Kolloidales Silber zum Trinken gegen Viren und Bakterien?

Kolloidales Silber wird als Lösung zum Trinken gegen eine Infektion mit Bakterien und Viren beworben. Das ist nicht belegt und daher unseriös.

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Wirkt kolloidales Silber („Silberwasser“) gegen eine Infektion mit Krankheitserregern? Hat es einen anderen gesundheitlichen Nutzen?

Ob kolloidales Silber Infekte und andere Krankheiten heilen kann oder vorbeugend wirkt, ist nie in aussagekräftigen Studien untersucht worden. Behauptungen zur Wirksamkeit von Silberwasser sind daher aus der Luft gegriffen. Gesichert ist hingegen, dass das Trinken von kolloidalem Silber die Haut blau-grau verfärben kann.

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Silber ist in Form winzigster Nanoteilchen Bestandteil von kolloidaler Silberlösung. Dass in Wasser gelöstes Silber die Gesundheit fördert, ist eine unseriöse Behauptung.
© Bjoern-Wylezich – Shutterstock.com

Ein „natürliches“ Mittel zum Einnehmen, das Keime abtötet und auf vielfältige Weise das Immunsystem stärkt: Genau das soll kolloidales Silber sein. Zumindest, wenn man den zahlreichen Internetseiten glaubt, auf denen das Mittel beworben oder zum Kauf angeboten wird.

Kolloidales Silber ist eine Lösung winziger, Nanometer-kleiner Silberteilchen in Wasser. Es wird auch als Silberwasser bezeichnet.

Zu schön, um wahr zu sein

Rund um die Silberlösung ranken sich zahlreiche Gesundheits-Mythen: Kolloidales Silber soll angeblich gegen Grippe, eine Corona-Infektion, Ohrenschmerzen oder Magenschmerzen helfen. Selbst als Mittel gegen Borreliose oder eine HIV-Infektion wird es beworben.

Etliche Webseiten bieten fertige Lösungen mit kolloidalem Silber zum Kauf an. Manche Onlineshops vertreiben Geräte für die Herstellung zuhause. Wer wissen möchte, in welcher Dosierung man das Silberwasser für die beste Wirksamkeit schlucken soll, findet auf den Webseiten allerdings keine oder widersprüchliche Informationen.

Kolloidales Silber nicht erforscht

Wir haben nach Hinweisen für die vermeintlichen Wirkungen gegen Infektionen oder andere Erkrankungen gesucht. Dazu durchforsteten wir mehrere Studiendatenbanken nach Forschungsergebnissen. Doch wir konnten keine aussagekräftigen Studien finden.

Weil nie seriös erforscht, gibt es keine Belege dafür, dass das Trinken von kolloidalem Silber gegen Krankheitserreger etwas ausrichten kann. Auch für andere angebliche Wirkungen auf die Gesundheit gibt es keine wissenschaftlichen Hinweise.

Die zahlreichen Behauptungen rund um Heilung, Linderung oder Vorbeugung durch kolloidales Silber sind also aus der Luft gegriffen.

Der Mensch ist kein Reagenzglas

Zwar zeigen Laborexperimente, dass Silberlösungen im Reagenzglas krankheitserregende Mikroorganismen bekämpfen können [3]. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass kolloidales Silber auch im menschlichen Körper gegen Krankheitserreger wirkt.

Völlig unklar ist beispielsweise, ob das aufgenommene kolloidale Silber überhaupt in die von Krankheitserregern infizierten Gewebe transportiert wird. Und selbst wenn: Ob die Silberkonzentration dort ausreichend hoch wäre, um einerseits Krankheitserreger abzutöten und dabei gleichzeitig keine ernsten Nebenwirkungen auszulösen, ist ebenfalls fraglich.

Silber-Nasentropfen ohne erwiesene Wirkung

Nicht nur zum Trinken wird kolloidales Silber angepriesen. Es gibt auch Nasentropfen, die angeblich gegen Erkältungsviren und Bakterien wirken sollen.

Dafür gibt es ebenfalls keinerlei Belege. Bei unserer Recherche stießen wir zwar auf zwei Studien mit Kindern und Erwachsenen [1,2], in denen Nasensprays mit kolloidalem Silber untersucht wurden.

Die beiden Studien sind jedoch äußerst mangelhaft, und ihre Ergebnisse zur Wirksamkeit bei Erkältungen und Entzündungen in der Nase sind nicht aussagekräftig.

Nebenwirkung: Blaue Haut

Gut belegt ist hingegen, dass die längerfristige Einnahme von kolloidalem Silber und anderen Silberverbindungen eine langfristige blau-graue Verfärbung der Haut verursachen kann. Diese ist dann im Gesicht, an den Armen und Händen sichtbar.

Im Fachjargon heißt diese Verfärbung Argyrie. Sie entsteht durch Einlagerungen von Silber in der Haut. Fallberichte legen nahe, dass eine solche Verfärbung dauerhaft ist [6-8].

Betroffene sind etwa der US-amerikanische Lokalpolitiker Stan Jones [4] oder der 2013 verstorbene US-Amerikaner Paul Karason [5], wie Medien berichtet haben.

Auch die 1942 geborene US-Amerikanerin Rosemary Jacobs bekam im Alter von 14 Jahren Argyrie, weil sie regelmäßig silberhaltige Nasentropfen gegen Erkältungen verwendet hatte. Bis heute ist ihre Haut gräulich gefärbt [9].

Nicht ausgeschlossen ist, dass kolloidales Silber oder andere Silberverbindungen neben Argyrie noch weitere unerwünschte Wirkungen haben können. Dies ist bisher jedoch unzureichend erforscht [10].

Silber für Wunden und Zähne

Kolloidales Silber, also in Wasser gelöste winzige Silberteilchen, werden in der wissenschaftlich fundierten Medizin nicht verwendet. Andere Formen von Silber kommen sehr wohl zum Einsatz. So nutzen Ärztinnen und Ärzte die keimhemmende Wirkung von Silberteilchen, etwa indem sie Verbrennungen mit silberbeschichteten Wundauflagen bedecken. Bisher veröffentlichte Studien zeigen, dass Brandwunden mit Silberverbänden rascher heilen könnten als herkömmliche Verbände [3,11].

Manche Zahnärzte verwenden Silberverbindungen zur Behandlung von Milchzahn-Karies. Diese Behandlung kann jedoch die betroffene Stelle am Zahn dunkel verfärben. Auch eine vorübergehende Verfärbung von Zahnfleisch und Mundschleimhaut ist möglich [12].

Um 1900 herum waren kolloidales Silber oder gelöste Silbersalze beliebte Desinfektionsmittel. Trotz fehlender Belege für die Wirksamkeit war es auch als Mittel zum Einnehmen verbreitet – etwa gegen Erkältungen oder andere Krankheiten.

Ende der 1930er Jahre warnten manche Ärztinnen und Ärzte vor der manchmal damit verbundenen Hautverfärbung [13]. Mit der Entdeckung von Penicillin und anderen Antibiotika ab den 1940er Jahren ging der Einsatz von silberhaltigen Arzneimitteln zurück.

Die Studien im Detail

Ob kolloidales Silber gegen Infektionen mit Krankheitserregern oder bei anderen Gesundheitsproblemen hilft, können nur randomisiert-kontrollierte Studien beantworten. Dabei werden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die erste Gruppe erhält eine Lösung mit kolloidalem Silber, während die zweite Gruppe zwecks Vergleich eine Silber-freie Lösung bekommt.

Idealerweise wissen weder die Teilnehmenden noch das Studienpersonal, wer mit welchem Mittel behandelt wird. Diese „Verblindung“ soll sicherstellen, dass das Ergebnis nicht durch Erwartungen der Studienbeteiligten verzerrt wird.

Bei unserer Suche in zwei Forschungsdatenbanken fanden wir zwei randomisiert-kontrollierte Studien [1,2]. Beide waren mangelhaft und dadurch nicht aussagekräftig.

Lückenhafte Datensammlung

In der größeren Studie nahmen 100 italienische Kinder zwischen 0 und 12 Jahren teil. Alle waren erkältet. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt.

Eine Gruppe sollte sieben Tage lang Nasentropfen einnehmen, die kolloidales Silber und Carboxymethyl-Beta-Glucan (eine Stärke-ähnliche Substanz) enthielten. Das Nasentropfen-Präparat ist in Italien rezeptfrei erhältlich.

Die andere Gruppe sollte sieben Tage lang Nasenspülungen mit Salzwasser durchführen. Jeweils zu Beginn und am Ende der Studie sollten die Eltern einerseits mittels Fragebogen angeben, wie krank sich ihre Kinder fühlten. Außerdem sollten sie auf einer Skala von 0 bis 10 den Gesundheitszustand ihres Kindes einschätzen.

Dem Forschungsteam zufolge sollen die Nasentropfen Erkältungen besser lindern können als Spülungen mit Salzwasser. Denn die Fragebogen-Auswertung ergab für die Silber-Nasentropfen einen Vorteil von rund 3 Punkten, wobei maximal 54 Punkte „erreichbar“ waren (bei maximaler Krankheit, z. B. durch Kopfweh, Unwohlsein, Fieber. Appetitlosigkeit). Allerdings waren die Werte der Silbergruppe bereits vor Studienbeginn um 2 Punkte besser als die der Salzwasser-Gruppe. Ein Unterschied von 3 Punkten wäre viel zu klein, um für die Betroffenen als Verbesserung spürbar zu sein.

Auf der zusätzlich von den Eltern ausgefüllten 10er-Skala zeigte sich dem Forschungsteam zufolge für 44 Kinder ein Unterschied von rund 1,5 Punkten. Zu den restlichen 56 Kindern fehlen jedoch Angaben.
Nicht nur die Datenlücken lassen uns an der Aussagekraft der Studie zweifeln. Die fehlende Verblindung könnte die Ergebnisse zusätzlich verzerrt haben. Denn die teilnehmenden Kinder, Eltern und Mitglieder des Forschungsteams wussten, wer die Nasentropfen und wer die Salzwasser-Spülungen zur Behandlung bekamen.

Klein und unvollständig

Die zweite Studie [2] untersuchte 22 Erwachsene mit einer chronischen Entzündung von Nasenschleimhaut und Nebenhöhlen. Die Anzahl der Teilnehmenden ist zu klein für aussagekräftige Ergebnisse.

Die Teilnehmenden wurden per Zufall auf zwei Gruppen aufgeteilt: 12 bekamen einen Nasenspray mit Salzwasser, 10 einen Nasenspray mit kolloidaler Silber-Lösung.

Zwei Teilnehmende aus der Silbergruppe brachen die Studie ab. Somit blieben in dieser Gruppe lediglich 8 Personen für die Endauswertung, und wichtige Daten fehlen.

Nach 6-wöchiger Behandlung unterschieden sich die beiden Gruppen nicht wesentlich in ihren Beschwerden. Als die beiden Gruppen ihre Therapie für weitere 6 Wochen tauschten, zeigte sich kein Effekt. Für aussagekräftige Ergebnisse ist die Anzahl der Teilnehmenden jedoch viel zu gering.

[1] Damiani et al. (2011). Efficacy of a new medical device based on colloidal silver and carbossimetyl beta glucan in treatment of upper airways disease in children. Minerva Pediatrica, 63(5), 347-354. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Scott et al. (2017). The effectiveness of topical colloidal silver in recalcitrant chronic rhinosinusitis: a randomized crossover control trial. Journal of Otolaryngology-Head & Neck Surgery, 46(1), 1-6. (Studie in voller Länge)

[3] UpToDate (2023). Topical agents and dressings for local burn wound care. Abgerufen am 7.7.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/topical-agents-and-dressings-for-local-burn-wound-care (Zugang kostenpflichtig)

[4] BBC News (2002). True-blue bids for Senate. Abgerufen am 7.7.2023 unter http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/2297471.stm

[5] Psiram.com (2013). Paul Karason ist tot. Abgerufen am 7.7.2023 unter https://blog.psiram.com/2013/09/paul-karason-ist-tot/

[6] Wadhera & Fung (2005). Systemic argyria associated with ingestion of colloidal silver. Dermatology online journal, 11(1). (Fallbericht in voller Länge)

[7] Chang et al. (2006). A case of argyria after colloidal silver ingestion. Journal of cutaneous pathology, 33(12), 809-811. (Zusammenfassung des Fallberichts)

[8] Kim et al. (2009). A case of generalized argyria after ingestion of colloidal silver solution. American journal of industrial medicine, 52(3), 246-250. (Zusammenfassung des Fallberichts)

[9] Rosemary Jacobs (2010-2018). Rosemary’s Medical Blog. Abgerufen am 7.7.2023 unter http://rosemary-jacobs.blogspot.com/2010/07/

[10] EFSA (2016). Scientific opinion on the re‐evaluation of silver (E 174) as food additive. EFSA Journal, 14(1), 4364. (Bericht in voller Länge)

[11] Dynamed (2020)
Topical treatment and dressing of burns. Abgerufen am 31.3.2020 unter https://www.dynamed.com/management/topical-treatment-and-dressing-of-burns (Zugang kostenpflichtig)

[12] UpToDate (2023). Preventive dental care and counseling for infants and young children. Abgerufen am 7.7.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/preventive-dental-care-and-counseling-for-infants-and-young-children (Zugang kostenpflichtig)

[13] Hill & Pillsbury (1939). Hill WR, Pillsbury DM. Argyria, The Pharmacology of Silver. Argyria: the pharmacology of silver. (Buch in voller Länge)

  • 7.7.2023: keine neueren Studien gefunden
  • 10.5.2021: Keine neuen Forschungsergebnisse gefunden
  • 2.4.2020: Eine Aktualisierung-Recherche bringt keine neuen Forschungsergebnisse zutage. Text zu Corona-Virus ergänzt.
  • 13.6.2018: 2 Studien [1,2] ergänzt
  • 28.11.2013: erste Version

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