Ginkgo könnte bei Demenz etwas helfen

Möglicherweise hilft Ginkgo biloba, die geistige Leistungsfähigkeit bei Demenz etwas zu verbessern. Unsicher ist jedoch, wie groß die Wirkung ist.

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Review:  Jana Meixner 

Kann ein Extrakt aus Ginkgo biloba die geistige Leistung bei Demenz verbessern?

Bisherige Studien deuten darauf hin, dass Ginkgo-Extrakt die geistige Leistung bei Demenz verbessern kann – das ist jedoch nicht gut abgesichert. Wie groß dieser Effekt ist, lässt sich nicht genau sagen.

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© Damian Lugowski - shutterstock.com Ginkgo als Hoffnung bei Demenz
© Damian Lugowski – shutterstock.com

Eine Heilung für Demenz gibt es nicht, über die Jahre verschlechtert sich die Krankheit beständig. Gedächtnis und Konzentration lassen nach, und die betroffene Person tut sich im Alltag immer schwerer – etwa beim Kochen, Einkaufen oder bei der Körperpflege.

Schön wäre es, wenn sich das Fortschreiten des geistigen Abbaus zumindest eine Zeit lang aufhalten ließe. Hoffnung darauf machen Hersteller von Präparaten mit Ginkgo biloba. Kapseln und Tabletten mit einem Extrakt aus Ginkgo-Blättern sollen Denkvermögen, Konzentration und Gedächtnis von Demenz-Erkrankten verbessern. Dass Ginkgo helfen kann, sei wissenschaftlich belegt, behaupten die Hersteller. Wir haben uns die Forschungsergebnisse dazu näher angesehen.

Ausmaß unklar

Tatsächlich deuten bisher durchgeführte Studien auf einen möglichen Behandlungseffekt hin. Gesichert ist das allerdings nicht. Demenz-Betroffene, die Ginkgo-Extrakt einnahmen, schienen bei Denk-, Gedächtnis- und Konzentrationsaufgaben oft besser abzuschneiden als jene, die Placebo-Präparate ohne Wirkstoff schluckten [1,3]. Auch im Alltag schienen sie zumindest vorübergehend etwas besser zurechtzukommen – etwa im Haushalt oder bei der Körperpflege [2,3].

Allerdings war das nicht in allen Studien der Fall. Am ehesten zeigte sich ein Effekt, wenn die Betroffenen leicht bis mittelschwer an Alzheimer oder vaskulärer Demenz erkrankt waren und den Ginkgo-Extrakt wie folgt einnahmen:

  • über eine Dauer von fünf bis sechs Monaten
  • mit einer Dosierung von nicht weniger als 240 mg pro Tag

Unklar ist, wie deutlich die Verbesserung durch die Ginkgo-Behandlung ausfällt. Bisherige Studien kommen dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, und viele der Studien haben Mängel in der Durchführung. Die meisten sind zudem von einem Unternehmen finanziert, das Ginkgo-Präparate herstellt. Das schwächt unser Vertrauen in die Ergebnisse.

Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

In mehreren Studien brachen die Teilnehmenden die Einnahme von Ginkgo häufiger aufgrund von Nebenwirkungen ab als jene, die nur ein Placebo-Mittel schluckten [2]. Mögliche Nebenwirkungen sind beispielsweise Kopfschmerzen oder Magenprobleme [4]. Schwere Nebenwirkungen traten in den Studien aber nicht gehäuft auf [2]. Nicht ausschließen lassen sich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. So gibt es den Verdacht, dass Ginkgo die Wirkung von Blutgerinnungs-hemmenden Mitteln verstärkt [2].

Zur Vorbeugung einer Demenz scheint Ginkgo allerdings unwirksam zu sein – dazu haben wir bereits einen eigenen Faktencheck veröffentlicht.

Nicht heilbar

Demenz ist häufig. Das Risiko dafür ist umso größer, je älter jemand ist. Unter den 65- bis 69-Jährigen sind etwa ein Prozent betroffen. Zwischen 85 und 89 sind aber bereits 16 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen erkrankt [5].

Die häufigste Form von Demenz ist Alzheimer, von ihr sind etwa zwei Drittel der Demenzerkranken betroffen. Am zweithäufigsten ist die vaskuläre Demenz. Sie entsteht durch eine Durchblutungsstörung im Gehirn – oft in Folge eines oder mehrerer Schlaganfälle.

Heilen lässt sich eine Demenz nicht. Behandlungen haben unter anderem zum Ziel, die Selbständigkeit möglichst lange zu erhalten, die Lebensqualität zu fördern und die Belastung für Angehörige zu verringern. Gesicherte Informationen zu Hintergrund und Behandlungsmöglichkeiten bietet die unabhängige Seite Gesundheitsinformation.de für Alzheimer und vaskuläre Demenz.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Ginkgo bei Demenz helfen kann, lässt sich am aussagekräftigsten in randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen.

Um solche Studien zu finden, haben wir drei Forschungsdatenbanken durchsucht. Dabei haben wir zwei verlässliche Systematische Übersichtsarbeiten [1,2] gefunden, die alle bisherigen randomisiert-kontrollierten Studien zusammenfassen.

In diesen Studien wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die Behandlungsgruppe nahm regelmäßig ein Ginkgo-Präparat ein, während die Kontrollgruppe stattdessen ein gleich aussehendes Placebo-Präparat ohne Wirkstoff schluckte. Einige Monate später machten die Teilnehmenden Tests zu ihrem Gedächtnis oder ihrer Fähigkeit, im Alltag zurechtzukommen.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Studien weisen zwar darauf hin, dass Ginkgo-Extrakt Demenz-Betroffenen helfen kann, doch die Aussagekraft der einzelnen Studien ist eingeschränkt. Die Gründe:

  • die Studien sind schwer miteinander vergleichbar, weil sie teilweise auf sehr unterschiedliche Art und Weise durchgeführt wurden.
  • Die Ergebnisse unterscheiden sich stark voneinander. Daher ist es nicht möglich zu sagen, in welchem Ausmaß Ginkgo die geistige Leistungsfähigkeit verbessern kann.
  • Viele der Studien haben nicht die Daten aller Teilnehmenden in den Ergebnissen berücksichtigt.
  • Alle bis auf eine Studie wurden von derselben Herstellerfirma finanziert. Das könnte die Ergebnisse verzerrt haben.

Die beiden systematischen Übersichtsarbeiten [1,2], auf denen unsere Einschätzung beruht, sind von relativ hoher Qualität und ihre Analysen gut nachvollziehbar. Wir haben keine aktuelleren Studien gefunden, die darin eventuell noch nicht berücksichtigt worden wären.

[1] S3-Leitlinie Demenzen (2016)
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN). S3-Leitlinie „Demenzen“. (Leitlinie in voller Länge)

[2] IQWIG (2008)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz. Abschlussbericht A05-19B . Köln: IQWiG; 2008. (Bericht in voller Länge)

[3] Yuan (2017)
Yuan Q, Wang CW, Shi J, Lin ZX. Effects of Ginkgo biloba on dementia: An overview of systematic reviews. J Ethnopharmacol. 2017 Jan 4;195:1-9. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] IQWIG (2021)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Alzheimer-Demenz – Nützen ginkgohaltige Mittel? Abgerufen am 24. 4. 2022 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] IQWIG (2022)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Vaskuläre Demenz. Abgerufen am 22. 4. 2022 unter www.gesundheitsinformation.de

  • 16.2.2024: Verweis auf Faktencheck zur fehlenden vorbeugenden Wirkung von Ginkgo ergänzt
  • 19.5.2022: erste Version des Faktenchecks

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