Startseite ● Moringa: unbelegte Gesundheits-Behauptungen Moringa: unbelegte Gesundheits-Behauptungen Um die Wirkung von Moringa ranken sich viele Gesundheitsmythen. Es gibt jedoch keine Belege, dass Moringa Beschwerden lindert oder Krankheiten vorbeugt. 18. Oktober 2023 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Jana Meixner Iris Mair Teresa König Teilen Hat Moringa eine senkende Wirkung auf den Blutzuckerspiegel bei Diabetes oder einer Diabetes-Vorstufe? möglicherweise nicht Kann Moringa andere Gesundheitsprobleme lindern oder Krankheiten vorbeugen? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher gibt es keine aussagekräftigen Studien zur Wirkung von Moringa. Es ist daher unklar, ob Moringa Diabetes oder andere Krankheiten lindern oder ihnen vorbeugen kann. Auch mögliche Nebenwirkungen sind mangelhaft erforscht. so arbeiten wir Die Blätter der Moringa gibt es getrocknet als Pulver oder Kapseln zu kaufen © Nipaporn Panyacharo – shutterstock.com In manchen asiatischen und afrikanischen Ländern sind die Blätter und Fruchtschoten des Moringa-Baums verbreitete Kochzutaten. Weil der scharfe Geschmack der Blätter an Kren (Meerrettich) erinnert, hat Moringa oleifera, wie der Baum wissenschaftlich heißt, auch den Namen Meerrettichbaum. Bei uns werden Moringa-Blätter zu Pulver verarbeitet und als Nahrungsergänzungsmittel verkauft – angeblich mit gesundheitsfördernder Wirkung. Helfen soll Moringa – so die Behauptungen – bei zahlreichen Gesundheitsproblemen: von Diabetes, Bluthochdruck, überhöhtem Cholesterinspiegel bis hin zu Allergien, Rheuma-Schmerzen und Krebs. Wir haben nachgeprüft, welche Belege es dafür gibt. Eher keine Blutzucker-Senkung bei Diabetes-Vorstufe Bei unserer aufwändigen Recherche haben wir zwei relevante Studien [1,2] zu Diabetes gefunden. Beide deuten in Richtung Wirkungslosigkeit von Moringa. In einer der Studien [1] haben Betroffene mit einer Vorstufe von Diabetes teilgenommen. Das Forschungsteam hinter der Studie versucht zwar, die Ergebnisse positiv darzustellen. Unsere rechnerische Überprüfung der Studienergebnisse spricht jedoch eher dagegen, dass Moringa den Blutzuckerspiegel anhaltend senken kann. Die zweite Studie [2] an Personen mit diagnostiziertem Diabetes kann ebenfalls keine Senkung des Blutzuckerspiegels nachweisen. Beide Untersuchungen haben allerdings grobe Mängel und sind daher nur eingeschränkt aussagekräftig. Dass Moringa wirkungslos zur Senkung des Blutzuckerspiegels ist, ist daher nicht gut abgesichert. Für weitere Informationen siehe Abschnitt „Die Studien im Detail“. Wie sich Diabetes wirksam vorbeugen und behandeln lässt, fassen die beiden Seitenauf Gesundheitsinformation.de und Gesundheit.gv.at zusammen. Fehlende Belege für andere Gesundheitsbehauptungen Zu anderen Gesundheitsproblemen oder Krankheiten fanden wir keine Studien, die eine Wirksamkeit von Moringa nachweisen könnten. Ohne wissenschaftliche Belege sind die zahlreichen Gesundheits-Behauptungen jedoch aus der Luft gegriffen – sei es zur Senkung von Bluthochdruck und Cholesterinspiegel, zu Schmerzen, Allergien oder gar zu Krebs. Nebenwirkungen bei hoher Dosis nicht ausgeschlossen Nur eine der Studien [1] hat Nebenwirkungen untersucht – und keine gefunden. Die Studie ist allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig. Dass geringe Mengen von Moringa der Gesundheit schaden, ist dennoch wenig wahrscheinlich. Immerhin sind Blätter und unreife Fruchtschoten Bestandteil der Küche vieler Länder. Für Länder mit häufiger Mangelernährung empfiehlt die Welternährungsorganisation FAO Moringa sogar als Ergänzung des Speiseplans. Der Grund ist, dass Fruchtschoten und Blätter des Moringa-Baums viele Nährstoffe enthalten. Bei großen Mengen sind Nebenwirkungen jedoch nicht ausgeschlossen. In einzelnen Tierstudien zeigten sich etwa Hinweise auf Probleme in der Schwangerschaft – auch wenn sich die nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen. Die Rinde und die reifen Samen des Moringa-Baumes könnten in großen Mengen ebenfalls gesundheitsgefährdend sein [3]. Nahrungsergänzung bei HIV-Behandlung in Afrika In vielen afrikanischen Ländern ist es für die Bevölkerung schwierig, sich ärztlich behandeln zu lassen. Zudem sind in diesen Ländern viele von Mangelernährung betroffen. Menschen, die dort mit HIV infiziert sind, haben daher schlechtere gesundheitliche Voraussetzungen als bei uns. Manche Fachleute hoffen daher, dass eine Nahrungsergänzung mit Moringa da hilft – zusätzlich zu Medikamenten, die das HI-Virus (HIV) unterdrücken. Bisherigen Studien zufolge [4-6] könnten sich Lebensqualität und Gesundheitszustand von HIV-Infizierten in ärmlichen Verhältnissen tatsächlich etwas verbessern, wenn sie Moringa-Pulver zusätzlich zu Virus-unterdrückenden Medikamenten einnehmen. Gut gesichert ist das allerdings nicht, denn die Studien haben aufgrund von Mängeln nur eingeschränkte Aussagekraft. Da die Ernährung und medizinische Versorgung hierzulande deutlich besser ist, lassen sich die Studienergebnisse nicht auf Österreich oder andere westliche Länder übertragen. Es gibt somit keine Belege dafür, dass Moringa die Gesundheit von HIV-Infizierten auch dann verbessert, wenn sie nicht von Mangelernährung oder anderen unbehandelten Gesundheitsproblemen betroffen sind. Wie sich eine HIV-Infektion bzw. AIDS behandeln lässt, fasst die Seite Gesundheit.gv.at zusammen Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Ob Moringa bei Gesundheitsproblemen hilft – etwa bei Diabetes anhaltend den Blutzuckerspiegel senkt – lässt sich am aussagekräftigsten mit randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen. Dazu werden möglichst viele Teilnehmende mit Diabetes nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die Behandlungsgruppe nimmt über einen längeren Zeitraum regelmäßig Moringa ein, zum Beispiel in Kapselform. Die andere Gruppe ist die Kontrollgruppe. Sie nimmt über denselben Zeitraum Kapseln ohne Moringa (Placebo) ein. Um auszuschließen, dass die Erwartungen der Teilnehmenden (oder die des Forschungsteams) die Ergebnisse verzerren, sollte niemand wissen, wer Moringa-Kapseln und wer Placebo-Kapseln einnimmt. Fachleute sprechen davon, dass die an der Studie Beteiligten „verblindet“ sind. Am Ende der Studie erfolgt dann der Vergleich: Nur wenn der Blutzucker in der Moringa-Gruppe anhaltend niedriger ist als der in der Kontrollgruppe, wäre das ein Beleg für die Wirksamkeit von Moringa. Wir haben nach randomisiert-kontrollierten Studien gesucht, die die Wirkung von Moringa bei verschiedensten Gesundheitsproblemen untersucht haben. Diabetes: Wie aussagekräftig sind die Studien? Wir haben zwei Untersuchungen [1,2] gefunden, die Moringa auf eine Blutzucker-senkende Wirkung hin überprüft haben: eine bei Menschen mit einer Vorstufe von Diabetes (Prädiabetes) [1], die andere bei Menschen mit Diabetes-Diagnose [2]. Beide liefern Hinweise, dass Moringa zur Blutzucker-Senkung nicht geeignet ist – auch wenn ihre Aussagekraft aufgrund einiger Mängel eingeschränkt ist: Zu wenige Teilnehmenden: Mit 73 Teilnehmenden in der Prädiabetes-Studie und 40 in der Diabetes-Studie wurden zu wenige Personen untersucht, um aussagekräftige Ergebnisse liefern zu können. Dafür wären Daten von zumindest 300 Teilnehmenden nötig. Viele Teilnehmende brachen ab: In der Diabetes-Studie konnten die Daten von 35 Prozent der Teilnehmenden nicht ausgewertet werden. In der Prädiabetes-Studie brachen 18 Prozent in der Moringa-Gruppe die Teilnahme ab – hingegen fast niemand (nur 3 Prozent) in der Placebo-Gruppe. Dieses Ungleichgewicht und die hohe Anzahl an Abbrüchen können die Ergebnisse verzerrt haben. Fehlende Verblindung in Diabetes-Studie: Die Teilnehmenden und das Forschungsteam wussten, wer Moringa bekam und wer nicht. Die Erwartungen dazu könnten die Ergebnisse beeinflusst haben. HIV: Wie aussagekräftig sind die Studien? Wir fanden drei randomisiert-kontrollierte Studien, in denen HIV-Infizierte in Nigeria oder im Kongo neben Virus-unterdrückenden Medikamenten auch Moringa beziehungsweise ein Placebo einnahmen. Eine dieser Untersuchungen [4] war zumindest eingeschränkt aussagekräftig. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass Moringa die Lebensqualität erhöhen kann. Sicher ist das aus folgenden Gründen jedoch nicht: Zu wenige Teilnehmenden: Mit 200 Teilnehmenden wurden etwas zu wenige Personen untersucht, um aussagekräftige Ergebnisse liefern zu können. Mögliche Unterschiede bereits zu Studienbeginn: Der Anteil stark übergewichtiger Teilnehmenden war insgesamt nicht groß, jedoch in der Moringa-Gruppe deutlich höher (12 Prozent) als in der Placebo-Gruppe (4 Prozent). Auch den Gesundheitszustand könnte Moringa verbessert haben. Das ist jedoch ebenfalls nicht gut gesichert: Gesundheit nicht direkt erhoben: Die Forschungsteams in den drei Studien [4-6] haben nicht erhoben, wie gesund die Teilnehmenden waren, sondern nur die Menge bestimmter Immunzellen im Blut gezählt (T-Helfer-Zellen). Eine höhere Anzahl kann bei HIV-Infizierten ein Hinweis auf eine bessere Gesundheit sein – sicher ist das jedoch nicht. Widersprüchliche Ergebnisse: In der aussagekräftigeren der drei Studien [4] zeigte sich eine Erhöhung der Immunzellen. Die beiden weniger aussagekräftigen Studien widersprechen sich dabei. Wissenschaftliche Quellen [1] Gómez-Martínez et al. (2021) Moringa oleifera leaf supplementation as a glycemic control strategy in subjects with prediabetes. Nutrients, 14(1), 57. (Studie in voller Länge) [2] Afiaenyi et al. (2023) Effects of Moringa oleifera leaves on the blood glucose, blood pressure, and lipid profile of type 2 diabetic subjects: A parallel group randomized clinical trial of efficacy. Nutrition and Health, 02601060231176873. (Zusammenfassung der Studie) [3] Liu et al. (2022) Moringa oleifera: a systematic review of its botany, traditional uses, phytochemistry, pharmacology and toxicity. Journal of Pharmacy and Pharmacology, 74(3), 296-320. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [4] Gambo et al. (2021) Impact of Moringa Oleifera leaves supplementation on quality of life of people living with HIV: A double-blind randomized controlled trial. Quality of Life Research, 30, 2563-2571. (Zusammenfassung der Studie) [5] Aprioku et al (2022) Moringa supplementation improves immunological indices and hematological abnormalities in seropositive patients receiving HAARTs. African Health Sciences, 22(2), 1-11. (Studie in voller Länge) [6] Tshingani et al. (2017) Impact of Moringa oleifera lam. Leaf powder supplementation versus nutritional counseling on the body mass index and immune response of HIV patients on antiretroviral therapy: a single-blind randomized control trial. BMC complementary and alternative medicine, 17(1), 1-13. (Studie in voller Länge) Versionsgeschichte 18. 10. 2023: Neuere Studien ändern unsere Einschätzung zu Diabetes. 27. 11. 2017: Eine Suche nach neuen Studien führte zu keiner Änderung. 10. 7. 2015: erste Version Schlagworte DiabetesmoringaNahrungsergänzungsmittelpflanzlichSuperfood In über 500 Faktenchecks suchen