Demenz vorbeugen: Vitamine möglicherweise nutzlos

Die geistige Leistungsfähigkeit erhalten oder gar eine Demenz verhindern: Dazu scheinen sich Multivitamin-Präparate eher nicht zu eignen.

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Können Multivitamin-Präparate einer Demenz vorbeugen und älteren Menschen helfen, geistig fit zu bleiben?

Bisherige Studien weisen darauf hin, dass Multivitamin-Präparate Demenz eher nicht vorbeugen können. Eine Kombination mehrerer Vitamine scheint auch die geistigen Fähigkeiten bei älteren Menschen nicht oder kaum erhalten zu können. Da die Studien nur bedingt aussagekräftig sind, ist die vermutete Nutzlosigkeit der kombinierten Vitamine jedoch nicht gut abgesichert.

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© istockphoto.com - stefanamer Bildunterschrift: Multivitamin-Präparate werden zahlreiche Wirkungen nachgesagt
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Im Alter vergesslich werden, sich nicht mehr selbst versorgen können oder gar an einer Demenz erkranken: Diese Befürchtungen dürften viele ältere Menschen teilen. Kein Wunder also, dass es eine ganze Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln speziell für diese Zielgruppe gibt, die zum Beispiel mit der Aussage „für ein gesundes Gedächtnis“ wirbt.

Medien berichten auch immer wieder über Studien zu solchen Produkten. Diese enthalten häufig zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe. So erreichte uns eine Leseranfrage zu einer Studie [2], über die Online-Portale mit Schlagzeilen wie „Vitamin-Cocktail gegen Demenz“ oder „Vitamin-Mix gut fürs Gedächtnis“ berichteten. Können kombinierte Vitamine tatsächlich helfen, den geistigen Abbau zu verhindern?

Multivitamine: Eher kein Schutz vor geistigem Abbau

Bei unserer Suche nach Antworten haben wir Studien mit insgesamt rund 10.000 älteren Personen gefunden, die zu Studienbeginn noch geistig gesund waren [1-3]. Die Ergebnisse deuten an, dass sich Demenz mit Multivitamin-Präparaten eher nicht vorbeugen lässt [2]. Sie sprechen auch dagegen, dass Multivitamin-Präparate dem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit vorbeugen können. Ob Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder das Planen von Handlungen: Mit Multivitamin-Präparaten schnitten die Teilnehmenden nicht [1] oder nur unbedeutend [2,3] besser ab als mit einem Scheinpräparat ohne Vitamine. Ein spürbarer Vorteil durch die Vitamine zeigte sich in keiner der Studien.

Dass Multivitamin-Präparate tatsächlich nutzlos sind, ist jedoch nicht gut abgesichert. Denn aufgrund von Mängeln in der Durchführung sind die Studien nur eingeschränkt aussagekräftig.

Was schützt vor Demenz?

Wenn man mit zunehmendem Alter öfters etwas vergisst, ist nicht einfach zu bewerten, ob das noch normal ist – oder schon ein Anzeichen für geistigen Abbau. Manchmal sind Gedächtnisprobleme ein Hinweis auf eine sogenannte leichte kognitive Störung, die mit der Zeit zu einer Demenz fortschreiten kann. Es gibt jedoch auch andere Ursachen für Vergesslichkeit, etwa eine Depression, Schilddrüsenprobleme oder ein Mangel an Vitamin B12. Klarheit bringt hier eine ärztliche Untersuchung [4].

Viele Forschungsgruppen haben versucht herauszufinden, was vor Demenz schützen kann. Ein Wundermittel scheint es nicht zu geben, wie unsere Recherchen zu verschiedenen Mitteln zeigen: etwa zu Thymian, Spermidin, Bacopa, Vitamin D, Orangensaft, Kurkuma oder Kaffee.

Möglicherweise lässt sich das Demenz-Risiko verringern, indem man sich etwa ausreichend bewegt, geistig aktiv bleibt und viel in Kontakt mit anderen Menschen bleibt. Wie gut all dies wirklich schützt, ist jedoch nicht gut untersucht [5]. Nähere Information zur Vorbeugung von Demenz finden sich auf den Seiten Gesundheitsinformation.de und Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir haben unsere Einschätzung auf Studien gestützt, bei denen geistig gesunde Teilnehmende nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt wurden: Die eine bekam ein Multivitamin-Präparat, die andere ein Schein-Präparat (Placebo).

Wir haben uns dabei auf Präparate konzentriert, die mehrere Vitamine und Mineralstoffe in einem Kombipräparat enthalten. Nicht berücksichtigt haben wir Nahrungsergänzungsmittel, die noch andere Stoffe wie Omega-3-Fettsäuren oder Pflanzenextrakte enthalten.

Bei unserer Suche fanden wir eine systematische Übersichtsarbeit [1], die alle Studien bis zum Jahr 2018 zusammenfasst. Zusätzlich haben wir auch zwei neuere Studien [2,3] gefunden. In diesen Studien waren die Teilnehmenden im Durchschnitt zwischen 60 und 75 Jahren alt.

Wie aussagekräftig sind diese Studien?

Viele der Studien hatten ein grundsätzliches Problem: Sie haben in der Auswertung nicht die Daten aller Teilnehmenden berücksichtigt. Das kann das Ergebnis verzerren.

In den Studien wurden Nahrungsergänzungsmittel mit sehr unterschiedlichen Zusammensetzungen untersucht. Ob sich die Ergebnisse auch auf andere Präparate übertragen lassen, ist unklar.

Schließlich ist auch nicht sicher, ob die Studien lange genug dauerten, um längerfristige Veränderungen zu erfassen. Denn bis sich Veränderungen in der Gedächtnisleistung zeigen oder sich gar eine Demenz entwickelt, kann es eine Weile dauern. Die längste Studie beobachtete die Teilnehmenden im Mittel etwas länger als acht Jahre, andere dagegen nur sechs Monate [1]. Hier bräuchte es also weitere gut gemachte Langzeit-Studien.

[1] Rutjes et al. (2018)
Vitamin and mineral supplementation for maintaining cognitive function in cognitively healthy people in mid and late life. Cochrane Database Syst Rev, CD011906 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] COSMOS-Mind
Baker LD et al. (2023) Effects of cocoa extract and a multivitamin on cognitive function: A randomized clinical trial. Alzheimers Dement, 19(4):1308-1319. (Studie in voller Länge)
Sachs BC u.a. (2023) Impact of multivitamin-mineral and cocoa extract on incidence of mild cognitive impairment and dementia: Results from the COcoa Supplement and Multivitamin Outcomes Study for the Mind (COSMOS-Mind). Alzheimers Dement, online 10.04.2023. (Studie in voller Länge)

[3] Yeung L et al. (2023)
Multivitamin Supplementation Improves Memory in Older Adults: A Randomized Clinical Trial. Am J Clin Nutr, 118(1):273-282. (Zusammenfassung der Studie)

[4] UpToDate (2023).
Evaluation of cognitive impairment and dementia. Abgerufen am 13.07.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/evaluation-of-cognitive-impairment-and-dementia

[5] UpToDate (2023).
Prevention of dementia. Abgerufen am 13.07.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/prevention-of-dementia

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