Schützt Indol-3-Carbinol aus Brokkoli vor Krebs?

Die Brokkoli-Substanzen Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan sollen Krebs vorbeugen und behandeln können. Diese Behauptung ist aus der Luft gegriffen.

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Können die Substanzen Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan Gebärmutterhalskrebs vorbeugen?

Sind Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan zur Behandlung oder Vorbeugung anderer Krebsarten wirksam?

Studien zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs zeigen, dass Diindolylmethan eher nicht wirksam ist. Zur Behandlung oder Vorbeugung von Krebs in anderen Organen existieren keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit von Indol-3-Carbinol oder Diindolylmethan untersucht haben.

so arbeiten wir
Hand mit Brokkoli Was kann Indol-3-Carbinol aus Brokkoli wirklich?
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Indol-3-Carbinol ist ein natürlicher Bestandteil von Brokkoli und anderen Gemüsesorten. Während der Verdauung entsteht daraus teilweise Diindolylmethan. Beide Substanzen sind auch als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Im Internet wird behauptet, dass Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan zur Krebstherapie und zur Krebsvorsorge eingesetzt werden können.

Diindolylmethan beugt Gebärmutterhalskrebs vor? Fehlanzeige

Bisherige Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Diindolylmethan Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs nicht besser zurückdrängen kann als ein Scheinpräparat (Placebo). Diindolylmethan wirkt also eher nicht vorbeugend gegen Gebärmutterhalskrebs. Die Forschungsarbeiten dazu sind jedoch nur eingeschränkt aussagekräftig [1, 3].

Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs werden in drei Schweregrade eingeteilt. Der schwerste Grad entwickelt sich bei jeder zweiten Frau zu Gebärmutterhalskrebs. Deshalb raten Ärztinnen und Ärzte dazu, das veränderte Gewebe der höchsten Stufe (CIN III) durch eine Operation entfernen zu lassen [5, 6]. Mehr zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs gibt es auf der Plattform Gesundheitsinformation.de.

Auch keine Nebenwirkung?

In der größeren Studie [3] zur Wirksamkeit von Diindolylmethan bei Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs wurden auch Nebenwirkungen untersucht. Die häufigste Nebenwirkung von Diindolylmethan war dunkler Urin. Schwere Nebenwirkungen traten nicht häufiger auf als in der Placebo-Gruppe.

Hilfe gegen andere Krebsarten? Keine wissenschaftlichen Belege

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Diindolylmethan oder Indol-3-Carbinol bei anderen Krebsarten wirken. Dazu konnten wir keine aussagekräftigen Studien mit menschlichen Teilnehmenden finden.

Wie kommt es zur Behauptung, dass Indol-3-Carbinol gegen Krebs hilft?

Die Vermutung, Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan können gegen Krebs wirken, stammt aus Labor-Experimenten und Tierstudien. Diese zeigten, dass die Substanzen verhindern können, dass Krebszellen entstehen und sich vermehren. Solche Studienarten können generell nur Hinweise liefern. Denn im menschlichen Körper können sich die Substanzen auch ganz anders verhalten als im Reagenzglas oder im Körper eines Versuchstiers [3, 4].

Krebs ist nicht gleich Krebs

Krebs bedeutet, dass die Bildung neuer Zellen im Körper außer Kontrolle gerät. So unterschiedlich die Zellarten im Körper sind (Hautzellen, Nervenzellen, Muskelzellen etc.), so unterschiedlich können auch Krebserkrankungen sein. Selbst innerhalb eines Organs kann Krebs verschiedenartig sein. Auch sind die Auslöser oder Risikofaktoren für eine Krebserkrankung verschieden.

Während sich das Risiko für Lungenkrebs durch das Rauchen stark erhöht, wird Brustkrebs durch Hormone beeinflusst und Gebärmutterhalskrebs in vielen Fällen durch Viren ausgelöst (Humane Papillom Viren). Deshalb braucht es auch unterschiedliche Behandlungsmethoden und Medikamente wie Bestrahlung, Chemotherapien, Immuntherapien oder Operationen.

Neue mögliche Wirkstoffe oder Behandlungsmethoden müssen daher für verschiedene Krebsarten einzeln auf ihre Wirkung und Nebenwirkung untersucht werden. Generell gibt es keine „einfache Lösung“ für das komplexe Problem Krebs. Es gibt nicht ein spezielles Gemüse, nicht nur eine Substanz, die das Krebsrisiko reduzieren oder Krebs gar heilen kann.

Mit Pflanzen gegen Krebserkrankungen?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt – basierend auf Forschungsergebnissen – eine Ernährung mit überwiegend pflanzlichen, ballaststoffreichen Lebensmitteln, um das Krebsrisiko so weit als möglich zu senken [7]. Industriell verarbeitete Lebensmittel dagegen könnten das Krebsrisiko erhöhen. Das haben wir bereits in einem anderen Faktencheck herausgefunden.

Aber nicht nur die Art der Lebensmittel, sondern auch Körpergewicht und Bewegung beeinflussen des Risiko für viele Krebsarten [7].

Mehr Informationen

Wissenschaftlich fundierte Informationen zur Krebsbehandlung und -vorbeugung gibt es beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Indol-3-Carbinol (I3C) und Diindolylmethan (DIM) zur Krebsbehandlung oder -vorbeugung wirken, lässt sich am besten in randomisierten Placebo-kontrollierten Studien untersuchen. Randomisiert bedeutet, dass die Studienteilnehmenden zufällig verschiedenen Gruppen zugeordnet werden. Die Behandlungsgruppe nimmt regelmäßig Tabletten/Kapseln mit dem Wirkstoff ein. Die Kontrollgruppe bekommt stattdessen ein Schein-Präparat (Placebo) – also Tabletten/Kapseln ohne Wirkstoff.

Nicht berücksichtigt haben wir Forschungsarbeiten, die untersucht haben, ob ein hoher Brokkolikonsum eine Anti-Krebs-Wirkung hat. Die Konzentration von Indol-3-Carbinol wäre in jedem Brokkoli anders. Außerdem besteht Brokkoli auch aus vielen anderen Stoffen. Es wäre daher nicht möglich, eine eventuelle Wirkung genau auf diesen einen speziellen Stoff zurückzuführen bzw. auf Diindolylmethan, das erst bei der Verdauung aus Indol-3-Carbinol entsteht.

Auch Untersuchungen zu Kombinationspräparaten von Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan haben wir aus unserer Suche ausgeschlossen – also Tabletten/Kapseln, die mehrere potentielle Wirkstoffe enthalten. Sind mehrere Stoffe in einem Präparat enthalten, kann man die Wirkung nicht auf einen speziellen Inhaltsstoff zurückführen.

Zur Krebsbehandlung mit Indol-3-Carbinol und Diindolylmethan konnten wir keine Studien finden. Und zur Krebsvorbeugung nur solche zur Behandlung von Gebärmutterhalskrebs-Vorstufen [1-3].

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Von den drei gefundenen Untersuchungen ist die aktuellste mit 603 Teilnehmenden auch die aussagekräftigste [3]. Sie untersuchte die Wirksamkeit von Diindolylmethan. Das Ergebnis: Diindolylmethan dürfte Gebärmutterhalskrebs im Vergleich zu einem Placebo eher nicht vorbeugen. Zu demselben Ergebnis kam eine weitere Studie mit 64 Studienteilnehmerinnen [1].
Allerdings berücksichtigte das Forschungsteam in der Studienauswertung weniger als 80 Prozent der Teilnehmenden. Denn viele brachen die Studie vorzeitig ab. Das kann die Ergebnisse verfälscht haben.

Eine dritte Studie [2] untersuchte die Wirksamkeit von Indol-3-Carbinol. Sie zeigte zwar eine vermeintlich positive Wirkung der Substanz. Mit nur 30 Teilnehmerinnen ist diese Studie allerdings viel zu klein für eine robuste Aussage. Eine aussagekräftige Studie sollte zumindest 300 Teilnehmerinnen untersuchen. Außerdem ist unklar, ob die Gruppen vor Studienbeginn vergleichbar waren. Denn möglicherweise sind die scheinbar positiven Ergebnisse durch die Unterschiede zu Beginn der Studie zustande gekommen und nicht durch die vermeintliche Wirkung von Indol-3-Carbinol.

[1] Del Priore et al. (2010) Oral diindolylmethane (DIM): pilot evaluation of a nonsurgical treatment for cervical dysplasia. Gynecol Oncol, 116(3), 464-467. (Link zur Studie)

[2] Bell et al. (2000) Placebo-controlled trial of indole-3-carbinol in the treatment of CIN. Gynecol Oncol, 78(2), 123-129. (Link zur Studie)

[3] Castañon et al. (2012) Effect of diindolylmethane supplementation on low-grade cervical cytological abnormalities: double-blind, randomised, controlled trial. Br J Cancer, 106(1), 45-52. (Link zur Studie)

[4] Amarakoon et al. (2023) Indole-3-Carbinol: Occurrence, Health-Beneficial Properties, and Cellular/Molecular Mechanisms. Annu Rev Food Sci Technol, 14, 347-366. (Link zur Studie)

[5] Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) (2018) Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs. Abgerufen am 20.07.2023 unter krebsinformationsdienst.de

[6] IQWiG. (2021) Gewebeveränderungen am Muttermund (Dysplasien). Abgerufen am 24.07.2023 unter gesundheitsinformation.de

[7] Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) (2019) Ernährung und Krebsvorbeugung. Abgerufen am 24.07.2023 unter krebsinformationsdienst.de

  • 9. 8. 2023: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks.

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