Startseite ● Methionin: Schutz vor Blasenentzündung unklar Methionin: Schutz vor Blasenentzündung unklar Ob die Einnahme von Methionin wiederholt auftretenden Blasenentzündungen vorbeugt, können bisherige Studien weder belegen noch ausschließen. 03. Juli 2024 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Jana Meixner Bernd Kerschner Teilen Schützt Methionin vor wiederkehrenden Blasenentzündungen? wissenschaftliche Belege fehlen Wir haben nur zwei kleine Studien mit methodischen Mängeln gefunden. Weil die Ergebnisse wenig aussagekräftig sind, lassen sie offen, ob Methionin eine vorbeugende Wirkung hat. so arbeiten wir Ein Anzeichen für Blasenentzündung: häufiger Harndrang © mistersunday – istockphoto.com Dass eine Blasenentzündung häufig wiederkommt, kennen einige Frauen nur zu gut: Etwa 5 von 100 Frauen sind mindestens zwei Mal im Jahr davon betroffen [Quelle 3]. Das zu verhindern, ist oft gar nicht so leicht. Kein Wunder, dass gerade im Internet oder in Apotheken verschiedene Produkte beworben werden, die angeblich vor Blasenentzündungen schützen sollen. Dazu gehören auch Tabletten oder Kapseln mit dem natürlich vorkommenden Eiweißbaustein Methionin. Dieser sorgt dafür, dass der Harn saurer wird. Das soll verhindern, dass sich Bakterien in der Blase vermehren und so eine Entzündung auslösen. Eine Leserin wollte von uns wissen, ob das tatsächlich funktioniert – ob also Methionin tatsächlich Blasenentzündungen vorbeugen kann. Um das zu beantworten, haben wir uns auf die Suche nach Studien gemacht. Wirksam? Unklar Bei unserer Recherche haben wir zwei Studien gefunden [Quellen 1,2], die versucht haben, das zu beantworten. Die Untersuchungen lassen aber viele Fragen offen. In einer Studie [Quelle 1] hat ein Forschungsteam Methionin mit einem (heute nicht mehr verwendeten) Antibiotikum verglichen. Das Ergebnis: Keine der teilnehmenden Frauen bekam im zweijährigen Untersuchungszeitraum eine Blasenentzündung. Was wir jedoch nicht wissen: Wären die Teilnehmerinnen möglicherweise auch ohne Behandlung beschwerdefrei geblieben? Daher lässt sich aus der Studie nicht auf eine vorbeugende Wirkung von Methionin schließen. An der zweiten Studie [Quelle 2] nahmen nur Personen teil, die wegen einer Rückenmarksverletzung Probleme mit dem Entleeren der Blase hatten. Dadurch waren sie häufig von einer Blasenentzündung betroffen. Der Großteil der Teilnehmenden waren Männer. Der Studie zufolge hatten die Testpersonen mit Placebo (Scheinmedikament) zwei Blasenentzündungen pro Jahr, während es mit Methionin nur eine pro Jahr war. Die Ergebnisse sind aber nicht auf die Allgemeinheit übertragbar – weder auf Frauen noch auf gesunde Menschen ohne Rückenmarksverletzung. Beide Studien hatten darüber hinaus noch andere grobe Mängel, die ihre Aussagekraft schmälern (welche, erklären wir weiter unten im Abschnitt „Die Studien im Detail“). Ob Methionin hilft oder nicht, können die bisherigen Untersuchungen daher nicht beantworten. Auch Nebenwirkungen schlecht untersucht Sind Mittel mit Methionin gut verträglich? Das ist ebenfalls nicht gut untersucht. Die Produktinformationen von Arzneimitteln mit Methionin nennen als mögliche Nebenwirkungen Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Schläfrigkeit und Reizbarkeit [Quelle 5]. Wie häufig diese unerwünschten Wirkungen sind, ist nicht angegeben. Wie soll Methionin wirken? Methionin ist eine Aminosäure – also ein Bestandteil von vielen Proteinen. Sie wird vom Körper auch selbst hergestellt. Beim Abbau von Methionin im Körper entsteht eine Substanz, die den Urin ansäuert. Manche Fachleute vermuten, dass ein saurer Urin wiederkehrende Blasenentzündungen verhindern kann. Die Theorie: Saurer Urin soll verhindern, dass sich Bakterien in der Blase vermehren und an die Schleimhaut anheften. Was tun gegen Blasenentzündung? Was können Frauen probieren, bei denen sich immer wieder die Blase entzündet? Zur Vorbeugung wird häufig empfohlen, direkt nach dem Sex die Blase zu entleeren, um Bakterien aus der Harnröhre zu spülen. Auch viel zu trinken soll diesen Effekt haben. Ob das tatsächlich hilft, ist zwar nicht gut untersucht, aber einen Versuch wert, weil dadurch vermutlich kein Schaden entsteht [Quelle 3]. Wenn solche Maßnahmen nicht ausreichen, können die betroffenen Frauen mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über eine vorbeugende Einnahme von Antibiotika sprechen – etwa für sechs bis zwölf Monate. Antibiotika senken das Risiko für eine erneute Blasenentzündung deutlich, bringen aber auch häufig unangenehme Nebenwirkungen wie Durchfall oder Pilzinfektionen in der Scheide mit sich. Außerdem kann es passieren, dass Erreger mit der Zeit unempfindlich (resistent) gegen das Antibiotikum werden. Möglicherweise kann die regelmäßige Einnahme von Cranberry-Saft oder Cranberry-Extrakt helfen. Für andere Mittel wie Mannose oder eine Impfung gibt es bisher keine überzeugenden Wirknachweise [Quelle 4]. Weiterführende gesicherte Informationen zu Vorbeugung und Behandlung von Blasenentzündungen finden Sie auf der Seite Gesundheitsinformation.de des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und auf der Seite Gesundheit.gv.at. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Ob Methionin Blasenentzündungen vorbeugen kann, lässt sich am aussagekräftigsten in einer sogenannten randomisiert-kontrollierten Studie untersuchen. Dabei werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe nimmt Methionin ein, die andere ein Scheinpräparat oder ein anderes Medikament, für das eine vorbeugende Wirkung gesichert ist. Bei der Suche in mehreren Datenbanken haben wir zwei solche Studien gefunden [Quellen 1,2]. Eine wurde durch den Hersteller eines Methionin-Präparats finanziert [Quelle 2], für die andere haben wir keine entsprechenden Angaben gefunden. In der einen Studie [Quelle 1] haben die Forschungsteams knapp zwei Jahre lang Methionin mit dem älteren Antibiotikum Nalixidinsäure verglichen, in der anderen über einen Zeitraum von rund neun Monaten mit einem Scheinmedikament [Quelle 2]. Wie aussagekräftig sind diese Studien? Leider können die beiden Studien [Quellen 1,2] nicht beantworten, ob Methionin die behauptete vorbeugende Wirkung hat. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zu wenige Teilnehmende: An der einen Studie nahmen 33 Personen teil [Quelle 1], an der anderen 89 Personen [Quelle 2]. Das ist zu wenig, um die Ergebnisse auf alle Betroffenen verallgemeinern zu können. Veralteter Vergleich: Das Antibiotikum, mit dem eine der Studien [Quelle 1] Methionin verglich, wird heutzutage nicht mehr zur Vorbeugung von Blasenentzündungen eingesetzt. Wie Methionin im Vergleich zu heutigen Antibiotika abschneidet, lässt sich deshalb nicht abschätzen. Fehlende Daten: In beiden Studien [Quelle 1] fehlen wichtige Details, um die Verlässlichkeit der Ergebnisse beurteilen zu können. In der anderen Studie [Quelle 2] wurden nicht alle Testpersonen in der Auswertung berücksichtigt. Wissenschaftliche Quellen [1] Fünfstück et al. (1997) Reinfektionsprophylaxe durch L-Methionin bei Patienten mit einer rezidivierenden Harnwegsinfektion. Med Klin 1997, 92, 574-581 (Zusammenfassung der Studie) [2] Günther et al. (2002) Harnwegsinfektprophylaxe: Urinansäuerung mittels L-Methionin bei neurogener Blasenfunktionsstörung. Urologe (B) 2002, 42: 218–220 (Zusammenfassung des Artikels) [3] IQWIG (2023) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Blasenentzündungen vorbeugen. Abgerufen am 31.5.2024 unter gesundheitsinformation.de [4] UpToDate (2023) Recurrent simple cystitis in women. Abgerufen am 20.5.2024 unter uptodate.com (kostenpflichtig) [5] Fachinformation Acimethin Stand März 2021. Abgerufen am 31.5.2024 unter ratiopharm.de Versionsgeschichte 3.7.2024: erste Version Schlagworte AminosäureBlasenentzündungHarnblaseHarnwegsinfektMethionin In über 500 Faktenchecks suchen