Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Chia-Samen: gesunde Wirkung fraglich

Dem „Superfood“ Chia werden zahlreiche Wirkungen nachgesagt. Bisherige Studien deuten jedoch darauf hin, dass die schwarzen Samen die Gesundheit nicht fördern.

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Sinkt durch den regelmäßigen Konsum von Chia-Samen das Körpergewicht, der Blutzuckerspiegel oder der Cholesterinspiegel?

Ob Chia-Samen die Gesundheit fördern, ist nicht direkt untersucht. Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien weisen zumindest darauf hin, dass Chia keine Auswirkung auf Körpergewicht, Blutzucker und Cholesterinspiegel hat. Die Aussagekraft dies

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© Stephanie Frey - Fotolia.com Sieht lecker aus: Pudding aus gequollenen Chia-Samen
© Stephanie Frey – Fotolia.com

Ob gequollen als Pudding, in den Smoothie gerührt oder im Brot mitgebacken – Chia-Samen sind schwer in Mode. Davon zeugen auch zahlreiche Foodblogs, die hübsch garnierte Chia-Zubereitungen bewerben.

Nicht nur köstlich soll das gehypte „Superfood“ sein. Chia wird auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit nachgesagt. Schon die Azteken sollen von der angeblich gesundheitsfördernden Wirkung gewusst haben.

Wirkung von Chia-Samen kaum erforscht

Ein internationales Forschungsteam aus Malaysia, Thailand und Kanada wollte wissen, ob die Behauptungen tatsächlich stimmen. Die Teammitglieder suchten nach aussagekräftigen Studien zu Chia-Samen und fasste sie einer Übersichtsarbeit zusammen [1].

Das Ergebnis ihrer Recherche ist ernüchternd. Ob Chia-Samen die Gesundheit verbessern oder Krankheiten vorbeugen können, ist bisher nur unzureichend erforscht.
Die auswerteten Studien haben lediglich die Auswirkung auf Messungen wie Blutzucker- und Cholesterinwerte untersucht. Von ihnen lässt sich nicht direkt auf den Gesundheitszustand schließen.

Auch eine Wirksamkeit auf einzelne Messwerte legen sie nicht nahe:

  • So dürfte der regelmäßige Verzehr von Chia-Samen selbst nach mehr als fünf Monaten Blutfette wie Cholesterin und Triglyceride sowie den Blutzuckerwert eher nicht verbessern.
  • Auch eine gewichtsreduzierende Wirkung dürften Chia-Samen nicht haben.
  • Ob ihr Verzehr den Blutdruck senken kann, ist unklar [1].

Ob Chia gesundheitsfördernd wirkt, können diese Resultate nicht beantworten. Abgesehen davon wurden die Studien nicht sehr sorgfältig durchgeführt.

Gesunde Omega-3-Fette in Chia-Samen?

Weil der Körper Omega-3-Fettsäuren nicht selbst herstellen kann, müssen wir sie mit der Nahrung zu uns nehmen – darin sind sich Fachleute einig [4]. Wie Leinsamen, Walnüsse oder Rapsöl enthalten auch Chia-Samen eine große Menge der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure [3]. Das „gesunde Fett“ in den Chiasamen gilt als ein Argument dafür, warum diese so gesund sein sollen.

Allerdings ist die zusätzliche Einnahme dieser Fettsäuren keineswegs besonders gesund für Herz und Kreislauf. Studien widersprechen einer solchen Wirkung klar, wie Medizin-transparent bereits untersucht hat. Demnach können Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fetten das Risiko für einen frühzeitigen Tod durch Herzinfarkt, Schlaganfall oder sonstige Erkrankungen nicht senken. Das gilt auch für Alpha-Linolensäure [2].

Superfood mit Gesundheitsrisiken?

Nicht nur die Wirkungen von Chia auf die Gesundheit sind schlecht erforscht. Laut Europäischer Lebensmittel-Sicherheitsbehörde EFSA ist auch die Studienlage zu unerwünschten Nebenwirkungen und Gefahren von Chia-Samen dürftig [4]. Diese wurden der Behörde zufolge nicht ausreichend untersucht. Daher empfiehlt die EFSA, pro Tag höchstens 15 Gramm der Samen zu essen [5] – das ist etwa ein Esslöffel voll.

In bisher veröffentlichten Studien haben sich keine schwerwiegenden Nebenwirkungen gezeigt. Lediglich in einer Untersuchung berichtet ein Forschungsteam über Verdauungsprobleme, ohne näher auf Details einzugehen [4].

Bekannt ist, dass Chia-Samen stark aufquellen. Diese Eigenschaft wurde für einen 39-jährigen Mann zum Problem Er aß einen Esslöffel trockener Chia-Samen und spülte sie mit einem Glas Wasser hinunter. Aufgrund von Schluckproblemen quollen die Samen in der Speiseröhre stark auf und blieben im Hals stecken. Erst ein Besuch im Krankenhaus brachte Abhilfe [6].

Manche Menschen könnten auf Chia-Samen allergisch reagieren, insbesondere wenn sie bereits eine andere Nahrungsmittelallergie haben. So gibt es Berichte über Kreuzallergien bei Personen, die ursprünglich nur auf Oregano, Thymian, Erdnüsse oder Sesam allergisch reagiert haben [4].

Die Studien im Detail

Ein internationales Forschungsteam aus Malaysia, Thailand und Kanada hat die Studienlage bis 2017 zusammengefasst [1]. Sie fanden 14 randomisiert-kontrollierte Studien mit insgesamt 526 Teilnehmenden. Bei einer eigenen Recherche konnten wir keine darüber hinaus gehenden Studien finden.

In den analysierten Studien wurden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugewiesen: Die Chia-Gruppe aß täglich je nach Studie zwischen 4 und 50 Gramm Chia-Samen. Die Kontrollgruppe verzehrte zusätzlich zu ihrer normalen Ernährung Weizen, Hafer, Mohn-Samen oder nahm gar keine speziellen Samen oder Körner extra ein.

Nach 60 bis 168 Tagen verglichen die Autorinnen und Autoren je nach Studie verschiedene Werte der beiden Gruppen: Körpergewicht, Body-Maß-Index (BMI), Körperfett-Anteil, Hüftumfang, Langzeit-Blutzucker-Wert, Cholesterinspiegel, Triglycerid-Spiegel oder Blutdruck.

Ein Vorteil durch Chia zeigte sich für keinen Wert. Allerdings schätzen wir dieses Ergebnis als schlecht abgesichert ein.

Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist durch Mängel in der Studiendurchführung sowie die geringe Anzahl an Testpersonen stark eingeschränkt. Ein großes Problem war, dass die Teilnehmenden und die Forschungsteams wussten, wer in der Chia-Gruppe bzw. in der Kontrollgruppe war. Die damit verbundenen Erwartungshaltungen haben vielleicht die Ergebnisse verzerrt. Zudem ist für manche der Studien nicht ausgeschlossen, dass wichtige Daten fehlen [1].

Wie sich Chia-Samen tatsächlich langfristig auf die Gesundheit auswirken, wurde in diesen Arbeiten nicht untersucht. Somit ist unklar, ob der regelmäßige Genuss vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder anderen Krankheiten schützen kann.

[1] Teoh u.a. (2018)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 14 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende insgesamt: 526 Erwachsene
Fragestellung: Hat Chia einen Einfluss auf die Gesundheit?
Interessenskonflikte: Einer der Autoren hat mehrere Verbindungen zur Nahrungsergänzungsmittel-Industrie

Teoh SL, Lai NM, Vanichkulpitak P, Vuksan V, Ho H, Chaiyakunapruk N. Clinical evidence on dietary supplementation with chia seed (Salvia hispanica L.): a systematic review and meta-analysis. Nutr Rev. 2018 Apr 1;76(4):219-242. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Abdelhamid u.a. (2018)
Studienart: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 79 randomisierte kontrollierte Studien, davon 5 zu Alpha-Linolensäure
Teilnehmer insgesamt: 112,059, davon 19.327 in den Studien zu Alpha-Linolensäure
Behandlungsdauer: 12 bis 72 Monate, bis zu 40 Monate in den Studien zu Alpha-Linolensäure
Fragestellung: Können Omega-3-Fettsäuren (darunter auch Alpha-Linolensäure) vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einem frühzeitigen Tod schützen?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Abdelhamid AS, Brown TJ, Brainard JS, Biswas P, Thorpe GC, Moore HJ, Deane KH, AlAbdulghafoor FK, Summerbell CD, Worthington HV, Song F, Hooper L. Omega-3 fatty acids for the primary and secondary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Nov 30;11:CD003177. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[3] U.S. Department of Agriculture (2019)
Seeds, chia seeds, dried. USDA FoodData Central. Abgerufen am 4. 11. 2019 unter fdc.nal.usda.gov

[4] EFSA (2009)
Scientific Opinion of the Panel on Dietetic Products Nutrition and Allergies on a request from the European Commission on the safety of ‘Chia seed (Salvia hispanica) and ground whole Chia seed’ as a food ingredient. The EFSA Journal (2009) 996, 1-26. Abgerufen am 6. 11. 2019 unter bfr.bund.de

[5] EFSA (2013)
Durchführungsbeschluss der Kommission vom 22. Januar 2013 über die Genehmigung einer Erweiterung der Verwendungszwecke von Chiasamen (Salvia hispanica) als neuartige Lebensmittelzutat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates. Amtsblatt der Europäischen Union L 21/34 vom 24.1.2013. Abgerufen am 6. 11. 2019 unter www.bfr.bund.de

[6] Simmelink u.a. (2017)
Simmelink, A., Rawl, R. E., Browne, L., & Scobey, M. (2016). Watch it grow: Esophageal impaction with chia seeds. Case Reports in Internal Medicine, 4(2), 49. (Fallbericht in voller Länge)

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