inwiefern die Ergebnisse auf Kinder oder ältere Menschen anwendbar sind. Dabei wäre gerade für letztere mehr Wissen dringend nötig. Denn diese Personengruppe hat häufiger mit schweren Verläufen zu kämpfen.

[1] Struyf u.a. (2020)
Struyf T, Deeks JJ, Dinnes J, et al. Signs and symptoms to determine if a patient presenting in primary care or hospital outpatient settings has COVID-19 disease. Cochrane Database Syst Rev. 2020;7(7):CD013665. (Übersichtsarbeit in voller Länge) Podcast (in Englisch)

[2] UpToDate (2020)
Coronavirus disease 2019 (COVID-19): Diagnosis. Abgerufen am 6.8.2020 unter www.uptodate.com (kostenpflichtig)

[3] UpToDate (2020)
Coronavirus disease 2019 (COVID-19): Clinical features. Abgerufen am 6.8.2020 unter www.uptodate.com (kostenpflichtig)

[4] UpToDate (2020)
Coronavirus disease 2019 (COVID-19): Outpatient evaluation and management in adults. Abgerufen am 6.8.2020 unter www.uptodate.com
(kostenpflichtig)

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