Dieser Beitrag ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Moringa: Wunderbaum zum Einnehmen?

Der Moringa-Baum gilt als vielfältiges Naturheilmittel – in Indien genauso wie in heimischen Drogerien. Eine gesundheitsfördernde Wirkung ist jedoch nicht belegt.

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Haben die Bestandteile des Moringa oleifera Baumes eine positive Wirkung auf die Gesundheit?

Es finden sich keine gut durchgeführten Studien, die einen gesundheitlichen Nutzen von Extrakten des Moringa-Baumes belegen. Auch sind mögliche Nebenwirkungen der Pflanzenpräparate und etwaige gesundheitliche Auswirkungen in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht gut untersucht.

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© Nipaporn Panyacharo - shutterstock.com Die dunkelgrünen Moringa-Blätter werden getrocknet und in Kapseln gepresst
© Nipaporn Panyacharo – shutterstock.com

Viele Menschen suchen nach bequemen Möglichkeiten, ihren Körper gesund und fit zu halten. Dabei stoßen sie häufig auf Nahrungsergänzungsmittel, die eine angeblich gesundheitsfördernde Wirkung versprechen. Marketing und Werbung verstärken den Glauben, dass unser Lebensstil, Stress und Umwelteinflüsse diese Ergänzungen für ein gesundes Leben unabdingbar machen. Mit Erfolg: Laut einem Bericht des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung ist seit Ende der 1990er- Jahre der Umsatz von Nahrungsergänzungsmitteln um die anderthalbfache Menge angestiegen [6]. Dies, obwohl die Nahrung des Durchschnittsbürgers Ernährungsexperten zufolge ohnehin ausreichend Vitamine und Spurenelemente enthält [6] [7].

Als besonderes Wundermittel bewerben Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller Extrakte aus dem indischen Moringa-Baum. Ihnen zufolge sei Moringa ein „Vitalstoffhammer“ der alle lebensnotwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in einem einzigen Produkt vereint.

Ayurvedisches Allheilmittel

Von Kopfschmerzen bis Krebs, ob in der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren – der mit vollem Namen Moringa olifeira genannte Baum soll wahre Wunder vollbringen. Im Deutschen trägt er auch den Namen Meerrettichbaum. Egal ob als Pulver, Kapsel, Tee oder Öl angewandt, nütze die Pflanze in so ziemlich jeder Lebensphase der Gesundheit.

In der indischen Volksheilkunde Ayurveda gilt er als Wunderbaum und „Geschenk Gottes an die Menschheit“, so soll er 300 Krankheiten vorbeugen und etliche heilen können [1].

Vor allem die Blätter werden für medizinische Zwecken eingesetzt [1]. Doch auch Samen, Blüten, Früchten und den Wurzeln werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. So sollen Moringa-Präparate den Blutzucker, die Blutfette und den Blutdruck senken und entzündungshemmend wirken [1] [2]. Angeblich wirken Inhaltsstoffe des Baumes auch antioxidativ [1] [2], – sie sollen Körperzellen vor Schäden durch besonders reaktionsfreudige Moleküle schützen.

Keine Belege

Auch wenn die Überlieferungen über die zahlreichen Vorteile der Pflanze bis in die Antike zurückgehen [2], ist die wissenschaftliche Beweislage für eine tatsächliche Wirksamkeit von Moringa-Präparaten sehr dürftig. Es gibt zwar einige Tierstudien zu den möglichen Wirkungen von Moringa, sie erlauben aber keinen Rückschluss auf die Wirksamkeit beim Menschen. Schließlich unterscheidet sich der Stoffwechsel von Versuchstieren wie Mäusen oder Ratten teilweise erheblich von dem der Menschen.

Bisher durchgeführte Studien an menschlichen Teilnehmern sind von zu schlechter Qualität, um eine gesundheitsfördernde Wirkung von Moringa beurteilen zu können. Ob Moringa-Extrakt tatsächlich die Gesundheit verbessert, ist unklar.

Nährstoffreiches Lebensmittel

Es mag zwar keine Belege für Wunderheilungen durch Moringa geben, eine wertvolle Pflanze ist der Baum dennoch. So verspeisen die Bewohner afrikanischer und asiatischer Länder etwa Blätter oder die unreifen, länglichen Samenschoten gekocht als Gemüse. Tatsächlich enthalten die Blätter der Pflanze eine ganze Reihe wertvoller Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente [1] [2]. Weil der Baum zudem schnell wächst und leicht kultivierbar ist, setzen Hilfsorganisationen die Moringapflanze zur Bekämpfung der Unterernährung in Entwicklungsländern ein [8] [11] [13].

In hoher Dosierung gesundheitsschädlich?

Auch wenn sich Moringa-Pflanzenteile gekocht regelmäßig auf den Tellern vieler Menschen wiederfinden, bedeutet das nicht, dass sie auch in großen Mengen roh oder als Extrakt gesund sein müssen. So liefern zahlreiche Tierstudien Hinweise darauf, dass der Extrakt der Moringablätter oder der Wurzeln in hoher Dosierung das Blutbild, Leber- und Nierenwerte verschlechtern könnte [9] [10] [12] [14] [16]. In einer Laborstudie an Ratten traten solche Veränderungen nach acht Wochen schon bei einer Menge auf, die umgerechnet auf einen 60 Kilo schweren Menschen 60 Gramm Blattpulver täglich entspricht [14]. Dies entspricht etwa einem Viertelkilo frischer, ungekochter Blätter täglich.

Im Internet verfügbare Kochrezepte verwenden allerdings keine rohen Moringa-Blätter oder Schoten. Ob die Blätter für Menschen auch gekocht in größeren Mengen ungesund sind, können die Tierstudien nicht beantworten.

Die Wurzeln des Moringabaums enthalten giftige Inhaltsstoffe (Alkaloide), die Kontraktionen der Gebärmutter oder Nervenlähmungen verursachen können [9] [10]. In Tierversuchen führte der Wurzelextrakt in hoher Dosis bei schwangeren Ratten zu Fehlgeburten [9] [10] [15].

Unklar ist, ob und inwieweit diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind. Über die Auswirkungen einer längerfristigen Einnahme von Moringamitteln können nur gut durchgeführte Studien mit Menschen Aufschluss geben.

Die Studien im Detail

Mehrere Studien setzen sich mit den möglichen Wirkungen von Moringa oleifera Produkten auseinander. Der größte Teil dieser Studien wurde jedoch im Labor an einzelnen Zellkulturen oder an Tieren durchgeführt. Einige wenige untersuchten auch einen möglichen Einsatz von Moringa- Blattpulver am Menschen [3] [4] [13] [17]. Die meisten Studien attestierten Moringa durchwegs positive Auswirkungen. Allerdings waren mit Menschen durchgeführte Studien von schlechter Qualität, sodass keinerlei Aussagen zu Wirksamkeit und Sicherheit möglich sind. So wurden die randomisiert-kontrollierten Studien an nur wenigen Teilnehmern durchgeführt. Zudem ist unklar, wie gesund die teilnehmenden Personen waren und nach welchen Kriterien die Forscher sie ausgewählt hatten. Weiters erschweren die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Zubereitungsarten der in den Studien eingenommenen Moringa-Mittel einen Vergleich der Studienergebnisse [13].

Zwei Studien erwecken den Eindruck, dass Moringatabletten den Blutzuckerspiegel bei Patienten mit Diabetes vom Typ 2 (früher auch Alters-Diabetes genannt) bessern können [3] [4]. In einer davon [4] erhielten 30 Patienten über einen Zeitraum von drei Monaten täglich zwei Tabletten aus pulverisierten Moringablättern. Ebenso viele Personen schluckten ein Scheinmedikament (Placebo). Allerdings fehlen in dieser Studie nicht nur Angaben zu Gewicht und Dosis der Tabletten, sondern auch wichtige Informationen wie zusätzliche Erkrankungen und Medikamenteneinnahmen der Patienten.

Die Zahl der Teilnehmer in der zweiten Studie [3] ist mit 46 Diabetespatienten noch kleiner als in der ersten Studie. In dieser wird zwar die Dosierung der Moringa Tabletten angegeben, allerdings erhielten die Patienten gleichzeitig ein anderes Präparat. Daher lässt sich nicht nachvollziehen, ob die Ursache für eine mögliche Wirkung das Moringa-Mittel ist. Auch ansonsten zeigt diese Studie ähnliche Mängel wie die zuvor genannte. Somit bleibt unklar, ob Moringapulver tatsächlich eine Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel hat.

Eine randomisiert-kontrollierte Studie aus dem Jahr 2013 [5] untersuchte an 79 Patienten, ob die Einnahme von Kapseln aus den Moringa-Blättern erhöhte Blutfettwerte absenken kann. Den Studienautoren zufolge macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer eine Kapsel mit Moringa-Extrakt oder ein Scheinpräparat einnahmen. Die Blutfettwerte blieben in beiden Fällen gleich hoch. Da an dieser Studie jedoch relativ wenige Personen teilnahmen und sie auch methodische Mängel aufweist, sind auch ihre Ergebnisse nur bedingt vertrauenswürdig.

[1] Leone u.a. (2015)
Studienart: nicht-systematische Übersichtsarbeit
Mögliche Interessenskonflikte: keiner laut Autoren

Leone A, Spada A, Battezzati A, Schiraldi A, Aristil J, Bertoli S. Cultivation, Genetic, Ethnopharmacology, Phytochemistry and Pharmacology of Moringa oleifera Leaves: An Overview. Int J Mol Sci. 2015 Jun 5;16(6):12791-12835.(Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Mbikay (2012)
Studienart: nicht-systematische Übersichtsarbeit
Mögliche Interessenskonflikte: keiner laut Autoren

Mbikay M. Therapeutic Potential of Moringa oleifera Leaves in Chronic Hyperglycemia and Dyslipidemia: A Review. Front Pharmacol. 2012 Mar 1;3:24. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[3] Kumari (2010)
Studienart: nicht-randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 55 Typ 2 Diabetiker
Studiendauer: 40 Tage
Fragestellung: Bewirkt Moringa oleifera Blattpulver (8gm) oder Azadirachta indica seeds Pulver bei Typ 2 Diabetikern ein Absinken der Blutzuckerwerte?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angabe

Kumari, D. J. (2010). Hypoglycemiceffect of Moringa oleifera and Azadirachta indica in type-2 diabetes. Bioscan 5, 211–214. (Studie in voller Länge)

[4] Ghiridhari (2011)
Studienart: nicht-randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 60 Typ 2 Diabetiker
Studiendauer: 90 Tage
Fragestellung: Bewirkt Moringa oleifera Blattpulver bei Typ 2 Diabetikern ein Absinken der Blutzuckerwerte?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angabe
Ghiridhari, V. V. A., Malhati, D., andGeetha, K. (2011). Anti-diabeticproperties of drumstick (Moringaoleifera) leaf tablets. Int. J. HealthNutr. 2, 1–5 (Studie in voller Länge)

[5] Sandoval u.a. (2013)
Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer: 79 Personen mit LDL-Werten über 2,6 mmol/L
Studiendauer: 30 Tage
Fragestellung: Bewirkt Moringa oleifera Blattpulver ein Absinken der LDL-Werte?
Mögliche Interessenskonflikte: Finanziert mit Geldern von Pfizer

MAS Sandoval, CA Jimeno, (2013), Effect of Malunggay (Moringa oleifera) Capsules on Lipid and Glucose Levels, Acta Medica Philippina 47:3, 22-27. (Studie in voller Länge)

Weitere Quellen

[6] Bundesinstitut für Risikobewertung (2013)
Bundesinstitut für Risikobewertung: Zielgruppengerechte Risikokommunikation zum Thema Nahrungsergänzungsmittel, 2013, abgerufen am 23.06.2015 unter: www.bfr.bund.de/cm/350/zielgruppengerechte-risikokommunikation-zum-thema-nahrungsergaenzungsmittel.pdf

[7] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2012)
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., DGE aktuell 09/2012 vom 04. Dezember
Bunte Pillen für’s gute Gewissen – Was bringen Nahrungsergänzungsmittel? Abgerufen am 23.06.2015 unter: www.dge.de/presse/pm/bunte-pillen-fuers-gute-gewissen-was-bringen-nahrungsergaenzungsmittel/

[8] UNESCO (1994 – 2003)
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO):Improving nutrition with Moringa miracle trees in Senegal, abgerufen am 23.06.2015 unter: www.unesco.org/most/bpik10-2.htm

[9] Bose (2007)
Bose Ck.,Possible role of Moringa oleifera Lam. root in epithelial ovarian cancer. MedGenMed. 2007 Feb 6;9(1):26. (Studie in voller Länge)

[10] Posmontier (2011)
Posmontier B., The medicinal qualities of Moringa oleifera. Holist Nurs Pract. 2011 Mar-Apr;25(2):80-7. (Zusammenfassung der Übersicht)

[11] FAO (2014)
Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO): Traditional Crop of the Month: Moringa (2014), abgerufen am 23.06.2015 unter: www.fao.org/traditional-crops/moringa/en/

[12] Asiedu-Gyekye u.a. (2014)
Asiedu-Gyekye IJ, Frimpong-Manso S, Awortwe C, Antwi DA, Nyarko AK, Micro- and Macroelemental Composition and Safety Evaluation of the Nutraceutical Moringa oleifera Leaves. J Toxicol. 2014 (Tierstudie in voller Länge)

[13] Stohs u.a. (2015)
Stohs SJ, Hartman MJ., Review of the Safety and Efficacy of Moringa oleifera. Phytother Res. 2015 Jun;29(6):796-804. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[14] Oyagbemi u.a. (2013)
Oyagbemi AA, Omobowale TO, Azeez IO, Abiola JO, Adedokun RA, Nottidge HO.,Toxicological evaluations of methanolic extract of Moringa oleifera leaves in liver and kidney of male Wistar rats. J Basic Clin Physiol Pharmacol. 2013;24(4):307-12. (Zusammenfassung der Tierstudie)

[15] Sethi u.a. (1988)
Sethi N1, Nath D, Shukla SC, Dyal R, Abortifacient activity of a medicinal plant „moringa oleifera“ in rats. Anc Sci Life. 1988 Jan;7(3-4):172-4 (Tierstudie in voller Länge)

[16] Adedapo u.a. (2009)
A. A. Adedapo , O. M. Mogbojuri and B. O. Emikpe , Safety evaluations of the aqueous extract of the leaves of Moringa oleifera in rats, Published 22 July 2014,Journal of Medicinal Plants Research Vol. 3(8), pp. 586-591, August, 2009 (Tierstudie in voller Länge auf Researchgate.net)

[17] Nambiar u.a. (2010)
Nambiar VS, Guin P, Parnami S, Daniel M. 2010. Impact of antioxidants from drumstick leaves on the lipid profile of hyperlipidemics. J Herb Med Toxicol 4: 165–172 (Studie in voller Länge)

Aktualisiert am 27. 11. 2017, ursprünglich veröffentlicht am 10. 7. 2015. Eine Suche nach neuen Studien führte zu keiner Änderung.

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