Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Rotschimmelreis gegen Cholesterin: Sicher und wirksam?

Seit einigen Jahren werden Rotschimmelreis-Produkte als „natürliche“ Cholesterinsenker angeboten. Harmlos sind sie jedoch keineswegs.

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Können Rotschimmelreis-Produkte die Cholesterinwerte im Blut senken?

Haben Produkte aus Rotschimmelreis weniger Nebenwirkungen als Cholesterin-senkende Arzneimittel namens Statine?

Rotschimmelreis enthält von Natur aus die Substanz Lovastatin, die als Cholesterin-Senker wirkt. Die Lovastatin-Konzentration kann in Produkten aus Rotschimmelreis stark schwanken. Daher ist nicht gesichert, dass Rotschimmelreis so wirksam ist wie Medikamente mit einer kontrollierten Menge an Lovastatin. Je nach Dosierung sind unerwünschte Nebenwirkungen durch Rotschimmelreis möglich – wie auch bei den „echten“ Medikamenten.

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© MilletStudio - Shutterstock.com Rotschimmelreis entsteht durch Fermentation mit dem Pilz Monascus purpureus
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Seit einigen Jahren wird Rotschimmelreis in Europa und Nordamerika als Nahrungsergänzungsmittel verkauft – häufig via Internethandel. Die Rotschimmelreis-Kapseln sollen den Spiegel des „schlechten“ LDL-Cholesterins „auf natürliche Weise“ senken.

Wunsch nach neuen Behandlungsformen

Dieses Versprechen mag für Personen verlockend klingen, die ihre hohen Cholesterinwerte in den Griff bekommen möchten – mit dem Ziel, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Beispiele dafür sind Herzinfarkt und Schlaganfall.

Das Normalisieren des Cholesterinspiegels ist nämlich nicht immer nur durch Veränderungen des Lebensstils möglich. Dazu zählen ausgewogene Ernährung, Gewichtsabnahme und ausreichend Bewegung.

Und das langfristige Einnehmen von Medikamenten zur Cholesterinsenkung kommt nicht für alle Betroffenen in Frage. Gründe dafür können Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten sein [6].

Cholesterin-Senkung – und dann?

Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen, dass Rotschimmelreis hohe Cholesterinwerte vermutlich günstig beeinflusst [1,2]. Dieser wahrscheinliche Senkungseffekt ist auch nicht weiter verwunderlich.

Denn in Rotschimmmelreis ist von Natur aus die Substanz Monacolin K enthalten, also nichts anderes als der bekannte Arznei-Wirkstoff Lovastatin. Lovastatin gehört zu den Statinen und steckt in Medikamenten, die zur Cholesterinsenkung verschrieben werden [11,12].

Wirkstoffgehalt schwankt

Anders als bei Medikamenten schwankt bei Nahrungsergänzungsmitteln die Konzentration der Inhaltsstoffe mehr oder weniger stark. Grund dafür sind beispielsweise verschiedene Herstellungsmethoden [14]. Deswegen können Konsumentinnen und Konsumenten nicht genau kontrollieren, in welcher Dosis sie Lovastatin zu sich nehmen, wenn sie frei verkäufliche Rotschimmelreis-Produkte schlucken.

In einer Untersuchung reichte der Lovastatin-Gehalt von 0,1 bis 10 Milligramm pro Rotschimmelreis-Kapsel [14]. Verschreiben Ärztinnen oder Ärzte Lovastatin als Medikament, beginnen sie die Behandlung meist mit 10 bis 20 Milligramm und erhöhen sie bei Bedarf auf bis zu 80 Milligramm [14,15].

Unklar ist, ob andere Inhaltsstoffe im Rotschimmelreis die Wirkung von Lovastatin beeinflussen können.

Krankheitsrisiko senken

Lovastatin kann nicht nur Cholesterinwerte drosseln. Medikamente mit dem Wirkstoff senken – und das ist der eigentliche Wert von Lovastatin – das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall [5]. Für Rotschimmelreis deutet eine Analyse mehrerer Studien ebenfalls in diese Richtung [3].

„Natürlich“, aber nicht harmlos

Neben seinen positiven Effekten löst Lovastatin mitunter auch unangenehme bis ernste Nebenwirkungen aus. Dazu gehören Schäden in Muskeln und Leber. Fallberichten zufolge können solche Nebenwirkungen bereits eintreten, wenn man mit Rotschimmelreis-Produkten über längere Zeit täglich 3 Milligramm Lovastatin zu sich nimmt [14].

Das ist einer der Gründe, warum Medikamente mit Lovastatin immer verschreibungspflichtig sind [6,11,12,16]. Bei der Einnahme von Rotschimmelreis-Nahrungsergänzungsmitteln fehlen ärztliche Begleitung und Aufklärung.

Und es gibt weitere Unsicherheiten bezüglich der Einnahme von Rotschimmelreis-Produkten. Fachleute geben zu bedenken, dass Patientinnen und Patienten zusätzlich zu ihren ärztlich verordneten Cholesterin-Senkern zu Rotschimmelreis-Präparaten greifen könnten. Das würde das Risiko für Leber- oder Muskelschäden weiter steigern [11,12].

Gefährliche Wechselwirkungen möglich

Rotschimmelreis-Produkte bergen ebenso wie Medikamente mit Lovastatin auch das Risiko, dass Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten und Lebensmitteln auftreten. Möglich ist eine verstärkende Wirkung auf Blutgerinnungs-Hemmer, wodurch sich das Risiko für Blutungen erhöht. Weiter können Substanzen aus der Grapefruit die Wirkung und Nebenwirkungen der Schimmelreis-Pillen genauso verstärken wie von verschreibungspflichtigen Statinen [11, 12]. Liebhaber von Grapefruits sollten prinzipiell nachfragen, ob sich ein neu verordnetes Medikament mit der Frucht verträgt, wie wir in unserem Beitrag „Medikamenten Überdosis durch Grapefruit“ näher beleuchtet haben.

Außerdem wurde in manchen Rotschimmelreis-Produkten bereits gefährliche Mengen des Pilzgifts Citrinin entdeckt. Es kann die Nieren angreifen [7,8].

Diskussionen um Verbot

In mehreren Ländern stand oder steht zur Debatte, ob Rotschimmelreis verkauft werden darf. Nach Ansicht mehrerer Fachleute ähnelt Rotschimmelreis in Wirkung und Nebenwirkungen zu sehr einem Arzneimittel, um als harmlos erscheinendes Nahrungsergänzungsmittel durchzugehen [4,11,12].

In der Schweiz sind Rotschimmelreis-Produkte seit längerem verboten [9]. In den USA dürfen sie nur dann zur Nahrungsergänzung verkauft werden, wenn sie keine nennenswerten Mengen an Lovastatin enthalten [8].

Im Jahr 2016 hat sich das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für ein Verbot ausgesprochen: Demnach sollten in Deutschland Rotschimmelreis-Produkte ab einem Monacolin-K-Gehalt von fünf Milligramm nicht mehr als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden dürfen, sondern als Arzneimittel gelten [11-13]. Als solche müssen die Hersteller mit Studien nachweisen, dass diese wirksam und unbedenklich sind.

Wandelbare Körner

Seit hunderten Jahren ist Rotschimmelreis eine wichtige Zutat in der chinesischen Küche. Gemahlen machen die roten Körner Speisen und Getränke aromatisch und haltbar. Und sie verleihen Gerichten eine appetitliche Färbung – man denke nur an die berühmte Pekingente [10].

Rotschimmelreis ist keine eigene Reissorte. Er entsteht, wenn normaler Reis mit speziellen Schimmelpilzen behandelt wird. Dabei bildet sich die typisch rote Farbe. Außerdem entstehen dabei diverse andere Substanzen. Dazu gehört Lovastatin, auch Monacolin K genannt [10].

[Aktualisierter Artikel, erstmals veröffentlicht am 14.10.2014. Eine Suche nach neuen Studien [2,3] im Mai 2020 brachte im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse. Zur besseren Verständlichkeit haben wir Wirksamkeit und Sicherheit getrennt voneinander bewertet.]

Die Studien im Detail

Im Jahr 2016 fasste ein Wissenschaftsteam die Ergebnisse von zehn randomisiert-kontrollierten Studien zusammen. Berücksichtigt wurden dabei die Daten von 905 Personen, sie alle hatten einen erhöhten Cholesterinspiegel [2]. Laut Analyse können Rotschimmelreis-Produkte erhöhte Cholesterinwerte ähnlich gut senken wie das gängige Medikament Simvastatin.

Allerdings ist diese Erkenntnis aus zumeist mangelhaft durchgeführten Studien abgeleitet. So geht aus den Aufzeichnungen der einzelnen Untersuchungen oft nicht hervor, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der jeweiligen Behandlungsgruppe (Rotschimmelreis oder Simvastatin) zugeteilt wurden. In gut gemachten Studien sollte die Zuteilung der Probandinnen und Probanden rein zufällig erfolgen. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass die Gruppen in Hinblick auf mögliche Einflussfaktoren wie Alter oder Schwere der Erkrankung ähnlich sind.

Eine weitere Schwachstelle der Übersichtsarbeit: In den meisten eingeschlossenen Studien sind nur wenige Patientinnen und Patienten untersucht worden. Die geringen Teilnehmerzahl Tatsache schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse stark ein.

Außerdem ist bei einigen Untersuchungen unklar, ob diese durch Herstellerfirmen der Produkte zumindest mitfinanziert wurden.

Auch eine andere Übersichtsarbeit ging der Frage nach, ob Rotschimmelreis-Produkte erhöhte Cholesterinwerte senken kann, und zwar besser als ein Scheinmedikament [1]. Wieder fand das Autorenteam Hinweise darauf, dass die Reisprodukte Cholesterinwerte günstig beeinflussen können.

Allerdings haben die zehn eingeschlossenen randomisiert-kontrollierte Studien zahlreiche methodische Schwächen: zu wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Einzelstudien, und es herrscht Unklarheit darüber, ob die Zuteilung zu Rotschimmelreis- und Placebogruppe wirklich rein zufällig erfolgt ist. Unsicher ist auch, inwieweit andere Maßnahmen wie zusätzliche Medikamente oder Diäten zur Senkung des Cholesterinspiegels beigetragen haben.

Ob Rotschimmelreis nur Blutwerte verändert, oder auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt, ist in einer aktuellen Übersichtsarbeit analysiert [3]. Zusammengefasst sind die Ergebnisse von vier randomisiert-kontrollierten Studien. Über 10.500 Probandinnen und Probanden wurden nach einem Herzinfarkt zwischen 4 Wochen und 4,5 Jahren untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Rotschimmelreis beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für nicht-tödliche Herzinfarkte und die Notwendigkeit von Herzoperationen senkt. Die Anzahl der Todesfälle durch Herzinfarkt verringerte sich jedoch nicht.

Die vier analysierten Studien sind streng nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt. Allerdings lässt sich nicht nachvollziehen, ob das Forschungsteam hinter der Übersichtsarbeit tatsächlich alle bisherigen Studien in ihre Analyse eingeschlossen hat. Daher schenken wir den Ergebnissen nur bedingt Vertrauen.

[1] Li u.a. (2014)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: 13 RCTs
Teilnehmer: 804 Personen
Fragestellung: Ist Rotschimmelreis wirksam und sicher bei der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämie)?
Interessenskonflikte: keine laut AutorInnen

Li Y, Jiang L, Jia Z, Xin W, Yang S, Yang Q, Wang L. A meta-analysis of red yeast rice: an effective and relatively safe alternative approach for dyslipidemia. PLoS One. 2014 Jun 4;9(6):e98611. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Ong u.a. (2016)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: 10 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer: 905 Personen mit Fettstoffwechsel-Störung
Fragestellung: Wie wirkt sich Rotschimmelreis im Vergleich zu Simvastatin auf erhöhte Bluttfettwerte aus?
Interessenskonflikte: keine laut AutorInnen

Ong YC, Aziz Z. Systematic review of red yeast rice compared with simvastatin in dyslipidaemia. J Clin Pharm Ther. 2016 Apr;41(2):170-9. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Sungthong u.a. (2020)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: 4 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende: 10.549 Personen mit Herzinfarkt
Untersuchungsdauer: 4 Wochen bis 4,5 Jahre
Fragestellung: Verringert Rotschimmelreis das Risiko für weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen mit Herzinfarkt?

Sungthong B, Yoothaekool C, Promphamorn S, Phimarn W. Efficacy of red yeast rice extract on myocardial infarction patients with borderline hypercholesterolemia: A meta-analysis of randomized controlled trials. Sci Rep. 2020 Feb 17;10(1):2769. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[4] DFG Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (2012)
Toxikologische Bewertung von Rotschimmelreis: Aktualisierung. Abgerufen am 7. 5. 2020 unter www.dfg.de

[5] Taylor u.a. (2013)
Taylor F, Huffman MD, Macedo AF, Moore THM, Burke M, Davey Smith G, Ward K, Ebrahim S. Statins for the primary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 1. Art. No.: CD004816. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[6] IQWIG (2017)
Erhöhte Cholesterinwerte. Abgerufen am 7.5.2020 unter www.gesundheitsinformation.de

[7] Klimek u.a. (2009)
Klimek M, Wang S, Ogunkanmi A. Safety and efficacy of red yeast rice (Monascus
purpureus) as an alternative therapy for hyperlipidemia. P T. 2009
Jun;34(6):313-27. (Arbeit in voller Länge)

[8] National Center for Complementary and Integrative Health (2013)
Red Yeast Rice: An Introduction. Abgerufen am 7.5.2020.

[9] Schweizerisches Heilmittelinstitut (2014)
Im Brennpunkt: Vermarktung von Präparaten mit Monascus purpureus (Rotschimmelreis, rote Reishefe) ist in der Schweiz nicht zulässig. Swiss Medic Journal 2/2014, ab Seite 80. www.swissmedic.ch

[10] UpToDate (2020)
Tangney C, Rosenson R (2020) Lipid lowering with diet or dietary supplements. In Saperia G (ed.) UpToDate. Abgerufen am 7.5.2020.

[11] BVL, BfArM (2016)
Deutsches Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit; Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Stellungnahme der gemeinsamen Expertenkommission BVL/BfArM, Einstufung von Rotschimmelreisprodukten (02/2016). Abgerufen am 7.5.2020 unter www.bvl.bund.de

[12] BfArM (2016)
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Pressemitteilung 3/16, BfArM warnt erneut vor Red Rice-Nahrungsergänzungsmitteln: Produkte ab einer Tagesdosis von 5 mg Monakolin K sind als Arzneimittel einzustufen, abgerufen am 7.5.2020 unter www.bfarm.de

[13] BfArM (2019)
Ergebnisprotokoll zur 19. Sitzung der Gemeinsamen Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen am 20. Februar 2019 in Berlin. Abgerufen am 30. 4. 2020 unter www.bfarm.de

[14] EFSA (2018)
European Food Safety Authority (EFSA). EFSA Panel on Food Additives and Nutrient Sources added to Food (ANS), Younes, M., Aggett, P., Aguilar, F., Crebelli, R., Dusemund, B., … & Gundert‐Remy, U. (2018). Scientific opinion on the safety of monacolins in red yeast rice. EFSA Journal, 16(8), e05368. (Text in voller Länge)

[15] AGES (2020)
Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Rotschimmelreis-Produkte. Abgerufen am 7.5.2020 unter www.ages.at

[16] UpToDate (2020)
Rosenson R (2020). Statins: Actions, side effects, and administration. In Saperia G (ed.). UpToDate. Abgerufen am 7.5.2020.

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