Startseite ● Kurkuma: Stimmungsmacher bei Depression? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Kurkuma: Stimmungsmacher bei Depression? Depressionen sind eine häufige Erkrankung. Kann das indische Gewürz Kurkuma helfen, der Freudlosigkeit und inneren Leere zu entfliehen? 14. Dezember 2017 AutorIn: Claudia Christof Review: Jörg Wipplinger Teilen Kann Kurkuma die Symptome von Depressionen lindern? wissenschaftliche Belege fehlen Es ist unklar, ob Kurkuma bei Depressionen helfen kann. Die Studien zu dieser Frage, die es gibt, sind nur von bescheidener Qualität. so arbeiten wir Das Gewürz aus der Kurkuma-Wurzel verleiht Gerichten Farbe © DIA – fotolia.com Was haben Curryhuhn, Kichererbsencurry und Depressionen gemeinsam? Bei allen dreien soll Kurkuma, ein Gewürz aus der Familie der Ingwergewächse, mehr Farbe ins Leben bringen. Im Fall der leckeren Currygerichte hat diese Behauptung sicher ihre Berechtigung. Aber hilft Kurkuma auch Menschen, die an Depression leiden? Depression kann alle treffen Jeder Mensch fühlt sich hin und wieder unglücklich, lustlos und niedergeschlagen. Derartige Phasen sind Teil des Lebens und gehen normalerweise wieder vorbei. Hält die negative Stimmung aber über einen längeren Zeitraum an oder verschlimmert sich sogar, steckt manchmal eine ernstzunehmende Erkrankung dahinter: eine Depression. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass rund 350 Millionen Menschen weltweit an einer Depression leiden [17]. Dann ist die Stimmung dauerhaft im Keller, und ständiges Grübeln, Erschöpfung und Antriebslosigkeit erschweren den Alltag. Im schlimmsten Fall kann das Gefühlschaos auch mit Selbstmord enden. Depressionen sind die häufigste Ursache für den Freitod [13, 15]. Stimmungsaufheller Kurkuma? Viele Betroffene scheuen aus Scham und Vorurteilen gegenüber psychischen Erkrankungen den Weg zu Ärztin oder Psychiater. Medikamente bringen nicht immer den gewünschten Erfolg oder werden wegen der relativ häufigen Nebenwirkungen nicht konsequent genug eingenommen [2, 3][16]. Manche Betroffene möchten auch selbst aktiv werden und suchen nach alternativen Auswegen. Bei ihrer Suche finden sie im Internet zahlreiche verheißungsvolle Angebote, die ein Entkommen aus dem Stimmungstief versprechen. Eines dieser Angebote sind Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform, die den gelben Pflanzenfarbstoff Curcumin enthalten. Angeblich soll die Substanz die Symptome einer Depression bessern – ganz ohne ärztliche Verschreibung. Die wissenschaftliche Beweislage für eine Wirksamkeit von Kurkuma bei Depressionen ist allerdings dürftig. Es gibt zwar einige verheißungsvolle Tierstudien, die auf eine mögliche Wirksamkeit bei Depression schließen lassen [7–10]. Die Ergebnisse von Untersuchungen an Tieren können allerdings nicht kurzerhand auf den Menschen übertragen werden. Über die Art und Weise, wie Kurkuma eine Depression positiv beeinflussen könnte, gibt es derzeit nur Spekulationen. So wird etwa gemutmaßt, dass Kurkuma die Verfügbarkeit des Stimmungs-Botenstoffes Serotonin im Gehirn verbessere und so den Verlauf einer Depression beeinflussen könnte [11, 12]. Auf Basis bisher durchgeführter klinischer Studien am Menschen können wir nicht sagen, ob Kurkuma die Symptome einer Depression tatsächlich lindern kann. Die derzeit vorhandenen Studien sind von schlechter Qualität und liefern keine überzeugenden Ergebnisse darüber, ob die Wurzel wirkt oder nicht [1–6]. Keine schweren Nebenwirkungen Kurkuma-Präparate werden in der Regel gut vertragen. Am häufigsten gibt es Klagen über leichte Magen-Darm-Probleme wie Blähungen oder Sodbrennen. Auch allergische Reaktionen sind möglich. Da unklar ist, wie sich Kurkumamittel bei schwangeren und stillenden Frauen sowie bei Kindern auswirken, rät die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA für diese Personengruppen von einer Einnahme ab [12] [14]. Was hilft sonst? Vielen Depressiven helfen psychotherapeutische Methoden [18]. Meist wird auch eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva verschrieben. Allerdings sprechen nicht alle auf jedes Medikamente gleich gut an. So können bei einer schweren Form der Depression bestimmte Antidepressiva zwar helfen, bei leichteren Formen ist dies aber nicht immer so. Auf die teils strittige Wirksamkeit von Antidepressiva ist Medizin-transparent.at schon in einem früheren Artikel eingegangen. Behandlungsmethoden wie Johanniskraut oder Sport und Bewegung können in bestimmten Fällen die Symptome einer Depression lindern. Ayurvedisches Heilmittel Kurkuma bereichert nicht nur die indische und asiatische Küche als fester Bestandteil von Curry-Gewürzmischungen. In der indischen Volksheilkunde Ayurveda hat die Wurzel auch eine lange Tradition als Heilmittel. Auch in unseren Breiten haben Kurkuma-Präparate Einzug gehalten. Ob Verdauungsprobleme, Alzheimer oder Rheuma, als Nahrungsergänzungsmittel soll Kurkuma angeblich bei einer Fülle von Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen helfen. Die EMA bescheinigt dem Gewürz bei leichten Verdauungsbeschwerden eine Wirksamkeit als traditionelles Heilmittel [12, 14]. Wie wir in einem früheren Artikel schon berichtet haben, ist eine mögliche Wirksamkeit von Kurkuma bei Krebs wissenschaftlich nicht gut erforscht und daher völlig unklar. Die Studien im Detail Bei unserer Recherche haben wir sechs Studien [1-6] gefunden, in denen die Wirksamkeit von Kurkuma bei depressiven Menschen untersucht wurde. Die meisten Untersuchungen offenbarten vermeintliche Verbesserungen von depressiven Symptomen. Bei genauerer Betrachtung fanden wir allerdings bei allen gröbere methodische Mängel. So waren die positiv gefärbten Ergebnisse oft das Resultat von persönlichen Interpretationen der Autoren oder Autorinnen und nicht gedeckt durch die statistischen Daten. Erwartungshaltung Ein wichtiges Qualitätskriterium bei der Durchführung von Studien ist eine gut durchgeführte Verblindung. Das bedeutet im Idealfall, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch die Behandelnden nicht wissen, wer die wirksame Substanz und wer ein Scheinpräparat erhält. In zwei Studien, die eine Wirksamkeit von Kurkuma bei Depressionen behandelten, gab es aber keine Verblindung. Bei einer weiteren Studie ist dies zumindest unklar [5]. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass allein die Erwartungshaltung der Behandelten eine scheinbare Besserung brachte [3,4]. Die meisten Studien hatten zu wenige Teilnehmer und Teilnehmerinnen, um aussagekräftig zu sein. Zwei Studien wurden zudem durch die Herstellerfirmen der Präparate zumindest mitfinanziert [1, 3]. Das kann zu Verzerrungen führen. Nur teilweise nachvollziehbar Auch bei einer im Jahr 2014 veröffentlichten randomisiert kontrollierten Studie war die Teilnehmerzahl mit nur 56 depressiven Personen sehr klein [1]. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Kurkumin im Vergleich zu einem Scheinpräparat. Positiv anzumerken ist, dass in dieser Untersuchung Qualitätsmerkmale wie beispielsweise Randomisierung, also die zufällige Zuteilung der Untersuchten zu einer der Behandlungsgruppen, und Verblindung durchgeführt wurden. Allerdings fehlen wichtige Eckdaten zu den Behandelten, etwa zur Schwere der Erkrankung oder zu zusätzlich eingenommenen Medikamenten. Auch hier war außerdem eine Herstellerfirma von Curcumin-Kapseln in die Finanzierung mit eingebunden. Wissenschaftliche Quellen [1] Lopresti u.a. (2014) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie mit doppelter Verblindung Teilnehmende: 56 Personen mit Depression Untersuchungsdauer: 8 Wochen Fragestellung: Hilft Kurkuma besser gegen Depression und Angst als Placebo? Interessenskonflikte: Finanzierung durch Hersteller Curcumin for the treatment of major depression: a randomised, double-blind, placebo controlled study. J Affect Disord. 2014;167:368-75. doi: 10.1016/j.jad.2014.06.001. Epub 2014 Jun 11 (Zusammenfassung der Studie) [2] Bergman u.a. (2013) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie mit doppelter Verblindung Teilnehmende: 40 Personen mit Depression Untersuchungsdauer: 5 Wochen Fragestellung: Hilft Kurkuma in Kombination mit Antidepressiva besser bei einer Depression als Placebo in Kombination mit Antidepressiva? Interessenskonflikte: keine laut Autoren Curcumin as an add-on to antidepressive treatment: a randomized, double-blind, placebo-controlled, pilot clinical study. Clin Neuropharmacol. 2013 May-Jun;36(3):73-7 (Zusammenfassung der Studie) [3] Sanmukhani u.a. (2013) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie ohne Verblindung Teilnehmende: 40 Personen mit Depression Untersuchungsdauer: 6 Wochen Fragestellung: Hilft Kurkuma oder Kurkuma in Kombination mit Antidepressiva besser gegen Depression als Antidepressiva alleine? Interessenskonflikte: Kukurmin-Kapseln von Hersteller zur Verfügung gestellt Efficacy and safety of curcumin in major depressive disorder: a randomized controlled trial. Phytother Res. 2014 Apr;28(4):579-85 (Volltext der Studie) [4] Panahi u.a. (2014) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie ohne Verblindung Teilnehmende: 111 Personen mit Depression Untersuchungsdauer: 8 Wochen Fragestellung: Hilft Kurkuma in Kombination mit Antidepressiva besser gegen Depression Antidepressiva alleine? Interessenskonflikte: keine laut Autoren Investigation of the efficacy of adjunctive therapy with bioavailability-boosted curcuminoids in major depressive disorder. Phytother Res. 2015 Jan;29(1):17-21. (Zusammenfassung der Studie) [5] Esmaily u.a. (2015) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Crossover-Studie mit doppelter Verblindung Teilnehmende: 30 stark übergewichtige Personen mit Depression Untersuchungsdauer: 60 Tage Fragestellung: Hilft Kurkuma besser gegen Depression und Angst als Placebo? Interessenskonflikte: keine laut Autoren An investigation of the effects of curcumin on anxiety and depression in obese individuals: A randomized controlled trial. Chin J Integr Med. 2015 May;21(5):332-8. doi: 10.1007/s11655-015-2160-z. Epub 2015 Mar 17 (Zugang zu Volltext der Studie) [6] Yu u.a. (2015) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie mit doppelter Verblindung Teilnehmende: 100 Männer mit Depression Untersuchungsdauer: 6 Wochen Fragestellung: Hilft in Kombination mit Antidepressiva besser gegen Depression als Placebo in Kombination mit Antidepressiva? Interessenskonflikte: keine laut Autoren Chronic Supplementation of Curcumin Enhances the Efficacy of Antidepressants in Major Depressive Disorder: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Pilot Study. EBM Reviews – Cochrane Central Register of Controlled TrialsJournal of clinical psychopharmacology. 35 (4 // 30870895 (NSFC) *National Natural Science Foundation of China*):406-10, 2015 (Zusammenfassung der Studie) Weitere wissenschaftliche Quellen [7] Zhao u.a. (2013) Chronic curcumin treatment normalizes depression-like behaviors in mice with mononeuropathy: involvement of supraspinal serotonergic system and GABAA receptor. Psychopharmacology (Berl). 2014 May;231(10):2171-87 (Volltext der Studie) [8] Benammi u.a. (2014) A blunted anxiolytic like effect of curcumin against acute lead induced anxiety in rat: involvement of serotonin. Acta Histochem. 2014 Jun;116(5):920-5 (Zusammenfassung der Studie) [9] Wang u.a. (2014) The effects of curcumin on depressive-like behavior in mice after lipopolysaccharide administration, Behav Brain Res. 2014 Nov 1;274:282-90 (Zusammenfassung der Studie) [10] Wu u.a. (2014) Curcumin boosts DHA in the brain: Implications for the prevention of anxiety disorders. Biochim Biophys Acta. 2015 May;1852(5):951-61 (Volltext der Studie) [11] Seo u.a. (2015) Curcumin as a putative antidepressant. Expert Rev Neurother. 2015 Mar;15(3):269-80 (Zusammenfassung der Studie) [12] European Medicines Agency EMA (2009) Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): Assessment report on curcuma longa l. rhizoma. Abgerufen am 9.12.2016 unter http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/02/WC500070700.pdf [13] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2015) Depression. Abgerufen am 9.12.2016 unter https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/psychische-erkrankungen-depression.html [14] National Institutes of Health (2012) Tumeric. Abgerufen am 9.12.2016 unter https://nccih.nih.gov/health/turmeric/ataglance.htm [15] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG (2009) Leitliniensynopse zum Thema Depression. Abgerufen am 9.12.2016 unter https://www.iqwig.de/download/V15-02_Berichtsplan_Leitliniensynopse-fuer-ein-DMP-Depressionen.pdf [16] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG (2015) Wie wirksam sind Antidepressiva? Abgerufen am 9.12.2016 unter https://www.gesundheitsinformation.de/wie-wirksam-sind-antidepressiva.2125.de.html?part=behandlung-yi [17] Deutsches Bundesministerium für Gesundheit (2015) Depression. Abgerufen am 9.12.2016 unter http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/depression.html [18] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG (2012) Behandlungsmöglichkeiten bei einer Depression. Abgerufen am 9.12.2016 unter https://www.gesundheitsinformation.de/behandlungsmoglichkeiten-bei-einer-depression.2125.de.html?part=behandlung-f4 Versionsgeschichte Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 29.2.2016. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine Änderungen. Schlagworte CurcumaCurryDepressionGewürzKurkumaNahrungsergänzungsmittelPsyche und Gemüt In über 500 Faktenchecks suchen