Brille mit Blaulichtfilter eher unwirksam

Studien deuten darauf hin, dass eine Brille mit Blaulichtfilter die Augen nicht besser vor Ermüdung schützt als eine herkömmliche Brille.

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Beugt eine Brille mit Blaulichtfilter ermüdeten Augen vor?

Bisherige Studien weisen auf eine fehlende Wirksamkeit von Brillen mit Blaulichtfilter hin. Im Vergleich zu herkömmlichen Brillen können sie eher nicht besser vor müden Augen durch Bildschirmarbeit schützen. Die Ergebnisse sind jedoch nur eingeschränkt aussagekräftig.

so arbeiten wir
© iStock - Doucefleur Augenermüdung durch Bildschirmarbeit
© iStock – Doucefleur

Wer viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt, hat oft trockene, gereizte oder tränende Augen oder bekommt leicht Kopfschmerzen. Meist wird auch von „müden Augen“ im Zusammenhang mit Bildschirmarbeit gesprochen [3].

Diese Symptome sollen durch den erhöhten Blaulichtanteil im Licht von LEDs (kurz für light emitting diodes, auf Deutsch Leuchtdioden) ausgelöst werden – so ein weit verbreiteter Mythos und häufige Werbebehauptung. Diese Leuchtmittel findet man in Bildschirmen vieler Geräte.

Manche Optiker und Augenärztinnen empfehlen daher eine Brille mit Blaulichtfilter. Für einen Aufpreis von 50 bis 100 Euro soll man seine Augen vor Blaulicht schützen können.

Wir haben uns die Studienlage dazu angesehen.

Brille mit Blaulichtfilter eher nutzlos

Bei unserer Suche nach aussagekräftigen Studien sind wir auf eine Übersichtsarbeit des unabhängigen Forschungsnetzwerks Cochrane gestoßen.

Das Forschungsteam hinter der Übersichtsarbeit hat alle relevanten Studien zusammengefasst. Darin wurde untersucht, ob Brillen mit Blaulichtfilter besser vor einer Augenermüdung schützen als herkömmliche Brillen (mehr siehe Abschnitt „Studien im Detail“).

Die Übersichtsarbeit zeigt jedoch bei keiner der Beschwerden einen Unterschied – egal ob bei schmerzenden, überanstrengten, trockenen, tränenden, gereizten und brennenden Augen, sowie bei verschwommenem Sehen und Kopfschmerzen.

Da die analysierten Studien nur eingeschränkt aussagekräftig sind, ist die vermutete Wirkungslosigkeit nicht gut abgesichert.

Bisher gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass speziell der Blaulichtanteil von LEDs überhaupt verantwortlich ist für Symptome, die mit viel Bildschirmarbeit in Zusammenhang stehen [1].

Wohl keine Verbesserung der Sehleistung

Wurde eine verminderte Sehschärfe mit einer optischen Linse bereits korrigiert, kann ein zusätzlicher Blaulichtfilter die Sehschärfe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht weiter verbessern [1].

Unbelegter Einfluss auf Schlaf

Brillen mit Blaulichtfilter werden auch damit beworben, die Schlafqualität zu verbessern. Das wurde allerdings noch nicht in aussagekräftigen Studien untersucht [1]. Diese Behauptung ist daher aus der Luft gegriffen.

Wir haben zu der Einstellung „Nachtmodus“ für Bildschirmgeräte, die den blauen Anteil von Licht filtern soll, schon einen Faktencheck gemacht. Sie verbessern den Schlaf wohl nicht.

Keine Belege für Einfluss auf Makuladegeneration

Im Alter lässt die Sehkraft meist nach. Eine mögliche Ursache dafür ist die sogenannte altersbedingte Makuladegeneration. Dabei geht langsam die Sehfähigkeit in jenem Teil der Netzhaut verloren, der für scharfes Sehen wichtig ist – der Makula.

Es gibt allerdings keine Studien, die einen Zusammenhang zwischen Bildschirm-Licht und dieser Erkrankung bei Menschen belegen können[1].

Bildschirme mit LED-Licht sind allerdings noch nicht lange am Markt. Es gibt also vermutlich nur wenige Menschen, die über viele Jahrzehnte dem Licht solcher Bildschirme ausgesetzt waren und bereits das Alter für eine Makuladegeneration erreicht haben. Zwischen 65 und 75 ist rund eine von 100 Personen betroffen, über 85 sind es 10 bis 20 von 100 Personen [5].

Mögliche Nebenwirkungen von Brillen mit Blaulichtfiltern

Bei gesunden Erwachsenen ist nach wie vor unklar, ob und welche Nebenwirkungen Brillen mit Blaulichtfilter haben könnten. Studien mit gesunden Teilnehmenden haben diese teilweise gar nicht erhoben.

Einige Studienteilnehmende waren schon vor Beginn der Studie mit einer Depression diagnostiziert worden. Von ihnen berichteten einzelne, dass die Brille mit Blaulichtfilter die Depression verstärkte.

Wie bei den anderen Studienergebnissen sind auch die Erkenntnisse zu den Nebenwirkungen nicht gut abgesichert.

Worin unterscheidet sich LED-Licht von Sonnenlicht?

Weißes Licht, egal ob Sonnenlicht oder Kunstlicht, ist eigentlich eine Mischung aus verschiedenen Lichtfarben – wie beim Regenbogen. Diese Mischung von bunten Lichtfarben nehmen wir als weißes Licht wahr. Bei LEDs ist der Anteil an blauem Licht etwas größer als der Anteil anderer Lichtfarben. Das dabei entstehende Licht empfinden wir daher als kühler als etwa Sonnenlicht.

Blaues Licht: Schaden beim Menschen nicht nachgewiesen

Die altersbedingte Makuladegeneration ist eine Erkrankung der Netzhaut. Die Theorie, dass blaues Licht die Netzhaut schädigt und dadurch zu dieser Erkrankung beiträgt, beruht auf Tierstudien von 1966 und 1982.

In der Studie von 1982 wurden die Augen von Affen mit intensivem blauem Licht bestrahlt – wobei den Versuchstieren zuvor die Linsen aus den Augen herausoperiert wurden [7]. Normalerweise wird blaues Licht durch die Linse abgeschwächt, bevor es auf die Netzhaut trifft. Auch verfügt die Netzhaut über mehrere gut funktionierende Abwehrmechanismen [1].

Die Studie von 1966 experimentierte mit Albino-Ratten. Im Vergleich zu herkömmlichen Ratten haben die Augen von Albino-Ratten keinen schützenden Farbstoff, sie sind also sehr viel empfindlicher. Weiters wurden ihre Pupillen künstlich erweitert durch ein Medikament (Atropin) und die sehr helle Lichtquelle wurde nur einen Zentimeter vor den Augen platziert [6].

Obwohl die berichteten Netzhautschädigungen der beiden Studien nur unter unnatürlichen Bedingungen zustande kamen, leiteten die Forschenden die Hypothese ab, der blaue Anteil von LEDs könne in Zusammenhang mit der altersbedingten Makuladegeneration stehen.

Außerdem kamen LEDs, die weißes oder blaues Licht erzeugen können, erst 10 Jahre nach Veröffentlichung der neueren Tierstudie auf den Markt [4].

Zell- und Tierexperimente sind wichtig, um auf potentielle Zusammenhänge aufmerksam zu machen. Sie können jedoch keine Wirksamkeit beim Menschen belegen. Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Belege, dass LEDs zu Netzhautschäden im menschlichen Auge oder zu altersabhängiger Makuladegeneration beitragen [1].

Mögliche Erklärungen für Augenermüdung

Wenn wir lange Zeit auf einen nahen Punkt – etwa einen Bildschirm – schauen, kann das unsere Augen anstrengen. Die Augen sind es gewohnt abwechselnd entspannt in die Ferne zu blicken und in der Nähe zu fokussieren. Zum Fokussieren muss sich die Linse im Auge mithilfe eines kleinen Muskels auf Nahsicht einstellen – und das ist auf Dauer anstrengend [2].

Mehr Informationen

Wie ein gesunder Bildschirmarbeitsplatz aussehen könnte, lesen Sie auf dem Gesundheitsportal Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Um beantworten zu können, ob eine Brille mit Blaulichtfilter vor einer Augenermüdung durch Bildschirmarbeit schützen, suchten wir in zwei verschiedenen Datenbanken nach Studien. Genauer: nach randomisiert-kontrollierten Studien. Dafür werden Studienteilnehmende zufällig (randomisiert) zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe trägt eine Brille mit Blaulichtfilter, die andere Gruppe ist die Kontroll-Gruppe und trägt eine herkömmliche Brille ohne Blaulichtfilter (kontrolliert). Das ermöglicht einen Vergleich zwischen den beiden Gruppen, um mögliche Effekte tatsächlich dem Blaulichtfilter zuschreiben zu können.

Wir haben eine Übersichtsarbeit gefunden, die die Ergebnisse der bis März 2022 veröffentlichten randomisiert-kontrollierten Studien zusammengefasst und auf ihre Aussagekraft bewertet hat. Diese Übersichtsarbeit wurde von dem unabhängigen Forschungsnetzwerk Cochrane erstellt[1]. Aktuellere Übersichtsarbeiten konnten wir nicht finden.

Die Forschenden von Cochrane fassten in ihrer Übersichtsarbeit 17 Studien aus 6 Ländern zusammen. Insgesamt wurden 619 erwachsene Studienteilnehmende in die zwei Untersuchungsgruppen eingeteilt.

  • Drei Studien untersuchten die visuelle Ermüdung (ermüdete Augen).
  • Eine potentielle Verbesserung der Sehleistung untersuchte eine Studie.
  • Zur Verbesserung der Schlafqualität gibt es keine aussagekräftigen Studien.
  • Ob Blaulicht ein Risikofaktor für altersbedingte Makuladegeneration ist, konnten die Autorinnen und Autoren der Übersichtsarbeit nicht feststellen. Es gibt keine relevanten wissenschaftlichen Untersuchungen dazu.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die in der Übersichtsarbeit eingeschlossenen Studien wurden jeweils auf ihre Aussagekraft beurteilt.

  • Studien zur Augenermüdung haben eine geringe Aussagekraft. Es ist teilweise unklar, ob das Forschungsteam und die Teilnehmenden wussten, wer eine Brille mit Blaulichtfilter und wer eine ohne hatte. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass die Wirksamkeit von Blaulichtfiltern in Brillen aufgrund der Erwartung zu positiv beurteilt wurde. Außerdem war die Anzahl der Teilnehmenden (120 Personen) zu gering für ein aussagekräftiges Ergebnis. Für ein sicheres Ergebnis wären mindestens 300 Teilnehmende nötig. Und auch die Ergebnisse der Studien sind teilweise sehr ungenau.
  • Die Studie zur Sehleistung hat eine moderate – also eine etwas bessere Aussagekraft. In einer der Studien waren die Forschenden, die die Daten auswerteten, nicht verblindet.
  • Studien zur Schlafqualität haben eine so schlechte Aussagekraft, dass man deren Ergebnissen nicht vertrauen kann – es gibt also keine aussagekräftigen Studien. Die Mängel der bewerteten Studien betreffen beispielsweise die Verblindung. Sowohl Teilnehmende als auch jene Forschenden, die die Daten auswerteten, waren teilweise nicht verblindet. Außerdem war die Anzahl der Teilnehmenden (148 Personen) zu gering für ein aussagekräftiges Ergebnis. Die zwei Untersuchungsgruppen waren schon zu Beginn der Studie unterschiedlich. Möglich ist also, dass das scheinbar positive Ergebnis durch diesen Unterschied zu Beginn zustande gekommen ist, und nicht durch die vermeintliche Wirkung von Brillen mit Blaulichtfilter.
  • Keine der Studien, die in der Übersichtsarbeit inkludiert sind, untersuchte den Einfluss von „Blaulicht“ auf eine altersbedingte Makuladegeneration – es gibt also keine relevanten wissenschaftlichen Untersuchungen dazu. Bisher wurden hauptsächlich Zell- und Tierexperimente dazu durchgeführt, die immer nur Hinweise liefern können, aber keine Beweise.

[1] Singh et al. (2023). Blue-light filtering spectacle lenses for visual performance, sleep, and macular health in adults. Cochrane Database Syst Rev, 8(8), Cd013244. (Link zur Studie)

[2] Motlagh& Geetha. (2022). Physiology, Accommodation. In: StatPearls Publishing. (Link zum Buchkapitel)

[3] American Optometric Association. (2020). Computer Vision Syndrome. Abgerufen am 14.09.2023 unter (Link zur Seite)

[4] Feezell& Nakamura. (2018). Invention, development, and status of the blue light-emitting diode, the enabler of solid-state lighting. Comptes Rendus Physique, 19(3), 113-133. (Link zur Studie)

[5] IQWiG – Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. (2020). Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Abgerufen am 20.09.2023 unter gesundheitsinformation.de

[6] Noell et al. (1966). Retinal damage by lights in rats. Investigative ophthalmology, 5(5), 450-473.

[7] Ham et al. (1982). Action spectrum for retinal injury from near-ultraviolet radiation in the aphakic monkey. Am J Ophthalmol, 93(3), 299-306. (Link zur Studie)

  • 2.10.2023: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks.

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