Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Mit Magnesium gegen Depressionen?

Magnesium wird als Mittel gegen Depressionen beworben. Ob der Mineralstoff aber wirklich hilft, ist nicht ausreichend belegt.

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Verbessert die Einnahme von Magnesium die Symptome einer Depression?

Die Frage wurde nur in drei kleinen Studien untersucht. Diese hatten mehrere Mängel und sind teils zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen.

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@dmey503 - unsplash.com Traurig, müde, überlastet: Hilft Magnesium aus der Depression?
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Negative Gedanken, die alles überschatten. Nichts macht mehr Freude. Selbst kleine Aufgaben strengen unglaublich an, machen müde. Das sind typische Anzeichen einer Depression. Statistisch gesehen erkrankt etwa jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens einmal daran [5].

Nicht immer ist eine Behandlung nötig. Wenn doch, kommen in der Regel Antidepressiva und/oder eine Psychotherapie zum Einsatz. Die Wartezeit auf einen Psychotherapie-Platz ist aber häufig lang, Antidepressiva sind gerade bei leichten Depressionen ihrer Wirksamkeit umstritten [5], und das Absetzen am Ende der Behandlung kann schwierig werden.

Wer in dieser Situation im Internet nach Hilfe sucht, stößt auf diverse Seiten, die die Einnahme von Magnesium gegen Depressionen anpreisen. Ein Leser wollte von uns wissen, was davon zu halten ist.

Wofür wir Magnesium brauchen

Magnesium ist ein Mineralstoff, der in zahlreichen Lebensmitteln vorkommt. Dazu zählen Vollkorn- und Milchprodukte, Geflügel und etliche Gemüsesorten [7]. Im Körper spielt Magnesium an vielen Stellen eine Rolle, etwa bei der Übertragung von Signalen zwischen Nerven und Muskeln oder im Gehirn.

Bei Magnesiummangel können Beschwerden wie etwa Reizbarkeit oder Verwirrtheit auftreten. Aus diesem Grund dürfen Nahrungsergänzungsmittel mit einem nennenswerten Magnesium-Gehalt auch mit der gesundheitsbezogenen Aussage werben „Magnesium trägt zu einer normalen psychologischen Funktion bei“ [8].

Ernährungserhebungen zufolge nehmen Menschen in Deutschland und Österreich in der Regel ausreichend Magnesium über die Nahrung zu sich [9,10]. Ein ernährungsbedingter Magnesiummangel ist daher eher selten. Es gibt aber einige Krankheiten, bei denen es zu einem Magnesiummangel kommen kann, etwa wenn Magnesium vermehrt über die Niere ausgeschieden wird [11].

Depression durch Magnesiummangel?

In einigen Studien wurde auch ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Magnesiumspiegel und Depression beobachtet. Mal davon abgesehen, dass dieser Befund nicht immer bestätigt werden konnte [2]: Ein statistischer Zusammenhang bedeutet nicht automatisch, dass ein niedriger Magnesiumspiegel auch die Ursache der Depression ist – und umgekehrt, dass sich die Depression durch Magnesiumeinnahme verbessert.

Das muss erst in soliden Studien untersucht werden. Im Idealfall würden dabei Menschen mit einer Depression nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine bekommt Magnesium, die andere zum Beispiel ein Scheinmedikament, und nach einer gewissen Zeit wird überprüft, wie sich die depressiven Symptome verändert haben.

Wir haben solche Studien gesucht, aber lediglich drei gefunden [1,2,3], an denen jeweils nur sehr wenige Menschen teilnahmen. Hinzu kommt, dass bei zwei Studien [1,2],die Diagnose Depression nicht zuverlässig gestellt wurde. Das schränkt die Aussagekraft deutlich ein. In diesen beiden Studien hatten die Teilnehmenden einen Magnesiummangel.

In der dritten Studie [3], war die Diagnose Depression zuverlässig gestellt, aber die Teilnehmenden waren vermutlich bereits vorher ausreichend mit Magnesium versorgt.

Eine der Studien verglich Magnesium mit dem Antidepressivum Imipramin [1]. Dabei gingen die Beschwerden in beiden Gruppen gleich stark zurück. Allerdings lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass Magnesium einem Antidepressivum ebenbürtig ist. Denn es gibt bei Depressionen einen starken Placebo-Effekt, Beschwerden können also bei einer Behandlung auch unabhängig von dem jeweiligen Mittel zurückgehen.

Aus diesem Grund fordert die europäische Zulassungsbehörde für Studien mit Antidepressiva, dass eine Gruppe zwecks Vergleich ein Scheinmedikament erhält, um diesen Effekt herausrechnen zu können [12]. Genau das fehlt aber in dieser Studie.

In der zweiten Studie [2] wurde Magnesium mit einem Scheinmedikament verglichen. Die Beschwerden verbesserten sich mit Magnesium zwar etwas stärker. Ob der Unterschied aber so groß war, dass er für die Teilnehmenden tatsächlich spürbar wurde, ist fraglich.

In der dritten Untersuchung [3] bekamen alle Teilnehmenden ein Antidepressivum und zusätzlich entweder Magnesium oder ein Scheinmedikament. Am Ende verbesserte sich bei allen die depressiven Beschwerden, ein Unterschied zwischen Magnesium und Placebo war dabei nicht festzustellen.

Viele Fragezeichen

Zu der Widersprüchlichkeit der Ergebnisse und der schwere Vergeleichbarkeit kommt, dass die Qualität der Studien nicht besonders gut war: In allen Untersuchungen fehlen in den Auswertungen die Daten einiger Teilnehmenden. In einer Studie [1] wussten die Teilnehmenden außerdem, zu welcher Gruppe sie gehörten. Da sie selbst Auskunft über ihre Beschwerden geben sollten, kann das die Einschätzung verzerrt haben.

Anhand dieser Studien lässt sich also nicht sicher bewerten, ob Magnesium bei einer Depression tatsächlich hilft und eine gute Alternative zu einem Antidepressivum wäre oder zumindest als Zusatzbehandlung unterstützend wirken kann.

Wenig Informationen zur Verträglichkeit

Welche Nebenwirkungen auftreten, wurde nur in einer der beiden Studien untersucht [1]. Dabei hatte jeder Vierte bei der Einnahme von Magnesium Bauchschmerzen und Durchfall. Zum Vergleich: Mit dem Antidepressivum Imipramin berichteten sämtliche Teilnehmenden über mindestens eine Nebenwirkung wie Mundtrockenheit, Verstopfung oder Schwitzen.

Es fehlen jedoch Angaben dazu, wie die unerwünschten Effekte genau erhoben wurden. Es ist lediglich bekannt, dass zwei Teilnehmende mit Imipramin wegen der Nebenwirkungen vorzeitig die Studie abgebrochen haben, aber keiner mit Magnesium. Insgesamt schätzen wir die Angaben zu den Nebenwirkungen als unzuverlässig ein.

Viele Faktoren

Wie Depressionen entstehen, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Sehr wahrscheinlich kommen viele verschiedene Faktoren zusammen, etwa biochemische Veränderungen im Gehirn, erbliche Faktoren, belastende Ereignisse oder Lebensumstände [5,6].

Eine depressive Episode verschwindet in der Regel nach einigen Wochen oder Monaten, kann bei manchen Menschen aber auch wiederkehren. Wenn die Episoden länger als zwei Jahre andauern, wird die Erkrankung als chronische Depression bezeichnet [5].

Die Studien im Detail

Bei unserer Recherche haben wir uns auf Studien beschränkt, in denen Menschen mit einer Depression nach dem Zufallsprinzip entweder einer Behandlung mit Magnesium oder einem anderen Mittel, etwa einem Scheinmedikament, zugeteilt wurden.

Wir haben zuert nur zwei solcher Studien sicher identifizieren können [1,2]. Bei einer dritten Studie [3] haben wir zunächst nicht zweifelsfrei feststellen können, ob die Zuteilung auf die Gruppen tatsächlich zufällig erfolgte. Wir haben dann nähere Auskünfte des Autorenteams erhalten und die Studie dann berücksichtigt. Die Schlussfolgerung änderte sich jedoch nicht.

Nicht ausgewertet haben wir eine Studie, bei der die Teilnehmenden zuerst entweder Magnesium oder keine Behandlung erhielten und danach die Gruppenzugehörigkeit wechselten [4]. Ein solcher Studienaufbau wird für die Behandlung der Depression als nicht aussagekräftig angesehen, weil sich die Effekte aus den einzelnen Behandlungsphasen nicht gut voneinander trennen lassen [12].

Die drei Studien [1-3], die wir ausgewertet haben, waren sehr unterschiedlich und lassen sich nicht zusammenfassen. Deshalb beschreiben wir sie hier getrennt.

Im Vergleich mit Antidepressivum

An der ersten Studie [1], die in Mexiko stattfand, nahmen 23 Menschen im mittleren Alter von 66 bis 69 Jahren mit der Diagnose einer leichten Depression teil. Außerdem hatten sie Typ-2-Diabetes und einen nachgewiesenen Magnesiummangel.

Die Diagnose Depression wurde jedoch nicht nach den üblichen Kriterien gestellt. Als depressiv galten Teilnehmende, die in einem Fragebogen eine bestimmte Punktzahl erreichten. Für eine zuverlässige Diagnose Depression sollten Arzt oder Ärztin aber im Gespräch herausfinden, ob bestimmte Beschwerden vorhanden sind und diese bereits seit mindestens zwei Wochen bestehen. Die Teilnehmenden hatten zuvor keine Behandlung mit Antidepressiva erhalten und durften auch außer der Studienmedikation keine Mittel gegen eine Depression einnehmen.

Über 12 Wochen erhielten die Teilnehmenden pro Tag entweder 2,5 Gramm Magnesiumchlorid als Lösung (entspricht 450 Milligramm Magnesium) oder das Antidepressivum Imipramin. Dabei lag die Startdosis bei 25 Milligramm pro Tag und konnte bei Bedarf auf bis zu 50 Milligramm pro Tag gesteigert werden. Das entspricht der üblichen Dosierung für dieses Medikament.

Am Ende der Studie wurde mit Hilfe eines Fragebogen ausgewertet, wie sich die Symptome der Depression verändert hatten. Laut Studienteam trat eine ähnliche Verbesserung in beiden Gruppen ein. Es ist allerdings fraglich, wie aussagekräftig diese Erhebung tatsächlich ist. Denn die Teilnehmenden mussten ihre Beschwerden selbst einschätzen, wussten aber gleichzeitig, zu welcher Gruppe sie gehörten. Das kann das Befinden und die Bewertung verzerrt haben.

Außerdem fehlen auch die Daten einiger Teilnehmenden in der Auswertung. Ob einige oder alle der Teilnehmenden zusätzlich eine Psychotherapie bekommen haben, wird in der Studie nicht erwähnt. Das könnte das Ergebnis zusätzlich beeinflusst haben.

Im Vergleich mit Scheinmedikament

Die zweite Studie [2] untersuchte 60 Teilnehmende im Iran im mittleren Alter von 32 Jahren. Sie hatten einen Magnesiummangel und die Diagnose mittelschwere Depression bekommen. Auch hier entspricht die Diagnosestellung jedoch nicht den heutzutage üblichen Kriterien.

Die Teilnehmenden erhielten über einen Zeitraum von acht Wochen täglich Tabletten mit 500 Milligramm Magnesiumoxid (entspricht ungefähr 300 mg Magnesium) oder ein Scheinmedikament. Andere Mittel gegen Depressionen durften nicht eingenommen werden. Ob eine Psychotherapie erlaubt war bzw. wie viele Teilnehmende diese in Anspruch nahmen, wird in der Publikation nicht beschrieben.

Am Ende der Studie hatten die Teilnehmenden mit Magnesium etwas weniger Beschwerden als diejenigen, die das Scheinmedikament erhalten hatten. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht eindeutig, da die Daten einiger Teilnehmenden in der Auswertung fehlen und der Unterschied zwischen Magnesium und Placebo auch relativ klein ist und höchstens eine leichte Verbesserung darstellt. Vielleicht ist er im Alltag der Betroffenen auch gar nicht spürbar.

Magnesium als Ergänzung

An der dritten Untersuchung [3] nahmen 37 Erwachsene in Polen im mittleren Alter von rund 50 Jahren und mit einer verlässlich festgestellten schweren Depression teil. Sie hatten keinen Magnesiummangel (im Gegensatz zu den beiden anderen Studien).

Über einen Zeitraum von acht Wochen erhielten alle Teilnehmenden das Antidepressivum Fluoxetin in einer täglichen Dosis von 20 bis 40 Milligramm. Zusätzlich bekamen sie entweder täglich 120 mg Magnesium in Form von Tabletten oder Pulver oder ein Scheinmedikament. Andere Antidepressiva waren nicht erlaubt, ob eine begleitenden Psychotherapie möglich war, wird nicht erwähnt.

Am Ende der Studie zeigte sich bei den depressiven Beschwerden kein Unterschied zwischen den Gruppen.

[1] Barragan-Rodrìguez (2008)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 23 ältere Menschen mit Depression, Typ-2-Diabetes und Magnesiummangel
Fragestellung: Verbessert die Einnahme von Magnesium im Vergleich zu dem Antidepressivum Imipramin die depressiven Symptome?
Interessenkonflikte: keine Angabe

Barragan-Rodriguez L u.a. Efficacy and safety of oral magnesium supplementation in the treatment of depression in the elderly with type 2 diabetes: a randomized, equivalent trial. Magnes Res 2008; 21:218-23
(Zusammenfassung)

[2] Rajizadeh (2017)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 60 Menschen mit Depression und Magnesiummangel
Fragestellung: Verbessert die Einnahme von Magnesium im Vergleich zu Placebo die Depressionssymptome?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben der Autoren

Rajizadeh A u. a. Effect of magnesium supplementation on depression status in depressed patients with magnesium deficiency: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Nutrition 2017; 35:56-60.
(Zusammenfassung)

[3] Ryszewska-Pokraśniewicz B u.a. (2018)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 37 Erwachsene mit Depression
Fragestellung: Verbessert die Gabe von Magnesium zusätzlich zu dem Antidepressivum Fluoxetin Depressionssymptome mehr als Placebo?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben der Autoren

Ryszewska-Pokraśniewicz B u.a. Effects of Magnesium Supplementation on Unipolar Depression: A Placebo-Controlled Study and Review of the Importance of Dosing and Magnesium Status in the Therapeutic Response. Nutrients 2018; 10:1014.
(Zusammenfassung)
(Freier Volltext)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[4] Tarleton E.K., Littenberg B., MacLean CDKennedy A.G., Daley C. (2017) Role of magnesium supplementation in the treatment of depression: A randomized clinical trial. PLoS ONE. 2017;12:e0180067

[5] IQWiG (2020) Depression. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://www.gesundheitsinformation.de/depression.2125.de.html

[6] UpToDate (2020) Unipolar depression in adults: Epidemiology, pathogenesis, and
neurobiology. Abgerufen am 24.08.2020 unter https://www.uptodate.com/contents/unipolar-depression-in-adults-epidemiology-pathogenesis-and-neurobiology

[7] Österreichische Gesellschaft für Ernährung (2019) Nahrungsinhaltsstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://www.oege.at/index.php/bildung-information/nahrungsinhaltsstoffe/2-uncategorised/1121-nahrungsinhaltstoffe-vitamine-mineralstoffe

[8] EFSA. Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to magnesium and “hormonal health” (ID 243), reduction of tiredness and fatigue (ID 244), contribution to normal psychological functions (ID 245, 246), maintenance of normal blood glucose concentrations (ID 342), maintenance of normal blood pressure (ID 344, 366, 379), protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage (ID 351), maintenance of the normal function of the immune system (ID 352), maintenance of normal blood pressure during pregnancy (ID 367), resistance to mental stress (ID 375, 381), reduction of gastric acid levels (ID 376), maintenance of normal fat metabolism (ID 378) and maintenance of normal muscle contraction (ID 380, ID 3083) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/20061. EFSA Journal 2010; 8:1807

[9] Max-Rubner-Institut (2008) Ergebnisbericht Teil 2: Nationale Verzehrsstudie II. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf

[10] Universität Wien, Departement für Ernährungswissenschaften.
Österreichischer Ernährungsbericht 2017. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://ernaehrungsbericht.univie.ac.at/ernaehrungsberichte-1998-2017/

[11] UpToDate (2020) Hypomagnesemia: Causes of hypomagnesemia. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://www.uptodate.com/contents/hypomagnesemia-causes-of-hypomagnesemia

[12] EMA (2013) Guideline on clinical investigation of medicinal products in the treatment of depression. Abgerufen am 25.08.2020 unter https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/guideline-clinical-investigation-medicinal-products-treatment-depression_en.pdf

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