Demenz vorbeugen: Ginkgo wahrscheinlich wirkungslos

Ginkgo biloba wird als Mittel gegen Demenz beworben. Studien zufolge scheint Ginkgo dem geistigen Abbau allerdings nicht vorbeugen zu können.

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Schützt Ginkgo biloba geistig fitte Menschen davor, an Demenz zu erkranken?

In zwei großen Studien mit anfangs geistig fitten Über-70-Jährigen erkrankten mit Ginkgo gleich viele an Demenz wie mit einem Scheinmedikament. Damit ist ein schützender Effekt unwahrscheinlich.

so arbeiten wir
Ginkgo-Blatt mit Medikamenten-Packungen Extrakt aus Ginkgo biloba: wirksames Medikament?
© mspoli – istockphoto.com

Wenn im Alter das Gedächtnis etwas nachlässt, stellen sich Betroffene oft die Frage, ob dahinter vielleicht eine beginnende Demenz wie Alzheimer steckt und was sich dagegen tun lässt.

Besonders im Internet werden eine ganze Reihe von Produkten angeboten, die das Gedächtnis stärken sollen. Dazu gehören auch Mittel mit einem Extrakt aus der Pflanze Ginkgo biloba.

Eine Leserin wollte von uns wissen, ob diese tatsächlich vor Alzheimer oder einer anderen Demenz schützen können, wie manche Internet-Seiten behaupten. Deshalb haben wir uns auf die Suche nach Studien gemacht, die diese Frage untersucht haben.

Ginkgo biloba schützt wahrscheinlich nicht vor Demenz

Wir haben dazu tatsächlich große, gut gemachte Studien gefunden. Darin haben insgesamt mehr als 5000 Personen über 70 Jahren teilgenommen, die zu Studienbeginn alle geistig fit waren [Quellen 1,2,4]. Die Hälfte von ihnen nahm einen Extrakt aus Ginkgo ein, die andere Hälfte ein Scheinpräparat (Placebo).

Die Ergebnisse waren allerdings eher negativ: Im Laufe von fünf oder mehr Jahren erkrankten mit Ginkgo ähnlich viele Teilnehmende an einer Demenz wie mit Placebo. Ginkgo scheint also einer Demenz nicht vorbeugen zu können. Weil noch Fragen offen sind, ist unsere Einschätzung dazu aber nicht völlig gesichert (siehe Abschnitt Die Studien im Detail).

Unklare Hilfe bei bereits bestehenden Gedächtnisproblemen

Zwei Studien haben außerdem untersucht, ob Ginkgo das Fortschreiten von bestehenden Gedächtnisproblemen zu einer Demenz verhindern kann [Quelle 1]. Die beiden Untersuchungen an Betroffenen über 60 Jahren kommen jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen. Demnach bleibt unklar, ob Ginkgo älteren Menschen helfen kann, die bereits leichte Probleme mit dem Gedächtnis und der geistigen Leistungsfähigkeit haben.

Hinweise auf eine Wirksamkeit von Ginkgo gibt es nur bei Personen, bei denen bereits eine Demenz diagnostiziert wurde (siehe unseren Faktencheck dazu). Der Effekt dürfte jedoch bestenfalls vorübergehend sein und ist zudem nicht gut abgesichert.

Präparate aus Ginkgo können auch Nebenwirkungen haben. Diese haben wir in unserem Faktencheck zur Behandlung einer bereits eingetretenen Demenz beschrieben.

Was schützt vor Demenz?

Wenn man mit zunehmendem Alter öfters etwas vergisst, ist nicht einfach zu bewerten, ob das noch normal ist – oder schon ein Anzeichen für geistigen Abbau. Manchmal sind Gedächtnisprobleme ein Hinweis auf eine sogenannte leichte kognitive Störung, die mit der Zeit zu einer Demenz wie Alzheimer fortschreiten kann. Es gibt jedoch auch andere Ursachen für Vergesslichkeit, etwa eine Depression, Schilddrüsenprobleme oder ein Mangel an Vitamin B12. Klarheit bringt hier eine ärztliche Untersuchung [Quellen 5,6].

Viele Forschungsgruppen haben versucht herauszufinden, was vor Demenz schützen kann. Ein Wundermittel scheint es nicht zu geben, wie unsere Recherchen zu verschiedenen Mitteln zeigen: etwa zu Spermidin, Multivitamin-Präparaten, Thymian, Bacopa, Orangensaft, Kurkuma oder Kaffee.

Möglicherweise lässt sich das Demenz-Risiko verringern, indem man sich ausreichend bewegt, geistig aktiv ist und viel in Kontakt mit anderen Menschen bleibt. Wie groß die schützende Wirkung von all dem wirklich ist, ist jedoch unzureichend untersucht [Quelle 7]. Nähere Information zur Vorbeugung von Alzheimer oder anderen Formen von Demenz finden sich auf den Seiten Gesundheitsinformation.de und Gesundheit.gv.at.

Ältere Menschen mit Gedächtnisproblemen haben zwar statistisch gesehen ein etwas höheres Risiko, später eine Demenz zu entwickeln. Allerdings ist das bei weitem nicht bei allen Betroffenen der Fall [Quelle 8].

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir haben nur Studien berücksichtigt, in denen Testpersonen ohne Demenz nach dem Zufallsprinzip auf zwei Vergleichsgruppen aufgeteilt werden. Solche sogenannten randomisiert-kontrollierten Studien gelten als besonders zuverlässig, um den Nutzen von Behandlungen zu untersuchen.

Tatsächlich haben wir drei solche Studien gefunden [Quellen 1-4]. Dabei erhielt die eine Gruppe Ginkgo-Tabletten, die andere ein Scheinmedikament (Placebo). Die Forschungsteams untersuchten jeweils, wie viele Teilnehmende im Laufe der Zeit eine Demenz entwickelten.

An den Studien nahmen allerdings unterschiedliche Personen teil: Ältere zwischen 75 und 80 Jahren, von denen ein Teil leichte Probleme mit dem Gedächtis hatten, aber auch geistig noch Unbeeinträchtigte [Quelle 4]. In der anderen Studie hatten alle Teilnehmenden Gedächtnisprobleme, waren jedoch im Durchschnitt erst knapp 65 Jahre alt und damit deutlich jünger [Quelle 3].

Damit können wir unsere Einschätzung auf die Daten von etwa 5.500 geistig fitten Teilnehmenden und rund 650 Personen mit leichten kognitiven Störungen stützen.

Wie aussagekräftig sind diese Studien?

Die Studien wurden grundsätzlich nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien durchgeführt, es gibt jedoch auch Einschränkungen:

  • Bei geistig fitten Studienteilnehmenden zeigte sich kein Vorteil von Ginkgo. Allerdings ist die wahrscheinliche Wirkungslosigkeit nicht gut abgesichert, denn die Schwankungsbreite der Ergebnisse groß.
  • Bei Personen mit bereits bestehenden Gedächtnisproblemen bestand das gleiche Problem. Hinzu kommt noch: Die beiden Studien kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Eine Studie mit über 70-Jährigen fand über einen Zeitraum von sechs Jahren keinen schützenden Effekt [Quelle 4]. Die deutlich kürzer laufende Studie mit etwas jüngeren Betroffenen fand über einen Zeitraum von nur einem Jahr schon eine vorbeugende Wirkung [Quelle 3].

[1] DeKosky et al. (2008) Ginkgo biloba for prevention of dementia: a randomized controlled trial. Jama, 300(19), 2253-2262. (Studie in voller Länge)

[2] Vellas et al. (2012) Long-term use of standardised Ginkgo biloba extract for the prevention of Alzheimer’s disease (GuidAge): a randomised placebo-controlled trial. The Lancet Neurology, 11(10), 851-859. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Tian J et al. (2019) Chinese herbal medicine Qinggongshoutao for the treatment of amnestic mild cognitive impairment: A 52-week randomized controlled trial. Alzheimers Dement (N Y) 2019; 5:441-449 (Studie in voller Länge)

[4] Butler M et al. (2018) Over-the-Counter Supplement Interventions to Prevent Cognitive Decline, Mild Cognitive Impairment, and Clinical Alzheimer Type Dementia: A Systematic Review. Ann Intern Med 2018; 168:52-62 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] IQWiG (2021) Alzheimer Demenz. Abgerufen am 20.12.2023 unter gesundheitsinformation.de

[6] UpToDate (2023) Evaluation of cognitive impairment and dementia. Abgerufen am 13.07.2023 unter uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[7] UpToDate (2023) Prevention of dementia. Abgerufen am 20.12.2023 unter uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

  • 16.2.2024: erste Version des Faktenchecks

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