Screening: Sind Gesundheitschecks wirksam gegen die Corona-Pandemie?

Das Screening von Reiserückkehrern oder Gesundheitspersonal sollen Infizierte frühzeitig entdecken und die Corona-Pandemie bremsen. Ob das funktioniert, ist aber nicht so sicher.

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Review:  Julia Harlfinger 

Sind Gesundheitschecks von beschwerdefreien Personen (Screening) wirksam, um die Pandemie einzudämmen?

Fiebermessen an der Grenze, Befragung zu Beschwerden oder regelmäßige Corona-Tests für Gesundheitspersonal: Beim sogenannten Screening werden beschwerdefreie Personen auf eine mögliche Infektion hin untergesucht. Ob das die Pandemie bremsen kann, ist allerdings nicht gut belegt. Auch ist unklar, wie verlässlich die reihenweisen Gesundheitschecks Infizierte von Nicht-Infizierten unterscheiden können. Derzeit gibt es nicht genug solide Daten dazu.

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© M_Agency - shutterstock.com Fiebermessen am Flughafen, regelmäßiges Durchtesten im Pflegeheim. Bringt’s was?
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus

Nach einer Ansteckung mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) dauert es einige Tage, bis die ersten Beschwerden spürbar sind. Manchmal sind Personen zwar infiziert, merken aber nichts davon, weil sie nie Krankheitssymptome entwickeln.

Mittels Screening will man infizierte Personen möglichst früh erkennen – egal ob sie Beschwerden haben oder nicht. Die reihenweisen Gesundheitschecks sollen verhindern, dass Infizierte unbemerkt weitere Personen anstecken und das Virus verbreiten.

Screening-Untersuchungen werden derzeit vor allem an Verkehrsknotenpunkten wie Flughäfen, an Staatsgrenzen oder in Gesundheitseinrichtungen eingesetzt. Das sind etwa Gesundheits-Checks bei allen Reisenden oder regelmäßige Corona-Tests für Krankenhaus- und Pflegepersonal.

Groß angelegtes Screening bedeutet logistischen Aufwand, Kosten und kann unangenehm für die Getesteten sein. Gibt es auch verlässliche Daten dazu, wie wirksam es die Ausbreitung von Covid-19 hemmen kann? Und wie verlässlich sind die dabei eingesetzten Untersuchungsmethoden wie Fiebermessen oder Corona-Schnelltests?

Nur indirekte Hinweise

Ein Team aus Forscherinnen und Forschern aus Österreich und den USA untersuchte genau das. Dazu fasste das Team alle verfügbaren Studien zu dem Thema in Form einer Übersichtsarbeit zusammen [1]. Ob Screening die Corona-Pandemie wirksam eindämmen, wurde bisher jedoch nur theoretisch untersucht – durch die Simulation verschiedener Szenarien, durchgerechnet am Computer.

Das Ergebnis dieser Simulationen: Einerseits könnte es sinnvoll sein, Reisende auf Flughäfen gezielt nach Anzeichen einer Infektion zu fragen und so Infizierte herauszufiltern. Das könnte die Verbreitung der Krankheit über Ländergrenzen hinweg zumindest etwas verlangsamen.

Andererseits könnte es helfen, Gesundheitspersonal in medizinischen Einrichtungen regelmäßig auf eine Infektion hin zu testen. Das Ansteckungsrisiko für Patientinnen und Patienten dürfte dadurch etwas sinken.

Weil sie lediglich aus theoretischen Berechnungen stammen, sind diese Hinweise allerdings nur indirekt und damit wenig aussagekräftig.

Befragen und Fiebermessen als Screening ungeeignet

Menschen nach eventuellen Beschwerden, ihrer Reiseroute oder Kontakten mit Erkrankten zu befragen, scheint jedoch keine zuverlässigen Ergebnisse zu liefern. Das gilt auch für das Fiebermessen, wie es mancherorts routinemäßig an Flughäfen oder Staatsgrenzen durchgeführt wird. Infizierte können dadurch wahrscheinlich nicht zuverlässig von Nicht-Infizierten unterschieden werden.

Die verfügbaren Studien kommen hier zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen – eine ergab zum Beispiel, dass bis zu 100 Prozent der Infizierten übersehen werden könnten. Dafür würden viele Personen fälschlicherweise für infiziert gehalten.

Zu wenig Daten zu Corona-Schnelltests

Und wie sieht es mit Corona-Schnelltests als Massenuntersuchung aus? Es ist derzeit ungewiss, ob Schnelltests am Flughafen, an der Grenze oder in Gesundheitseinrichtungen verlässliche Ergebnisse liefern und so eine Ausbreitung des Coronavirus bremsen können. Für eine Antwort sind mehr Studien notwendig.

Warum verlässliche Ergebnisse wichtig sind

Werden Getestete fälschlicherweise als infiziert eingestuft, kann das unangenehme Folgen für die Betroffenen haben. Unnötige Vorsichtsmaßnahmen und Isolation, Probleme am Arbeitsplatz und psychische Belastung zum Beispiel. Man spricht auch von falsch-positiven Ergebnissen.

Werden aber Infektionen übersehen, kann das die Verbreitung des Virus begünstigen. Das passiert im Fall von falsch-negativen Ergebnissen. Deshalb ist es wichtig, dass Screening-Untersuchungen möglichst verlässlich sind, also nur wenige falsche Ergebnisse produzieren [2].

Symptome meist nicht aussagekräftig

Ein gewisser Teil der Menschen, die das Coronavirus in sich tragen, entwickelt keine oder nur sehr leichte Beschwerden. Sie bleiben asymptomatisch. Wie groß dieser Teil genau ist, ist derzeit noch unbekannt.

Fieber und Beschwerden wie Husten oder Halsweh dürften jedenfalls keine verlässlichen Anhaltspunkte sein. Denn eine Covid-19-Erkrankung kann viele Gesichter haben: Die typischen Symptome scheint es nicht zu geben, nur anhand der Beschwerden lässt sich eine Infektion weder sicher feststellen noch ausschließen. Über dieses Dilemma haben wir hier bereits berichtet.

Die Studien im Detail

Ein Team aus Forscherinnen und Forschern aus Österreich und den USA fasste insgesamt 22 Studien in einer Übersichtsarbeit zusammen. Die Forschungsfrage: Kann Screening, etwa an Flughäfen, bei Grenzkontrollen oder in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Verbreitung des Corona-Virus bremsen?

Möglicherweise ein bisschen – so das Fazit aus zwei Modellierungsstudien, in denen verschiedene Szenarien durchgerechnet wurden. Mittels Computersimulation untersuchten die Studien, wie wirksam das Screening von Reisenden am Flughafen und von Krankenhauspersonal sein könnte. Verlässlich sind diese Ergebnisse nicht. Ob die simulierte Situation am Computer sich in der Realität genauso abspielen würde, ist ungewiss.

Große Ungewissheit

Wie verlässlich die unterschiedlichen Untersuchungsmethoden eine Corona-Infektion erkennen, zeigen die Ergebnisse von drei Modellierungsstudien und 17 Beobachtungsstudien. Zu den darin untersuchten Methoden gehörten einerseits das Fragen nach möglichen Krankheitsanzeichen, nach Aufenthalten in Risikogebieten und Kontakt mit an Covid-9 erkrankten Personen. Andererseits wurde mit Fiebermessen und Schnelltests gescreent.

Laut diesen Studien können sowohl Fiebermessen als auch Befragungen Infizierte nicht verlässlich als solche erkennen. Die Ergebnisse der eingeschlossenen Studien fallen sehr unterschiedlich aus. In manchen Studien wurden einige, in anderen kein einziger Infizierter entdeckt. Die Ungewissheit ist also groß, mehr lässt sich daraus nicht sicher ableiten.

Ob es die Ausbreitung des Coronavirus hemmen kann, beschwerdefreie Personen mittels Schnelltest auf das Virus zu testen, kann das Forschungsteam nicht beantworten. Aussagekräftige Studien dazu fehlen.

[1] Visvanathan u.a. (2020)
Studientyp: Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 22
Fragestellung: Ist das Screening von symptomfreien Personen auf Sars-CoV-2 wirksam zur Eindämmung der Corona-Pandemie? Mit welchen Untersuchungen können Infizierte verlässlich erkannt werden?
Interessenkonflikte: keine

Viswanathan M et al. Universal screening for SARS‐CoV‐2 infection: a rapid review. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 9. Art. No.: CD013718. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] UpToDate (2020)
Fletcher, GS. Evidence-based approach to prevention. In: UpToDate, Givens, J (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2020. Abgerufen am 6.10.2020 unter www.uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

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