Homöopathie bei Erkältung: wohl unwirksam bei Kindern

Aussagekräftige Studien zu Erkältung bei Kindern sprechen eher gegen die Wirksamkeit von Homöopathie – weder zur Linderung noch zur Vorbeugung.

AutorIn:
Review:  Bernd Kerschner 

Können homöopathische Mittel Erkältungskrankheiten bei Kindern vorbeugen?

Können homöopathische Mittel Erkältungskrankheiten bei Kindern lindern?

Insgesamt zeigte sich in Studien weder ein vorbeugender noch ein lindernder Effekt von Homöopathie bei Erkältungen (Verkühlungen) von Kindern. Für ein wirklich aussagekräftiges Ergebnis waren die verfügbaren Studien jedoch zu widersprüchlich und mangelhaft. Wissenschaftlich plausibel ist eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht.

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© Africa Studio - Shutterstock.com Homöopathie: Eher keine Hilfe für verkühlte Kinder.
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Kinder sind häufig erkältet (verkühlt). Es erwischt sie ca. sechs bis zehn Mal pro Jahr. In ihrer Ursache behandeln oder verkürzen lassen sich Erkältungskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Aber nach ein bis zwei Wochen ist die Krankheit meist ausgestanden [4,6].

Medikamente können lediglich die Symptome bekämpfen, die Kinder bei einer Erkältung quälen: also Schmerzen lindern, das Fieber senken oder die verstopfte Nase befreien [4,6]. Anstatt dieser Medikamente oder auch als Ergänzung dazu greifen manche Eltern zur Homöopathie.

Homöopathische Mittel gibt es in Form von Zuckerkügelchen („Globuli“), Tropfen oder auch Salben. Laut aktuellem Stand der Wissenschaft wirken sie bei verschiedenen Krankheiten nicht besser als Scheinmedikamente (Placebos) [2]. Wir haben hier darüber berichtet.

Aber wie sieht es mit der Wirksamkeit von Homöopathie gegen Erkältung bei Kindern aus? Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht.

Erkältung vorbeugen und heilen mit Homöopathie?

Bei unserer Suche fanden wir eine Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse bisheriger randomisierter kontrollierter Studien zusammenfasst [1]. Diese Studienart ist am besten geeignet, um die Wirksamkeit eines Medikaments zu untersuchen.

Das Autorenteam hinter der Übersichtsarbeit konnte elf solcher Studien finden und zusammenfassen. Darin wurde untersucht, ob Kinder durch die vorbeugende Einnahme homöopathischer Erkältungsmittel seltener und weniger schwer erkrankten.

Außerdem haben die Studien untersucht, ob homöopathische Globuli oder Tropfen Kindern gegen die typischen Erkältungsbeschwerden helfen – ob sie also eine wirksame Behandlung darstellen.

Nutzen zur Vorbeugung unwahrscheinlich

Das Fazit der Übersichtsarbeit: Wahrscheinlich ist die Homöopathie kein wirksames Mittel zur Vorbeugung einer Erkältung bei Kindern. Kinder, die regelmäßig homöopathische Mittel einnahmen, wurden in den Studien insgesamt nicht seltener krank und ihre Erkältungen verliefen auch nicht milder. Eingeschränkt ist diese Aussage dadurch, dass die Studien teilweise Mängel hatten.

Kein Hinweis auf Behandlungseffekt

Die Studien fanden auch keinen Effekt auf die Schwere und Dauer einer bereits bestehenden Erkältung. Kinder, die mit Homöopathie behandelt wurden, ging es nicht wesentlich besser als Kindern, die ein Placebo oder nur die übliche Versorgung zuhause bekommen hatten.

Gut abgesichert ist dieses Ergebnis aber nicht. Die wenigen gut durchgeführten Studien zeigten zwar eindeutig keinen Effekt von Homöopathie gegen Erkältung. Aber nicht alle Studien waren so solide durchgeführt. Sie kamen auch zu widersprüchlichen Ergebnissen. Das macht eine endgültige Antwort schwierig.

Kann ja nicht schade. Oder?

In den Studien wurden keine wesentlichen Nebenwirkungen von homöopathischen Mitteln festgestellt. Doch müssen wir kritisch anmerken, dass Homöopathie schaden kann. Beispielsweise dann, wenn sie an Stelle von notwendigen Medikamenten zum Einsatz kommt. In den meisten Fällen sind Viren die Auslöser von Erkältungskrankheiten, und dann sind Antibiotika nicht wirksam. Bei manchen Infekten, wie etwa Mittelohrentzündungen oder Mandelentzündung, kann jedoch eine Antibiotikatherapie sinnvoll sein [6]. Der Einsatz von Homöopathika kann in diesem Fall eine wirksame Therapie verzögern und die Erkrankung verschleppen.

Homöopathie: nicht wirksamer als Placebo

Homöopathie ist in Österreich, Deutschland und der Schweiz besonders beliebt [3]. Mit aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien bewiesen wurde ihre Wirksamkeit jedoch nie. Eine Besserung nach der Anwendung eines homöopathischen Mittels ist sehr wahrscheinlich auf den sogenannten Placeboeffekt zurückzuführen. Oder im Fall der Erkältung darauf, dass solche Infekte für gewöhnlich nach ein bis zwei Wochen ohnehin von selbst ausheilen, ob mit oder ohne Behandlung [4].

Große Übersichtsarbeit zeigt keinen Nutzen von Homöopathie

Ende 2014 hat die australische Gesundheitsbehörde die zurzeit wohl umfangreichste Übersichtsarbeit zur Homöopathie veröffentlicht [2]. Ziel war es herauszufinden, ob es Erkrankungen gibt, bei denen die Homöopathie helfen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass das nicht der Fall ist. Die australische Behörde rät davon ab, Homöopathie bei chronischen oder ernsthaften Erkrankungen anzuwenden bzw. bei Erkrankungen, die einen schweren Verlauf entwickeln können.

Mystische Theorie aus dem 18. Jahrhundert

Die Homöopathie geht auf den Arzt Samuel Hahnemann und seine Beobachtungen zurück, die er Ende des 18. Jahrhunderts bei Selbstversuchen machte [3]. Seit über 200 Jahren ist die Grundidee der Homöopathie unverändert: Substanzen, die bei Gesunden in ausreichend hoher Dosis Beschwerden oder Vergiftungserscheinungen auslösen, sollen sehr stark verdünnt genau jenen Menschen helfen, die (aus anderen Gründen) an ebendiesen Beschwerden leiden. Diese Theorie ist auch als „Ähnlichkeitsprinzip“ bekannt. Eine wissenschaftliche Erklärung für den behaupteten Mechanismus fehlt [2,3,5].

Heilmittel ohne Wirkstoff?

Für homöopathische Mittel werden Substanzen so stark verdünnt, dass sich darin mitunter kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr befindet. Homöopathische Mittel enthalten deshalb keine relevanten Mengen an Wirkstoff. Eine Wirksamkeit ist aufgrund des Fehlens von entsprechenden Substanzen in den Mitteln nicht plausibel und naturwissenschaftlich nicht erklärbar [3].

Verständliche und wissenschaftlich fundierte Informationen zur Homöopathie liefert das Informationsnetzwerk Homöopathie.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir suchten in drei Datenbanken nach wissenschaftlichen Studien zur Homöopathie gegen Erkältung im Kindesalter.

Eine aussagekräftige Studie sähe folgendermaßen aus: Kinder werden per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine nimmt regelmäßig ein homöopathisches Anti-Erkältungsmittel ein, die andere ein gleich aussehendes und schmeckendes Schein-Mittel, ein sogenanntes Placebo. Weder die Kinder und ihre Eltern, noch das Forschungsteam sollten wissen, wer welcher Gruppe angehört.

Nach zum Beispiel einem Jahr untersucht dann das Forschungsteam, wie oft die Kinder in den beiden Gruppen im vergangenen Jahr krank waren. Nur so lässt sich herausfinden, ob das homöopathische Mittel tatsächlich vor Erkältung schützt.

Ganz ähnlich könnte auch eine Studie zur Behandlung aussehen – nur dass dafür bereits erkältete Kinder auf die Gruppen verteilt werden. In diesem Fall untersucht das Forschungsteam, welche Gruppe schneller gesund wird und weniger Beschwerden hat – die Homöopathie- oder die Placebo-Gruppe.

Wir fanden eine aussagekräftige Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022, die die Ergebnisse von 11 solchen randomisiert-kontrollierten Studien zusammenfasst [1]. An den Studien nahmen insgesamt 1.813 Kinder teil.

Um auf dem aktuellen Stand zu sein, haben wir auch nach später veröffentlichten Studien gesucht, sind allerdings nicht fündig geworden.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die in der Übersichtsarbeit [1] zusammengefassten Studien untersuchten, ob Kinder mit akuten oder immer wiederkehrenden Erkältungskrankheiten von homöopathischen Mitteln profitieren – einerseits zur Vorbeugung, andererseits zur Behandlung.

Vollkommen verlässliche Antworten konnten die analysierten Studien jedoch nicht liefern.

  • Zwischen den einzelnen Studien gab es erhebliche Qualitätsunterschiede und einige hatten grobe Mängel. Bei manchen wurden zum Beispiel wichtige Zahlen und Ergebnisse nicht berichtet. Viele der Studien wurden außerdem von Herstellern homöopathischer Mittel in Auftrag gegeben.
  • Die Studien kamen teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen und waren sehr unterschiedlich. Das macht es schwierig, ihre Ergebnisse sinnvoll zusammenzufassen.
  • Die Ergebnisse der einzelnen Studien waren mit viel Unsicherheit behaftet. Das macht auch das abschließende Gesamtergebnis unsicher.

 

[1] Hawke K, et al. (2022). Homeopathic medicinal products for preventing and treating acute respiratory tract infections in children. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 12. Art. No.: CD005974. (Link zur Studie)

[2] Übersichtsarbeit der australischen Gesundheitsbehörden
National Health and Medical Research Council. (2015).
NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions.
Abgerufen am 13.10.2021 unter www.nhmrc.gov.au

[3] Cukaci, C., Freissmuth, M., Mann, C., Marti, J., & Sperl, V. (2020). Against all odds—the persistent popularity of homeopathy. Wiener klinische Wochenschrift, 132(9), 232-242. (Link zur Arbeit)

[4] UpToDate (2021)
Pappas DE. The common cold in children: Clinical features and diagnosis. In: UpToDate, Torchia MM (Ed), UpToDate, Waltham, MA.
Abgerufen am 13.10.2021 unter www.uptodate.com

[5] Gesundheitsinformation.de
Abgerufen am 13.10.2021 unter www.gesundheitsinformation.de

[6] Gesundheitsinformation.de

Abgerufen am 21.10.2021 unter www.gesundheitsinformation.de

19.2.2024: Bei einer Update-Suche finden wir eine neue Übersichtsarbeit, die drei weitere Studien beinhaltet. Sie bestätigt unsere bisherige Einschätzung.

2.11.2021: Ersteveröffentlichung des Faktenchecks

 

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