Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Abnehmen mit pflanzlichen Appetitzüglern?

Abnehmen ist mühsam. Helfen sollen dabei natürliche Substanzen. Doch können Appetitzügler aus Pflanzenextrakten tatsächlich helfen?

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Bieten folgende pflanzliche Appetitzügler eine wirksame und sichere Unterstützung beim Abnehmen: Teufelszunge (Konjakwurzel), Caralluma fimbriata, Garcinia cambogia, Gymnea sylvestre, Ephedra, Irvinia gabonensis, Bockshornklee, Hoodia gordonii, Gartenbohne, Bitterorange?

Bieten Grüntee-Produkte eine wirksame und sichere Unterstützung beim Abnehmen?

Aufgrund der Studienlage ist für etliche angeblich appetitzügelnde Nahrungsergänzungsmittel unklar, ob sie beim erfolgreichen Abnehmen unterstützen können. Gut gemachte Studien, die über einen langen Zeitraum mit ausreichend vielen Probanden laufen, sind Mangelware. Es fehlen also Belege für Langzeitsicherheit und gleichzeitige Wirksamkeit.

so arbeiten wir
© Kurhan - fotolia.com Was können pflanzliche Schlankmacher?
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Jedes Jahr dieselbe Leier: Das sonnige Wetter lockt ins Freibad. Die Sommermode zeigt mehr als sie verhüllt. Doch der Körper scheint so gar nicht präsentabel. ‚Jetzt reicht’s aber!’, sagt Otto Normalverbraucher und verflucht seine Speckrollen, die Fettpolster und den Bierbauch.

Mit den Extra-Kilos befindet er sich übrigens in guter Gesellschaft. Vier von zehn Erwachsenen in Österreich sind übergewichtig oder sogar fettleibig. [3] Eine der vielen möglichen Folgen des Dickseins: die Gesundheit leidet.

Ein mühsamer Weg

Wie machen das nur die schlanken, ranken Stars, die uns von Magazincovern oder aus dem TV entgegen lachen? Ihnen können strikte Diäten offensichtlich kaum die Laune zu verderben, und der innere Schweinehund kommt dem konsequenten Bewegungsprogramm scheinbar nicht in die Quere.

Auch Otto Normalverbraucher hat schon mehrere Abnehm-Versuche unternommen, er übte sich in Morgensport und Kalorienzählen. Attraktiver wollte er sich nach der Abnahme fühlen – und vor allem die gesundheitlichen Risiken minimieren. Dafür hätten es allerdings mindestens fünf Prozent Körpergewicht weniger sein müssen, und das auf Dauer. [6]

Letztendlich ist alles beim Alten geblieben. Entweder wollten die Kilos erst gar nicht weichen. Oder sie kehrten nach einer anfänglichen Reduktion zurück wie treue Freunde. [7]

Zu schön, um wahr zu sein?

In schwachen Momenten ist Otto Normalverbraucher empfänglich für gewisse Werbebotschaften. Die Slogans wollen ihm weismachen, dass Annehmen einfacher und schneller funktionieren kann, und zwar mit den passenden Nahrungsergänzungsmitteln.

Apotheken, Drogeriemärkte und Internetshops bieten eine Vielzahl dieser Mittel an. Sie sind rezeptfrei erhältlich, ein womöglich als peinlich empfundener Arztbesuch ist also nicht nötig.

Die Mittel erscheinen Konsumenten oft als besonders ‚natürlich’; sie enthalten zum Beispiel pflanzliche Stoffe und Mineralien. Sie blockieren angeblich die Aufnahme von Fett. Andere Mittel wiederum sollen den Stoffwechsel ankurbeln oder ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl erzeugen. [5]

Milliardenmarkt der Hoffnung

Wie Otto Normalverbraucher möchten viele Menschen diesen wundersam klingenden Versprechungen Glauben schenken. [4] Und so sind Nahrungsergänzungsmittel, die beim Abnehmen helfen sollen, ein Milliardengeschäft.

Jedoch: Ist das investierte Geld auch gut angelegt? Helfen die Mittel? Sind sie gleichzeitig sicher?

Beim Durchforsten der wissenschaftlichen Literatur zeigt sich: Es gibt viele Untersuchungen zu diversen angeblich schlank machenden Nahrungsergänzungsmitteln.

Wirkung auf Dauer: unbekannt

Doch leider sind nur wenige dieser Studien gut gemacht. Und so lassen sich kaum Aussagen über die (Un-)Wirksamkeit treffen. Auch braucht es bessere Daten zu unangenehmen bis gefährlichen Nebenwirkungen. [10]

Es hapert bei den derzeit vorliegenden Studien oft an mehreren Stellen – zum Beispiel an der Laufzeit der Untersuchungen. Viele Studien wurden nur über mehrere Wochen oder einige Monate durchgeführt. Das ist zu kurz, um über den langfristigen Erfolg des Abnehmens urteilen zu können.

Was bewirken Appetitzügler?

Eine recht solide und aktuelle Rundschau über eine Reihe von gängigen Produkten bietet eine systematische Übersichtsarbeit [1]. Die Forschergruppe nahmen randomisierte kontrollierte Studien in Visier, die sich mit Extrakten aus folgenden mehr oder weniger exotischen Pflanzen beschäftigt hatten: Konjakwurzel, Grüntee, Caralluma, Garcinia, Gymnema, Ephedra, Irvingia, Bockshornklee, Hoodia, Gartenbohne [1]. Diese Mittel sollen – einzeln oder zu Multipräparaten kombiniert – den Appetit zügeln.

Insgesamt bleibt für die Autoren dieser systematischen Überblicksarbeit fraglich, ob die untersuchten Pflanzenextrakte einerseits beim langfristigen Abnehmen helfen können und darüber hinaus auch sicher sind. Für Mittel mit Grüntee scheint sich sogar ein Trend in Richtung Unwirksamkeit herauszukristallisieren. [12]

Es gibt also keine guten Hinweise darauf, dass zumindest die hier aufgezählten Nahrungsergänzungsmittel merkliche Unterstützung beim Abnehmen leisten können. Auch für hier nicht erwähnte Präparate ist ein ‚Wundereffekt’ durchaus nicht wahrscheinlich.

Ein ganz ähnliches Fazit haben wir bereits in früheren Artikeln gezogen, wo Bockshornklee und Kaktusfeige als Diäthelfer im Detail beleuchtet wurden. (Bockshornklee-Samen: Abnehm-Hilfe mit Widerspruch, Kaktusfeige-Mittel: Einwerfen und schlank werden?)

Nutzt’s nix, schadt’s nix?

Nicht immer sind Nahrungsergänzungsmittel so harmlos wie sie erscheinen mögen. Es kommt manchmal zu unangenehmen Nebenwirkungen. Dazu zählen beispielsweise Magen-Darm-Beschwerden, erhöhter Blutdruck, Kopfschmerzen oder Schwindel. [14]
Einige Mittel können sogar gefährlich werden [10] und stellen daher ein unangemessen hohes Risiko dar.

Dazu zählen Nahrungsergänzungsmittel mit Ephedra – das Meerträubel kann Amphetamin-ähnlich wirken (‚Herbal Ecstasy’). Nervensystem und Herztätigkeit werden angeregt. Ephedra wird auch nachgesagt, dass es den Appetit bremsen bzw. das Gewicht reduzieren kann. Aufgrund von gefährlichen Nebenwirkungen und des Risikos für Herzprobleme und Schlaganfall wurden solche Mittel bereits 2004 beispielsweise in den USA durch die Lebensmittelmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde FDA verboten. [11]

Ein weiteres Beispiel für ein möglicherweise riskantes Nahrungsergänzungsmittel, das auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt wird: Bitterorange. Offenbar können darin enthaltene Substanzen das Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen. [6] [13]

Die Studien im Detail

Rezeptfreie Abnehmmittel (over-the-counter) gibt es viele – Untersuchungen zu ihrer Wirkung auch. Die Qualität lässt aber oft zu wünschen übrig, und die Beobachtungszeiträume gehen häufig über einige Wochen oder Monate nicht hinaus. [2]

Eine recht umfassende Übersicht bietet eine 2013 erschienene systematische Übersichtsarbeit [1] zu so genannten Appetitzüglern aus Pflanzenextrakten. In der Arbeit sind 14 randomisierte kontrollierte Studien zusammengefasst. Die in den doppelt verblindeten Studien (Laufzeit 2 bis 39 Wochen) gewonnenen Daten wurden darauf abgeklopft, ob Pflanzenextrakte als Appetitzügler und folglich Abnehmhilfe taugen.

Widersprüche und Unklarheit

Solide Beweise für eine gleichzeitige Wirksamkeit und Sicherheit dieser Mittel ließen sich jedoch nicht auftun. Auch wenn hier und da interessante Effekte dokumentiert waren – in Summe erscheinen die Ergebnisse zu widersprüchlich, um sich klar für oder gegen eine unterstützende Wirkung für Abnehm-Willige aussprechen zu können.

Eine Ausnahme stellen vermutlich Nahrungsergänzungsmittel mit Grüntee dar. In einer 2012 publizierte Arbeit der Cochrane Collaboration [12] haben sich Hinweise verdichtet, dass Grüntee-Mittel möglicherweise nicht hilfreich für ein gesundes, langfristiges Abnehmen zur Reduktion von Gesundheitsrisiken sind – dies würde nämlich eine Gewichtsreduktion von mindestens fünf Prozent erforderlich machen.

Nicht an der Nase herumführen lassen

Andere systematische Übersichtsarbeiten aus den letzten Jahren haben sich beispielsweise mit der Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Chrom [8] und Irvingia-Früchten [9] auseinandergesetzt. Tatsächlich ließen sich hier mitunter signifikante Effekte zeigen. Ein Grund zur Freude?

Was vorerst recht viel versprechend klingt, ist letztlich ernüchternd. Man darf sich hier nicht an der Nase herumführen lassen. Ein ‚statistisch signifikanter Effekt’ kann – wie im Falle dieser Studien – so klein sein, dass er für den Einzelnen wohl keine merklichen Auswirkungen hat. Er ist vermutlich nur in den Daten deutlich sicht- und spürbar.

In Zukunft: Basis für Bewertung

Mehr und vor allem gut designte Studien sind also notwendig – nicht zuletzt, weil viele Menschen mit Gewichtsproblemen Geld und Hoffnung in diverse Nahrungsergänzungsmittel stecken. Insbesondere gehört beleuchtet, inwiefern die rezeptfreien Mischungen über längere Zeiträume wirken.

Folgende Fragen sollten beispielsweise besser untersucht werden:

  • Taugen Nahrungsergänzungsmittel nach einer Abnahme zum Halten des Gewichts (Anti-Jo-Jo-Effekt)?
  • Welche positiven und negativen Folgen hat die mittel- und langfristige Einnahme?
  • Welche psychologischen Effekte hat die Einnahme einer rezeptfreien ‚Diät-Pille’: Wirkt diese Intervention vielleicht motivierend und schafft eine gewisse Struktur? Gibt es einen positiv verstärkenden Placeboeffekt? Oder führt die Einnahme von Pillen dazu, dass Ernährungsumstellung und Sportprogramm vernachlässigt werden?
  • Taugen bestimmte Nahrungsergänzungsmittel vielleicht für spezielle Patientengruppen mehr als für andere?
  • Falls sich eine Wirksamkeit herauskristallisiert: Welche Dosis und welcher Einnahmezeitraum sind empfehlenswert? Welcher Mechanismus steckt hinter der allfälligen positiven Wirkung?

[1] ASTELL u.a. (2013)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 14 randomisiert-kontrollierte Studien
Fragestellung: Können Nahrungsergänzungsmittel/pflanzliche Appetitzügler beim Abnehmen helfen?
mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Astell KJ, Mathai ML, Su XQ.Plant extracts with appetite suppressing properties for body weight control: a systematic review of double blind randomized controlled clinical trials.Complement Ther Med. 2013 Aug;21(4):407-16. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] ONAKPOYA u.a. (2011)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit von systematischen Übersichtsarbeiten
Eingeschlossene Studien: 9 systematische Übersichtsarbeiten (systematic reviews)
Fragestellung: Können Nahrungsergänzungsmittel beim Abnehmen helfen?
mögliche Interessenskonflikte: Arbeiten eines Forschers von Pharmakonzern finanziert, andere Autoren keine Interessenskonflikte

Onakpoya IJ, Wider B, Pittler MH, Ernst E.Food supplements for body weight reduction: a systematic review of systematic reviews. Obesity (Silver Spring). 2011 Feb;19(2):239-44. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[3] Bundesministerium für Gesundheit (2012)
Österreichischer Ernährungsbericht 2012. Abgerufen am 2.7.2015 unter http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/4/5/3/CH1048/CMS1348749794860/oeb12.pdf

[4] Huntington & Shewmake (2010)
Huntington MK, Shewmake RA Weight-loss supplements: what is the evidence? S D Med. 2010 Jun;63(6):205-7. (Zusammenfassung)

[5] Manore (2012)
Manore MM. Dietary supplements for improving body composition and reducing body weight: where is the evidence? Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2012 Apr;22(2):139-54. (Zusammenfassung)

[6] Uptodate (2015)
Bray GA. Obestiy in adults; dietary therapy. In Jean Mulder (ed.). UpToDate. Abgerufen am 20.6.2015 unter www.uptodate.com/contents/obesity-in-adults-dietary-therapy

[7] UpToDate (2015)
Bray GA. Patient information: Weight loss treatments (Beyond the Basics). In Martin KA (ed.). UpToDate. Abgerufen am 10.6.2015 unter www.uptodate.com/contents/weight-loss-treatments-beyond-the-basics

[8] Onakpoya u.a. (2013A)
Onakpoya I, Posadzki P, Ernst E. Chromium supplementation in overweight and obesity: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Obes Rev. 2013 Jun;14(6):496-507. (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[9] Onakpoya u.a. (2013B)
Onakpoya I, Davies L, Posadzki P, Ernst E. The efficacy of Irvingia gabonensis supplementation in the management of overweight and obesity: a systematic review of randomized controlled trials. J Diet Suppl. 2013 Mar;10(1):29-38. (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[10] Pittler u.a. (2005)
Pittler MH, Schmidt K, Ernst E. Adverse events of herbal food supplements for body weight reduction: systematic review. Obes Rev. 2005 May;6(2):93-111. (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[11] National Center for Complementary and Alternative Medicine (2013)
Herbs at a glance: Ephedra. Abgerufen am 2.7.2015 unter https://nccih.nih.gov/sites/nccam.nih.gov/files/Herbs_At_A_Glance_Ephedra_06-25-2013.pdf

[12] Jurgens u.a. (2012)
Jurgens TM, Whelan AM, Killian L, Doucette S, Kirk S, Foy E. Green tea for weight loss and weight maintenance in overweight or obese adults.Cochrane Database Syst Rev. 2012 Dec 12;12:CD008650. (Zusammenfassung der systematischen Übersichtsarbeit)

[13] National Center for Complementary and Alternative Medicine (2012)
Herbs at a glance: Bitter Orange. Abgerufen am 2.7.2015 unter https://nccih.nih.gov/sites/nccam.nih.gov/files/Herbs_At_A_Glance_Bitter_Orange_06-13-2012_1.pdf

[14] National Institutes of Health (2015)
Dietary Supplements for Weight Loss, Fact Sheet for Health Professionals. Abgerufen am 2.7.2015 unter https://ods.od.nih.gov/factsheets/WeightLoss-HealthProfessional

Aktualisierte Version, ursprünglich veröffentlicht am 6. Juli 2015. Seitdem sind keine neuen wissenschaftlichen Studien zu dieser Fragestellung erschienen.

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