Dieser Beitrag ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Vitamin D schützt nicht vor Krebs

Vitamin D wird eine ganze Reihe von positiven gesundheitlichen Effekten zugeschrieben. Dass die regelmäßige Einnahme Krebs verhindern kann, ist jedoch unwahrscheinlich.

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Senkt die regelmäßige Einnahme von Vitamin D das Risiko für Krebs bei Erwachsenen?

Studien mit einer Laufzeit von bis zu sieben Jahren und insgesamt rund 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben keinen Effekt finden können.

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© Jürgen Fälchle - fotolia.com Sonnenvitamin D als Hoffnung gegen Krebs?
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Zu den großen Schreckgespenstern der modernen Welt gehört Krebs. Die Furcht vor belastenden Behandlungen und einem vorzeitigen Tod bewegt viele Menschen dazu, an Früherkennungsuntersuchungen teilzunehmen und sich über Möglichkeiten zur Vorbeugung zu informieren [2]. Oft werden dafür auch verschiedene Nahrungsergänzungsmittel angepriesen – wir haben zum Beispiel bereits über Kurkuma, Ingwer und Grünen Tee berichtet. Auch Vitamin D gehört zu den Substanzen, die angeblich das Risiko für Krebs senken sollen.

Sonne und Nahrung

Das fettlösliche Vitamin D gehört zu den wenigen Vitaminen, die der menschliche Körper selbst bilden kann. Unter dem Einfluss von UV-Strahlung entsteht das „Sonnenvitamin“ in der Haut. Nur wenige Nahrungsmittel enthalten von Natur aus Vitamin D, darunter fetter Seefisch wie Hering, Makrele oder Lachs, aber auch Leber und Hühnereier. Im Körper ist Vitamin D vor allem für den Einbau von Calcium in die Knochen zuständig und an der Regulation des Calcium- und Phosphathaushaltes beteiligt [3].

Niedriger Vitamin-D-Spiegel, erhöhtes Risiko?

Ein starker Mangel an dem Vitamin kann bei Kindern die Knochenschwäche Rachitis auslösen und bei Erwachsenen die Knochendichte beeinträchtigen [6]. Ob ein nur leicht erniedrigter Vitamin-D-Spiegel die Gesundheit ebenfalls beeinträchtigen kann, diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon seit langem. Grund für diese Vermutung sind Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Vitamin D auch viele andere Organe und Vorgänge im Körper beeinflusst.

Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten auch vor Krankheiten schützen muss. Bisherige Studien deuten beispielsweise darauf hin, dass zusätzlich eingenommenes Vitamin D die Wahrscheinlich für Infektionserkrankungen nicht senken kann. Auch die Herzgesundheit scheinen Vitamin-D-Präparate nicht verbessern zu können [7].

Hinzu kommt, dass es für „niedrige“ Vitamin-D-Spiegel verschiedene Grenzwerte gibt, die kontrovers diskutiert werden. Häufig ziehen Fachleute die Definition des US-amerikanischen Institute of Medicine heran: Danach gilt ein Wert von 20 ng/ml (50 nmol/l) als Zielwert für die Vitamin-D-Konzentration im Blut [1]. Nach dem Österreichischen Ernährungsbericht 2012 erreichten diesen Wert nur rund 60 Prozent aller untersuchten Erwachsenen [4].

Dass Vitamin D theoretisch vor Krebs schützen könnte, mag auf den ersten Blick einleuchtend klingen: Laboruntersuchungen und Tierstudien liefern Hinweise darauf, dass das Vitamin auf die Entstehung von Krebszellen einwirken könnte. Zudem beeinflusst Vitamin D das Immunsystem, das für die Abwehr von Krebszellen wichtig ist [5]. Diese Erkenntnisse lassen allerdings nicht darauf schließen, dass die regelmäßige Einnahme von Vitamin D das Krebsrisiko auch im richtigen Leben verhindern kann. Dafür sind klinische Studien an Menschen nötig.

Vitamin D kann Krebs nicht verhindern

Solche Studien sind auch tatsächlich durchgeführt worden. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 hat ein Forschungsteam alle bisher veröffentlichten Untersuchungen dazu zusammengefasst – insgesamt waren es 18 Studien mit rund 50.000 Personen [1]. Aktuellere Studien haben wir in einer umfangreichen Literaturrecherche nicht finden können.

Die zusammengefassten Daten all dieser Studien sind ernüchternd: Für die Häufigkeit von Krebs macht es wahrscheinlich keinen Unterschied, ob man Vitamin-D-Präparate einnimmt oder nicht. In den Studien spielte es keine Rolle, ob der Vitamin-D-Spiegel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer anfangs niedrig oder normal war. Auch hatte es keinen Einfluss, ob die Nahrungsergänzungsmittel nur über wenige Monate oder mehrere Jahre eingenommen wurden und wie hoch sie dosiert waren.

Die Forscher geben auch eine mögliche Erklärung für das ernüchternde Ergebnis: Möglicherweise ist ein niedriger Vitamin-D-Spiegel gar nicht die Ursache für bestimmte Erkrankungen, sondern lediglich die Folge. Das wäre etwa dann der Fall, wenn kränkere Menschen seltener nach draußen in die Sonne gehen als gesündere und deshalb weniger Vitamin D bilden.

Relevante Nebenwirkungen waren in den Studien, die ausschließlich Vitamin-D-Präparate untersuchten, keine aufgetreten. Bei Personen, die allerdings eine Kombination aus Vitamin D und Calcium einnahmen, kam es häufiger zu Nierensteinen.

Mehr Aufschluss?

Grundsätzlich besteht bei Studien zur Vorbeugung von Erkrankungen immer das Problem, dass die Untersuchungen lange genug laufen müssen, um überhaupt einen Effekt sehen zu können. Da Krebserkrankungen relativ selten sind, müssen auch viele Menschenin solche Studien eingeschlossen werden. Und es müssen umso mehr sein, je kleiner der schützende Effekt durch die jeweilige Maßnahme ausfällt. Trotz der großen Teilnehmerzahl könnte es theoretisch deshalb sein, dass in den Studien immer noch nicht genügend Menschen untersucht worden sind und deshalb kein Effekt gefunden wurde. Allerdings haben die Fachleute mit Hilfe von statistischen Verfahren berechnet, dass ein möglicher schützender Effekt von Vitamin D, wenn es ihn doch geben würde, sehr niedrig wäre.

In den nächsten Jahren wird sich der Kenntnisstand zu einem möglichen schützenden Effekt von Vitamin D vermutlich noch vergrößern. Derzeit laufen zwei große Studien [8,9], die den Einfluss des Vitamins auf die Gesamtsterblichkeit sowie die Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten untersuchen. Beide Studien untersuchen jeweils rund 25.000 Personen im mittleren Alter in den USA beziehungsweise Australien über einen Zeitraum von fünf bzw. 15 Jahren.

Die Studien im Detail

Für ihre systematische Übersichtsarbeit suchte das Autorenteam nach allen randomisiert kontrollierten Studien, die bis Februar 2014 veröffentlicht worden waren. Insgesamt fanden sie 18 solcher Studien [1].

Die zusammengefassten Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bis zu sieben Jahre nach Studienbeginn nicht häufiger an Krebs erkrankten, wenn sie regelmäßig Vitamin-D-Präparate genommen hatten.

Die Daten scheinen zwar auch anzudeuten, dass die regelmäßige Einnahme von Vitamin D die Wahrscheinlichkeit senkt, an Krebs zu sterben. Die Verfasser der Übersichtsarbeit vermuten jedoch, dass es sich dabei um einen Zufallsbefund handelt; darauf deutet jedenfalls eine tiefergehende statistische Analyse hin.

Insgesamt umfassten alle Studien zusammengenommen rund 50.000 Personen. Allerdings waren die Teilnehmerzahlen in den Einzelstudien sehr unterschiedlich und lagen zwischen 70 und 36.000. Die Beobachteten waren zwischen 47 und 97 Jahren alt (im Mittel 69 Jahre) und überwiegend Frauen. Außer in zwei Studien wurden nur gesunde Menschen untersucht. In den Studien wurden verschiedene Krebsarten erfasst, vor allem Lungen-, Brust- und Dickdarmkrebs.

Alle Studien wurden in Industrieländern durchgeführt. In neun Studien hatten die Teilnehmenden ausreichende Vitamin-D-Spiegel (mindestens 20 ng/ml), in sieben Studien lagen die Spiegel darunter, zwei Studien machten zu diesem Aspekt keine Angaben. Zum Einsatz kamen verschiedene Vitamin-D-Präparate, teilweise auch in Kombination mit Calcium in Form von Tabletten oder Kapseln. Die Nahrungsergänzungsmittel wurden unterschiedlich hoch und häufig dosiert; berechnet auf einen Tag lagen die Dosierungen zwischen 300 und 3333 Internationalen Einheiten. Die Präparate wurden zwischen fünf Monaten und sieben Jahre lang eingenommen.

Die meisten Studien wurden von den Herstellern der jeweiligen Mittel finanziert, daher bewerteten die Autoren der Übersichtsarbeit das Risiko für verzerrte Ergebnisse nur für zwei der 18 Studien als niedrig. Würde die Hersteller-Finanzierung außer Acht gelassen, hätten zwölf der Studien ein niedriges Verzerrungsrisiko. Allerdings bemängeln die Forscher, dass für etwa drei Prozent aller Teilnehmer Daten in den Studien fehlen. Da Krebserkrankungen ein relativ seltenes Ereignis sind, könnten diese fehlenden Daten das Ergebnis empfindlich beeinflussen.

[1] Bjelakovic 2014
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit/Meta-Analyse
Teilnehmende insgesamt: 50.623 Personen in 18 randomisiert kontrollierten Studien
Fragestellung: Welchen Nutzen und Schaden hat Vitamin D bei der Prävention von Krebserkrankungen bei Erwachsenen?
Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass keine bestehen

Bjelakovic G u.a. (2014). Vitamin D supplementation for prevention of cancer in adults. Cochrane Database Syst Rev CD007469. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] Krebsinformationsdienst
Risiken vermeiden – Krebs vorbeugen. www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken (Zugriff 13.02.2017)

[3] Österreichische Gesellschaft für Ernährung (2007)
Nahrungsinhaltsstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente. http://oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/2-uncategorised/1121-nahrungsinhaltstoffe-vitamine-mineralstoffe (Zugriff 13.02.2017)

[4] Bundesministerium für Gesundheit (2012)
Österreichischer Ernährungsbericht 2012. www.bmgf.gv.at/home/Schwerpunkte/Ernaehrung/Rezepte_Broschueren_Berichte/Der_Oesterreichische_Ernaehrungsbericht_2012 (Zugriff 13.02.2017)

[5] UpToDate (2017)
Bouillon R (2017) Vitamin D and extraskeletal health. In Mulder JE (ed.) UpToDate. Abgerufen am 14. 2. 2017 unter www.uptodate.com/contents/vitamin-d-and-extraskeletal-health

[6] UpToDate (2017)
MisraM (2017) Vitamin D insufficiency and deficiency in children and adolescents. In Hoppin AG (ed.). UpToDate. Abgerufen am 16. 2. 2017 unter www.uptodate.com/contents/vitamin-d-insufficiency-and-deficiency-in-children-and-adolescents

[7] Bjelakovic (2014)
Bjelakovic G, Gluud LL, Nikolova D, Whitfield K, Wetterslev J, Simonetti RG, Bjelakovic M, Gluud C. Vitamin D supplementation for prevention of mortality in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 1. Art. No.: CD007470. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[8] Clinical Trials
Vitamin D and Omega-3 Trial (VITAL) https://clinicaltrials.gov/show/NCT01169259
Teilnehmende: 25.000 Männer (ab 50 Jahre) und Frauen (ab 55 Jahre) ohne Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den USA
Intervention: Vitamin D3 2000 I.E. pro Tag mit oder ohne Fischöl vs. Placebo
Geplante Laufzeit: 5 Jahre (bis Ende 2017)
Endpunkte: Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen

[9] Australian New Zealand Clinical Trial Registry
D-Health Trial https://www.anzctr.org.au/Trial/Registration/TrialReview.aspx?id=364534
Teilnehmende: 25.000 Männer und Frauen (60 bis 79 Jahre) ohne Krebserkrankungen in Australien
Intervention: 60.000 I.E. Vitamin D einmal monatlich vs. Placebo
Geplante Laufzeit: 15 Jahre (bis Ende 2024)
Endpunkte: Gesamtsterblichkeit, Häufigkeit alle Krebsarten, Häufigkeit Dickdarmkrebs

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