Probiotika: Schneller gesund bei Durchfall?

Probiotika können bei akutem Durchfall eher nicht helfen. Die Studienlage ist teilweise widersprüchlich und gilt hauptsächlich für Kinder.

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Review:  Jana Meixner 

Verkürzt die Einnahme von Probiotika die Dauer von akutem infektiösem Durchfall?

Studien deuten an, dass die Einnahme von Probiotika die Krankheitsdauer nicht reduzieren kann. Diese Einschätzung ist allerdings nicht gut abgesichert und basiert nur auf Forschungsarbeiten mit Kindern.

so arbeiten wir
© Kenishirotie - Shutterstock.com Probiotika gegen Durchfall?
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Infektiöse Durchfallerkrankungen sind häufig. Erwachsene stecken sich ungefähr ein Mal pro Jahr an, Kinder erwischt es öfter. Meistens dauert eine solche „Magen-Darm-Grippe“ einige Tage [6].

Probiotika – also zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel mit lebenden Mikroorganismen – sollen infektiösen Durchfall rascher wieder beenden. Mikroorganismen besiedeln auch natürlicherweise den Darm. Sie sind unter den Bezeichnungen Darmmikrobiom und Darmflora bekannt.

Probiotika sollen als Konkurrenten gegen die Durchfall-auslösenden Krankheitserreger wirken – so zumindest die Theorie [1].

Eher kein Einfluss auf Krankheitsdauer

Die Theorie lässt sich in der Praxis bisher nicht bestätigen. Eine aktuelle und aussagekräftige Übersichtsarbeit [1] hat die besten verfügbaren Forschungsarbeiten zum Thema ausgewertet. Demnach haben zumindest bei Kindern Probiotika eher keinen Einfluss auf die Dauer des Durchfalls. Die Einschätzung ist aber aufgrund der widersprüchlichen Studienlage nicht gut abgesichert.

Immerhin deuten Forschungsarbeiten an, dass Probiotika bei ansteckendem Durchfall nicht auffällig häufiger zu Nebenwirkungen führen [1].

Probiotikum ist nicht gleich Probiotikum

Probiotikum ist ein Sammelbegriff für viele verschiedene Bakterien und Hefen. Die widersprüchliche Studienlage könnte auch auf die Unterschiedlichkeit dieser Mikroorganismen zurückzuführen sein. Es wird in Zukunft also noch mehr aussagekräftige Forschungsarbeiten zu einzelnen Probiotika-Stämmen geben müssen, um mögliche Effekte besser bewerten zu können.

Eine Übersichtsarbeit von 2021 liefert nicht gut abgesicherte Hinweise darauf, dass die Hefe Saccharomyces boulardii und das Bakterium Lactobacillus reuteri die Krankheitsdauer etwas verkürzen könnten [3]. Doch auch das ist wegen mangelhafter Einzelstudien nur ein erster Anhaltspunkt.

Durchfall: Übertragung ist vermeidbar

Auslöser von ansteckendem Durchfall (infektiöse Diarrhoe) sind weltweit ungefähr 20 verschiedene Viren, Bakterien und Parasiten. Dazu zählen Noroviren, Rotaviren, Salmonellen und Kolibakterien.

Die Übertragungswege sind vielfältig: Die Erreger kommen zum Beispiel über verschmutztes Wasser und verdorbenes Essen in den Körper. Oder über Hände, an denen Fäkalienreste haften.

Vorbeugend wirken etwa Händewaschen nach dem Toilettengang, Hygiene in der Küche und Abstandhalten zu Infizierten. Gegen manche Infektionen gibt es auch Impfungen (z. B. Rotavirus, Hepatitis, Typhus).

Krankheit verschwindet meist von selbst

Typisch für infektiöse Durchfallerkrankungen ist wässriger Stuhlgang, mindestens drei Mal in 24 Stunden. Gleichzeitig können Bauchkrämpfe, Blähungen, Übelkeit und Fieber auftreten. Das ist zwar unangenehm, aber in der Regel nur vorübergehend und harmlos.

Das gilt aber nicht immer. Akute infektiöse Durchfälle können in kurzer Zeit zu einem hohen Verlust von Wasser, lebensnotwendigen Mineralstoffen (Elektrolyten) und Nährstoffen führen. Dies ist vor allem für Kleinkinder, ältere und geschwächte Personen durchaus gefährlich. Austrocknung und Kreislaufprobleme sind mögliche Folgen, bis hin zum tödlichen Ausgang. Deshalb ist eine rasche ärztliche Abklärung notwendig, wenn diese Personengruppen betroffen sind. Viele Infektionen und tödliche Verläufe wären mit einfachen Mitteln und Hygienemaßnahmen vermeidbar.

Flüssigkeit und Elektrolyte ersetzen

Durchfalltherapien haben zum Ziel, der Austrocknung (Dehydrierung) entgegenzuwirken und die Erholung zu beschleunigen. Sie sollen auch die Zeit verkürzen, in der Betroffene für andere ansteckend sind. Als Therapie kommen Elektrolyt-Lösungen zum Trinken in Frage, die die WHO übrigens auf die „Liste der unentbehrlichen Arzneimittel“ gesetzt hat. Ihr Ziel ist es, die verlorene Flüssigkeit und Mineralien zu ersetzen [1, 4-7]. Dafür gibt es etwa in Säckchen abgepacktes Granulat zum Aufgießen.

Mehr Informationen

Über verschiedene Einsatzgebiete von Probiotika haben wir bereits berichtet: bei Reizdarm-Beschwerden, als vermeintliche Abnehmhilfe, als Gegenmittel bei Durchfall, der durch Antibiotika ausgelöst wird, als Hilfe gegen Diabetes Typ 2 oder zur Vorbeugung von Neurodermitis. Wir habe auch recherchiert, ob Heilerde bei Durchfall wirksam und sicher ist.

Mehr gesicherte Information zu infektiösem Durchfall, Reisedurchfall, Magen-Darm-Infektionen und die Funktionsweise des Darms finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir suchten in zwei verschiedene Datenbanken nach aussagekräftigen Forschungsarbeiten, die beantworten können, ob Probiotika bei Durchfallerkrankungen helfen können.

Bei der Recherche haben wir nur randomisiert-kontrollierte Studien berücksichtigt. Sie sind die aussagekräftigste Studienart, um den Effekt einer Behandlung zu ermitteln. Randomisiert bedeutet: Teilnehmende werden per Zufall zumindest zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt. Während die eine Gruppe Probiotika einnimmt, bekommt die andere – die Kontrollgruppe – ein Scheinpräparat (Placebo) oder gar keine Behandlung.

Ein weiteres wichtiges Qualitätskriterium: Teilnehmende und Forschende wissen nicht, wer welcher der beiden Gruppen angehört. Sie sind sozusagen verblindet.
Wir konnten zwei Übersichtsarbeiten von 2020 und 2021 finden, die unsere Frage am ehesten beantworten können [1, 3]. Ziel der Autorenteams der Übersichtsarbeiten war es, möglichst alle randomisiert-kontrollierte Studien dazu zusammenzufassen, um ein aussagekräftiges Gesamtergebnis zu erhalten.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

In einer der Übersichtsarbeiten [1] wollten Forschende wissen, ob Probiotika die Dauer einer Durchfallerkrankung verkürzen können. Dazu bewerteten sie 82 einzelne Forschungsarbeiten. Aufgrund der großen Mängel der meisten dieser Studien, wurde die Frage nur auf Basis zwei gut gemachter Forschungsarbeiten beantwortet. Die zwei Studien analysierten Daten von 1.170 Kindern.

Trotz der vielen Teilnehmenden bleibt unser Vertrauen aus den folgenden Gründen eher gering:

  • Da in diesen zwei Studien auch nur zwei verschiedene Probiotika-Stämme (Lactobacillus rhamnosus und Lactobacillus helveticus) untersucht wurden, ist eine Verallgemeinerung nicht möglich. Das verringert die Aussagekraft der Übersichtsarbeit, die nach der Wirkung von Probiotika allgemein gefragt hat.
  • Außerdem nahmen an den Studien nur Kinder teil. Ob sich die Ergebnisse auch auf Erwachsene übertragen lassen, bleibt unklar.
  • Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Publikationslandschaft lückenhaft ist. Es dürften nicht alle Forschungsarbeiten zum Thema veröffentlicht worden sein.
    Möglicherweise sind Studien mit „unerwünschten“ Ergebnissen in der Schublade verschwunden – also solche, die Probiotika kein sonderlich gutes Zeugnis ausstellen.

Generell sind die Studien im Forschungsfeld Probiotika sehr unterschiedlich und kommen teils zu widersprüchlichen Ergebnissen. Das macht es schwierig, sie sinnvoll zusammenzufassen.

Bestimmte Mikroben-Stämme vielleicht wirksam?

Der Unterschied zwischen verschiedenen Probiotika-Stämmen könnte durchaus relevant sein, wie eine weitere Übersichtsarbeit nahelegt [3]. Dafür wertete ein anderes Forschungsteam Daten von 13.443 Kindern aus.

Es gibt nicht gut abgesicherte Hinweise, dass die Hefe Saccharomyces boulardii und das Bakterium Lactobacillus reuteri die Krankheitsdauer verkürzen [3]. Das Ergebnis ist aber aus den folgenden Gründen nicht gut abgesichert:

  • Die Einzelstudien dieser Übersichtsarbeit sind alle sehr unterschiedlich. Sie unterscheiden sich vor allem in Häufigkeit, Dauer und Dosis der Probiotika-Einnahme (hohe Heterogenität).
  • Außerdem hat auch die Übersichtsarbeit selbst Qualitätsmängel, die vor allem die Suche nach Einzelstudien und die Auswahl der zusammengefassten Studien betrifft. Das führt dazu, dass nicht sicher ist, ob alle relevanten Forschungsarbeiten in der Übersichtsarbeit zusammengefasst wurden. Das kann das Gesamtergebnis verzerren.

[1] Collinson S, Deans A, Padua-Zamora A, Gregorio GV, Li C, Dans LF, Allen SJ. Probiotics for treating acute infectious diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 12. Art. No.: CD003048.
Zusammenfassung (aktuelle Version)

[2] Allen SJ, Martinez EG, Gregorio GV, Dans LF. Probiotics for treating acute infectious diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 11. Art. No.: CD003048.
Zusammenfassung (alte Version)

[3] Li et al. (2021). Which Probiotic Is the Most Effective for Treating Acute Diarrhea in Children? A Bayesian Network Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Nutrients, 13(12). (https://doi.org/doi:10.3390/nu13124319)

Weitere Quellen

[4] UpToDate: Approach to the adult with acute diarrhea in resource-rich settings (Abgerufen am 22.9.2021)

[5] UpToDate: Approach to the child with acute diarrhea in resource-limited countries (Abgerufen am 22.9.2021)

[6] Dynamed: Probiotics (kostenpflichtig, abgerufen am 22.9.2021)

[7] Gesundheitsinformation.de: Durchfall (abgerufen am 22.9.2021)

  • 15.1.2024: Eine Recherche nach neuen Studien ändert unsere Einschätzung der Wirksamkeit von „wahrscheinlich nicht wirksam“ auf „eher nicht wirksam“. Unser Vertrauen in das Ergebnis ist aufgrund der widersprüchlichen Studienlage geringer geworden – trotz vieler Publikationen. Der Text wurde überarbeitet.
  • 27.1.2022: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks

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