Startseite ● Broncho-Vaxom: Schutz vor Atemwegsinfekten? Broncho-Vaxom: Schutz vor Atemwegsinfekten? Ob das Medikament Broncho-Vaxom vor Atemwegsinfekten schützt, ist unklar. Falls es eine vorbeugende Wirkung gibt, dürfte sie gering sein. 30. Oktober 2024 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Bernd Kerschner Jana Meixner Teilen Verringert Broncho-Vaxom die Häufigkeit von Atemwegsinfekten? wissenschaftliche Belege fehlen Forschungsergebnisse kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Manche Studien finden keine Wirksamkeit. Andere deuten darauf hin, dass Kinder mit Broncho-Vaxom geringfügig seltener Atemwegsinfekte haben als ohne. Diese Studien haben jedoch grobe Mängel und sind in ihrer Aussagekraft eingeschränkt. Bei Erwachsenen ist das Mittel nicht untersucht. so arbeiten wir Atemwegsinfekte sind bei Kindergartenkindern häufig ©FamVeld – istockphoto.com Eltern von Kindergartenkindern kennen das: Kaum ist die Erkältung beim Nachwuchs vorbei, läuft die Nase schon wieder. Manchmal kommen auch noch eine Bronchitis oder eine Mittelohrentzündung dazu. Zur Abhilfe wird Broncho-Vaxom beworben. Dabei handelt es sich um Kapseln mit Bestandteilen von abgetöteten Bakterien, die Atemwegsinfekte verursachen. Die Herstellerfirma empfiehlt eine Behandlung über ein bis drei Monate. Das soll die Häufigkeit von Atemwegsinfektionen wie Bronchitis verringern, indem das Immunsystem auf die Krankheitserreger trainiert wird. Die allermeisten Atemwegsinfektionen werden jedoch von Viren ausgelöst [Quelle 8]. Viren-Bestandteile sind in dem Präparat aber nicht enthalten – vor Erkältungsviren kann Broncho-Vaxom also keinesfalls schützen. Ein Leser wollte von uns wissen, ob Broncho-Vaxom dennoch hält, was es verspricht. Deshalb haben wir uns auf die Suche nach wissenschaftlichen Belegen gemacht. Geringer Nutzen oder wirkungslos? Es gibt zahlreiche Studien, die Broncho-Vaxom untersucht haben. Teilgenommen haben darin ausschließlich Kinder [Quellen 1-4]. Eine klare Antwort können die Studien nicht geben – denn sie kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Bei einigen zeigt sich eine Wirkungslosigkeit [Quellen 3,4]. Andere deuten einen geringfügigen Nutzen an: Während in diesen Studien Kinder mit Scheinmedikament 1 bis 5 mal in einem halben Jahr erkrankten, waren es mit Broncho-Vaxom 0,4 bis 4 Erkrankungen im selben Zeitraum [Quellen 1,2]. Aufgrund grober Mängel sind diese Ergebnisse jedoch nicht verlässlich. Insgesamt bleibt unklar, ob Broncho-Vaxom helfen kann. Falls es eine vorbeugende Wirkung gibt, dürfte sie nicht groß sein. Durchfall und Ausschlag möglich Nebenwirkungen wurden in den Studien nicht sehr ausführlich untersucht. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass mit Broncho-Vaxom Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, oder Haut-Probleme wie Ausschläge häufiger auftreten als mit einem Scheinmedikament [Quelle 1]. Diese Nebenwirkungen sind auch in der Produktinformation des Medikaments angeführt [Quelle 7]. Broncho-Vaxom: Verschreibungspflichtiges Arzneimittel Broncho-Vaxom ist in Deutschland und Österreich als Arzneimittel zur Vorbeugung bei wiederkehrenden Atemwegsinfekten zugelassen. Das Medikament kann für Kinder ab 1 Jahr, Jugendliche und Erwachsene eingesetzt werden, in beiden Ländern ist ein ärztliches Rezept nötig. Die Kosten für das Medikament übernimmt in Österreich die gesetzliche Krankenversicherung, in Deutschland dagegen nicht. Dauernd krank Im Durchschnitt haben Kinder sechs bis acht Atemwegsinfektionen pro Jahr, besonders im Herbst und Winter. Gerade wenn sie in einen Kindergarten gehen oder ältere Geschwister haben, können es jedoch auch bis zu zehn oder zwölf Infektionen pro Jahr sein. Wenn Eltern rauchen, steigt ebenfalls das Risiko für Atemwegsinfekte [Quellen 5,6]. In vielen Fällen sind die Kinder nach ein bis zwei Wochen wieder gesund. Weil Atemwegsinfekte durch viele unterschiedliche Krankheitserreger ausgelöst werden können, kann es passieren, dass sich das Kind kurz nach einer überwundenen Erkältung mit einem anderen Erreger ansteckt und erneut krank wird [Quelle 6]. Wenn sich Eltern Sorgen machen, können Kinderärztin oder Kinderarzt abklären, ob eventuell eine andere Grunderkrankung besteht, etwa allergisches Asthma oder eine Immunschwäche. Letztere ist aber eher selten [Quelle 5]. Gesicherte Informationen zu Erkältungen finden sich auf der Seite Gesundheit.gv.at. Wie sich Schnupfen, Halsweh und Husten am besten lindern lassen, und was eher nicht hilft, beschreibt die Seite Gesundheitsinformation.de. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Bei der Suche in mehreren Datenbanken haben wir uns auf Studien beschränkt, bei denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip entweder Broncho-Vaxom oder ein Scheinmedikament erhielten. Nur diese Studienform ist geeignet, die Wirksamkeit des Mittels aussagekräftig zu erforschen. Gefunden haben wir eine Reihe solcher Studien, an denen ausschließlich Kinder teilnahmen. Dazu gehört eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2006 [Quelle 1], die insgesamt neun bis dahin veröffentlichte Studien zusammenfasst. Zusätzlich haben wir noch drei aktuellere Studien gefunden [Quellen 2-4]. Studien mit Erwachsenen haben wir keine gefunden. Nicht berücksichtigt haben wir Studien, in denen Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen oder Immunschwäche teilgenommen haben. Wie aussagekräftig sind diese Studien? Insgesamt lässt sich anhand der Studien nur eine vorsichtige Einschätzung treffen. Der Grund sind grobe Mängel: Unvollständige Daten: In vielen Studien [Quellen 1,3] fehlen in der Auswertung die Daten etlicher Teilnehmender. Das kann das Ergebnis stark verzerren. Widersprüchliche Ergebnisse: In einigen Studien verhinderte Broncho-Vaxom etwa einen Infekt pro Halbjahr [Quelle 1], in anderen dagegen deutlich weniger [Quelle 2] oder sogar gar keinen [Quelle 3]. Unveröffentlichte Studien: Die Übersichtsarbeit [Quelle 1] fand Hinweise darauf, dass es einige Studien mit negativen Ergebnissen gibt, die nie veröffentlicht worden sind. Diesen Verdacht konnten wir bei der Suche nach neueren Untersuchungen bekräftigen: Eine Studie mit negativem Ergebnis [Quelle 3] ist nie in einer Fachzeitschrift erschienen, die Resultate sind nur in einem Studienregister publiziert. Wenn nur Studien mit positivem Ergebnis veröffentlicht sind, führt das zu einer Überschätzung der Wirksamkeit des Medikaments. Wissenschaftliche Quellen [1] Del-Rio-Navarro u. a. (2006) Immunostimulants for preventing respiratory tract infection in children. Cochrane Database Syst Rev 2006, CD004974.pub2 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [2] Esposito u. a. (2019) A randomized, placebo-controlled, double-blinded, single-centre, phase IV trial to assess the efficacy and safety of OM-85 in children suffering from recurrent respiratory tract infections. J Transl Med 2019;17:284 (Studie im Volltext) [3] Göhring u. a. (2017) Double-blind, placebo-controlled, randomised clinical study of Broncho-Vaxom® in children suffering from recurrent upper respiratory tract infections. EudraCT 2006-002980-17 (Ergebnisse im Studienregister) [4] De Souza u. a. (2020) OM-85 BV for primary prevention of recurrent airway infections: a pilot randomized, double-blind, placebo-controlled study. Einstein (Sao Paulo) 2020, 18:eAO5262 (Studie im Volltext) [5] UpToDate (2024)Approach to the child with recurrent infections. Abgerufen am 31.07.2024 unter uptodate.com [6] UpToDate (2024) The common cold in children: Clinical features and diagnosis. Abgerufen am 31.07.2024 unter uptodate.com [7] Fachinformation Broncho-Vaxom. Stand September 2022. Abgerufen am 06.08.2024 unter https://www.fachinfo.de/fi/pdf/024093 [8] Dynamed.com (2023) Upper Respiratory Infection (URI) in Children. Abgerufen am 16. 10. 2024 unter dynamed.com (Zugriff kostenpflichtig) Versionsgeschichte 30. Oktober 2024: erste Version Schlagworte AtemwegsinfektAtemwegsinfektionenBronchitisBroncho-VaxomErkältung In über 500 Faktenchecks suchen