Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

DHEA als Anti-Aging-Hormon?

Fit, dynamisch und ein Gefühl wie mit 30 – das Hormon Dehydroepiandrosteron (DHEA) soll die Alterung bremsen. Was taugt das „Jungbrunnen-Hormon“?

Bewirkt die Einnahme von DHEA einen Anti-Aging-Effekt, indem es das körperliche und seelische Wohlbefinden von älteren Menschen erhöht?

Kann DHEA das Leben verlängern oder die Gesundheit im Alter verbessern?

Bisherige Studien zeigen, dass sich Wohlbefinden von Körper und Seele wahrscheinlich nicht verändern, wenn ältere Menschen DHEA einnehmen. Ähnliches gilt für Gedächtnis und das Sexualleben. Ob DHEA das Leben verlängert oder die Gesundheit im Alter verbessert, ist bisher nicht wissenschaftlich untersucht worden.

so arbeiten wir
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Alle wollen alt werden – aber keiner will alt sein. Kein Wunder also, dass die Suchanfrage „Anti Aging“ bei Google rund 60 Millionen Treffer bringt. Neben gesunder Ernährung, Vitaminen, Botox und teuren Hautcremes wird auch das Hormon Dehydroepiandrosteron, kurz DHEA, als Anti-Aging-Mittel beworben.

DHEA wird im Internet ohne Rezept als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Die Behauptungen dazu sind zahlreich: Etlichen Webseiten zufolge soll das Hormon das Leben verlängern und die Gesundheit von Herz- und Blutgefäßen erhöhen, das Immunsystem stärken und vor Krebs, Osteoporose und Diabetes schützen. Stimmen diese Behauptungen?

Viele Wissenslücken

Unser Fazit: Für keine dieser Versprechungen gibt es wissenschaftliche Belege. Die meisten der angeblichen Wirkungen sind noch nie in Studien untersucht worden, etwa ob DHEA das Leben verlängert oder vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen kann.

Zu anderen Behauptungen wie dem angeblichen Schutz vor Osteoporose scheint es auf den ersten Blick zwar Belege durch Studien zu geben. Diese sind jedoch nicht aussagekräftig, weil sie keine Aspekte untersucht haben, die im Alltagsleben alter Menschen wichtig sind – zum Beispiel, ob DHEA das Risiko für Stürze und Knochenbrüche senkt.

Vermutlich nutzlos für Hirn und Sex

Auch zum Thema Demenz und DHEA haben Forscher keine Studien durchgeführt. Wir haben allerdings einige Untersuchungen gefunden, die sich mit kurzfristigen Einflüssen des Nahrungsergänzungsmittels auf das Gedächtnis beschäftigen [1,2]. Sie lassen nicht auf einen Vorteil durch die Einnahme von DHEA schließen.

Andere Studien untersuchten, ob DHEA Frauen bei sexuellen Problemen im Alter helfen kann [4]. Wahrscheinlich nicht, lautet die zusammengefasste Antwort. Auch für Männer deutet nichts auf eine solche Wirkung hin [4].

In wieder anderen Untersuchungen [5] testeten Wissenschaftler die körperliche Leistungsfähigkeit mit oder ohne DHEA-Einnahme. Dazu maßen sie etwa die Muskelkraft beim Beinpressen, die Gehgeschwindigkeit oder die Balance im Stehen. Die Ergebnisse sind jedoch widersprüchlich und können nicht klären, ob das Hormon die körperliche Leistungsfähigkeit im Alter verbessern kann.

Ist die Einnahme sicher?

Es ist auch nur wenig darüber bekannt, welche Risiken eine langfristige DHEA-Einnahme möglicherweise mit sich bringt. Belegt ist lediglich, dass DHEA die Wahrscheinlichkeit erhöht, Akne zu bekommen. In bisherigen Studien litten im Durchschnitt 29 von 1000 Teilnehmer nach der Einnahme von DHEA unter Pickeln. Mit Scheinmedikament waren es hingegen nur 13 von 1000 [3]. Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings um vorsichtige Schätzungen.

Außerdem treten möglicherweise Kopfschmerzen, Veränderungen der sexuellen Lust, psychische Nebenwirkungen wie Depression oder Ängstlichkeit, Bluthochdruck und Schwankungen der im Blut gelösten Mineralstoffe auf [1]. DHEA ist also keinesfalls ein harmloses Mittel.

Ausgangsstoff für andere Hormone

DHEA gibt es übrigens nicht nur in Kapselform. Der Körper bildet das Hormon selbst in der Nebennierenrinde und stellt daraus andere Sexualhormone her. Mit zunehmendem Alter findet sich weniger DHEA im Blut. Unklar ist, ob der niedrigere Hormonspiegel tatsächlich Erkrankungen und gesundheitlichen Problemen auslöst, die im Alter häufiger auftreten.

Die Studien im Detail

Die Studien, die wir zu unserer Fragestellung identifizieren konnten, untersuchten unterschiedliche Aspekte des Alterungsprozesses. Dazu gehören etwa

  • geistige Leistungsfähigkeit und Gedächtnisfunktion [1,2],
  • Lebensqualität [3,4],
  • sexuelle Probleme [3,4],
  • körperliche Leistungsfähigkeit und Muskelkraft [5].

Geistige Leistungsfähigkeit

Zur geistigen Leistungsfähigkeit fasst eine systematische Übersichtsarbeit [1] die Studienlage bis März 2008 zusammen. Sechs randomisierte kontrollierte Studien schlossen insgesamt 624 Frauen und Männer zwischen 44 und 85 Jahren ein, die zu Beginn der Studie keine geistigen Einschränkungen aufwiesen. Sie nahmen zwischen 50 und 75 Milligramm DHEA pro Tag über einen Zeitraum von zwei Wochen bis zwei Jahren ein. Getestet wurde die geistige Leistungsfähigkeit mit Hilfe verschiedener Fragebögen zu Gedächtnisfunktionen, die allerdings für diesen Zweck nicht ausreichend geprüft sind. In den meisten Studien machte es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer DHEA oder ein Scheinmedikament einnahmen. Eingeschränkt wird die Aussagekraft der Untersuchungen durch die meist kleinen Teilnehmerzahlen. In den Erhebungen untersuchten die Forscher auch nicht, ob sich Demenz oder andere schwerwiegende Erkrankungen mit Auswirkungen auf Gedächtnis und Orientierung entwickelten.

Eine neuere Übersichtsarbeit mit Literaturrecherche bis Oktober 2011 fand keine neueren Einzelstudien [6]. Bei unserer eigenen Recherche stießen wir auf eine weitere Studie [2], bei der 48 Frauen nach den Wechseljahren vier Wochen lang täglich 50 Milligramm DHEA oder ein Scheinmedikament einnahmen. Am Ende der jeweiligen Einnahmephase testeten die Forscher das Kurzzeit-Gedächtnis der Teilnehmerinnen, konnten jedoch keinen Unterschied zwischen DHEA und dem Scheinmedikament feststellen. Wegen der geringen Anzahl der Teilnehmerinnen und unzureichenden Angaben zu methodischen Details ist die Studie nur beschränkt aussagekräftig.

Lebensqualität

Zwei systematische Übersichtsarbeiten widmeten sich der Frage, ob die Einnahme von DHEA bei Menschen die Lebensqualität verbessert. Eine der Arbeiten [3] fasste acht Studien mit 287 Frauen während und nach den Wechseljahren zusammen, die andere drei Untersuchungen mit 262 älteren Männern [4]. Alle Studien verglichen die Einnahme von DHEA mit der eines Scheinmedikaments, allerdings war die Spanne der eingesetzten Dosierungen mit 10 bis 1600 Milligramm pro Tag sehr breit. Auch die Anwendungsdauer war sehr unterschiedlich und lag zwischen einer Woche und zwei Jahren. Keine Studie konnte einen positiven Effekt auf die Lebensqualität im Vergleich zu einem Scheinmedikament ausmachen [3,4].

Sexuelle Probleme

Der Nutzen von DHEA bei sexuellen Problemen wurde in fünf Studien mit 287 Frauen [3] und vier Studien mit 221 Männern untersucht [4]. Auch für diese Fragestellung waren die eingesetzten Dosierungen sehr unterschiedlich und lagen zwischen 10 und 1600 Milligramm pro Tag. Untersucht wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen Zeitraum zwischen einer Woche und einem Jahr. Sexuelle Probleme wurden dabei mit Hilfe von Fragebögen erhoben. Von Frauen wollten die Forscher wissen, ob sie Schmerzen beim Sex hatten und von Männern, ob die Erektion für Geschlechtsverkehr ausreichte. Bei Frauen zeichnete sich im Vergleich zu einem Scheinmedikament rein rechnerisch zwar eine leichte Verbesserung ab, die aber vermutlich für die Betroffenen keinen wesentlichen, also deutlich wahrnehmbaren Unterschied macht [3]. In der Zusammenfassung der Studien mit Männern kristallisierte sich kein Unterschied zwischen DHEA und einem Scheinmedikament heraus [4].

Körperliche Leistungsfähigkeit

Ob die Einnahme von DHEA im Alter die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert, haben fünf Studien mit insgesamt 661 Teilnehmern zwischen Mitte 50 und Mitte 70 untersucht und in einer systematischen Übersichtsarbeit [5] zusammengefasst. Dabei nahmen die Frauen und Männer zwischen 50 und 100 Milligramm DHEA pro Tag beziehungsweise ein Scheinmedikament ein; die Studien dauerten drei bis zwölf Monate. In einigen Studien nahmen die Probanden außerdem noch an einem Sportprogramm teil. Eine Zusammenfassung dieser Studien ist schwierig, da sehr unterschiedliche Parameter gemessen wurden: In einigen Studien eruierten die Forscher die Stärke der Handkraft, in anderen die Presskraft der Beinmuskulatur. Die Ergebnisse fallen teilweise zugunsten von DHEA aus, sind jedoch widersprüchlich. Zudem lässt sich aus den gemessenen Parametern nicht ohne weiteres abschätzen, ob sich in gleichem Maß auch die Fähigkeit der Teilnehmer zur Alltagsbewältigung verbesserte und sie zum Beispiel weniger häufig stürzten.

Zusammenfassend können wir sagen, dass die bisherigen Studien zumeist kaum aussagekräftig sind. Wir wissen nicht, ob DHEA keine Wirkung hat – oder ob ein Effekt einfach noch nicht nachgewiesen wurde. Für den Fall, dass DHEA tatsächlich positiv wirken sollte: Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass das Hormon einen großen Unterschied bringt, der sich deutlich im Alltag von älteren Menschen auswirkt.

[1] Grimley Evans u.a. (2006)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: 6 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 624 Teilnehmern
Fragestellung: Welchen Nutzen hat die Einnahme von DHEA auf die geistige Leistungsfähigkeit von Menschen im mittleren oder höheren Lebensalter ohne geistige Einschränkungen und welche Nebenwirkungen können auftreten?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenangaben

Grimley Evans J u.a. Dehydroepiandrosterone (DHEA) supplementation for cognitive function in healthy elderly people. Cochrane Database Syst Reviews 2006, CD006221 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Merrit u.a. (2012)
Studientyp: Randomisierte kontrollierte Studie (cross-over)
Eingeschlossene Teilnehmer: 48 Frauen nach den Wechseljahren zwischen 55 und 80 Jahren
Fragestellung: Verbessert die Einnahme von DHEA bei Frauen nach den Wechseljahren das Kurzzeit-Gedächtnis?
Interessenkonflikte: keine Angabe

Merrit P u.a. Administration of dehydroepiandrosterone (DHEA) increases serum levels of androgens and estrogens but does not enhance short-term memory in post-menopausal women. Brain Res. 2012;1483:54-62 (Studie in voller Länge)

[3] Scheffers u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: Insgesamt 28 Studien mit 1273 Teilnehmerinnen, davon 16 Studien für die quantitative Zusammenfassung
Fragestellung: Welchen Nutzen und welche Risiken bringt die Behandlung mit DHEA bei Frauen während und nach den Wechseljahren?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenangaben

Scheffers C u.a. (2015) Dehydroepiandrosterone for women in the peri- or postmenopausal phase. Cochrane Database Syst Reviews, CD011066. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] Corona u.a. (2013)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: 25 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1353 älteren Männern
Fragestellung: Welche Auswirkungen hat die orale Gabe von DHEA bei älteren Männern im Vergleich zu Placebo auf die Sexualfunktion und den Stoffwechsel?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenangaben

Corona G u.a. (2013) Dehydroepiandrosterone Supplementation in Elderly Men: A Meta-Analysis Study of Placebo-Controlled Trials. J Clin Endocrinol Metab 98: 3615–3626 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] Baker (2011)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit von randomisierten kontrollierten Studien
Eingeschlossene Studien: 8 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 661 Teilnehmern
Fragestellung: Welche Auswirkungen hat die Einnahme von DHEA mit oder ohne begleitenden Sport im Vergleich zu Placebo auf die Muskelkraft und die körperliche Leistungsfähigkeit von Menschen ab 50 Jahren?
Interessenkonflikte: keine laut Autorenangaben

Baker W u.a. (2011) Effect of Dehydroepiandrosterone on Muscle Strength and Physical Function in Older Adults: A Systematic Review. J Am Geriatr Soc 59:997–1002 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[6] Naqvi u.a. (2013)
Naqvi R u.a. (2013) Preventing cognitive decline in healthy older adults. CMAJ;185:881-5 (Text in voller Länge)

[7] UpToDate (2017)
Udoff LC (2017). Overview of androgen deficiency and therapy in women. In Martin KA (ed.). UpToDate. Abgerufen am 27 10. 2017 unter www.uptodate.com/contents/overview-of-androgen-deficiency-and-therapy-in-women

[8] Institut für Allgemeinmedizin Frankfurt (2006)
IGeL-Helfer „DHEA-Gabe als Anti-Aging-Medizin bei gesunden Männern und Frauen“. Abgerufen am 13.11.2017 unter www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/lit/igel_DHEA_helfer.pdf

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