Startseite ● Zimt: keine Blutzucker-Senkung bei Diabetes Zimt: keine Blutzucker-Senkung bei Diabetes Zimt soll angeblich den Blutzucker bei Diabetes senken. An diesem Mythos ist jedoch nichts dran, zeigen bisherige Studien. 12. Dezember 2025 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Jana Meixner Teilen Senkt Zimt den Blutzuckerspiegel bei Diabetes? wahrscheinlich nicht Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen, dass Zimt den Langzeit-Blutzucker-Wert (HbA1c) bei Diabetes wahrscheinlich nicht senkt. Dieser Wert gibt an, wie hoch der Blutzucker in den vergangenen zwei bis drei Monaten im Durchschnitt war. so arbeiten wir © Dalibro – shutterstock.com Ob Glühwein, Grießbrei oder Apfelstrudel – Zimt und Zucker harmonieren nicht nur in der Küche gut. Angeblich soll sich Zimt auch positiv auf den Blutzuckerspiegel bei Diabetes auswirken. Das behaupten zumindest zahlreiche Webseiten und Influencer. Sie bewerben Kapseln mit Zimt als Nahrungsergänzungsmittel für eine „natürliche Blutzuckerregulierung“. Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten. In Deutschland sind rund 12 von 100 Menschen betroffen [Quelle 12]. Bei der Krankheit gelingt es dem Körper nicht, die Zuckerkonzentration im Blut auf ein gesundes Maß zu senken. Auf Dauer schädigt das den Körper. Zimt: Kein Effekt auf Blutzucker Hilft Zimt tatsächlich bei Diabetes? Um diese Behauptung überprüfen, haben wir wissenschaftliche Datenbanken nach aussagekräftigen Studien durchforstet. Finden konnten wir 16 Studien, die das untersucht haben [Quellen 1-11]. Ihre zusammengefassten Ergebnisse zeigen: Zimt kann den Blutzuckerspiegel von Diabetes-Betroffenen wahrscheinlich nicht senken. In den Studien nahmen insgesamt rund 1200 Menschen mit Diabetes teil. Die Hälfte von ihnen nahm täglich Nahrungsergänzungsmittel mit Zimt ein, die andere Hälfte ein Scheinpräparat – ein Placebo. Zwei bis vier Monate später zeigte sich kein Unterschied bei den Blutzuckerwerten der beiden Gruppen. Gemessen wurde der Langzeit-Blutzucker-Wert (HbA1c). Er zeigt an, wie hoch der Blutzucker in den vergangenen zwei bis drei Monaten im Durchschnitt war und ist daher besonders aussagekräftig. Unerforschte Nebenwirkungen Nur einige der Studien untersuchten auch mögliche Nebenwirkungen. Dabei berichteten die Teilnehmenden keine negativen Auswirkungen von Zimt [Quellen 1,2,6,8,11]. Da die Studien aber nur 2 bis 4 Monate liefen, bleibt unklar, ob vielleicht eine längerfristige Einnahme von großen Mengen Zimt zu Gesundheitsproblemen führen könnte. Cassia-Zimt: in großen Mengen gesundheitsschädlich Denn Cassia-Zimt – die häufigste bei uns erhältliche Zimt-Art – enthält gesundheitsschädliches Cumarin. Für diesen Stoff ist gesichert, dass er in größeren Mengen Leberschäden verursachen kann. Fachleuten des Bundesinstituts für Risikoforschung in Deutschland zufolge sollte eine erwachsene Person mit 60 Kilo auf Dauer daher nicht mehr als zwei Gramm Cassia-Zimt pro Tag essen. Das entspricht etwa einem gestrichenen Teelöffel Zimtpulver [Quelle 13]. Für eine 90 Kilo schwere Person wäre somit eine tägliche Menge von bis zu drei Gramm unbedenklich. Die in den Studien untersuchte Zimt-Dosis reicht von 0,5 bis 6 Gramm pro Tag, übersteigt teilweise also den als sicher geltenden Grenzwert. Der teurere Ceylon-Zimt enthält im Gegensatz zu Cassia-Zimt kaum Cumarin [Quelle 13]. Zu viel Zucker im Blut Es gibt zwei Arten von Diabetes: Etwa 9 von 10 Betroffenen haben Diabetes vom Typ 2. Dieser Typ wird auch „Altersdiabetes“ genannt, weil er sich oft erst im fortgeschrittenen Alter bemerkbar macht. Bei Typ 2 Diabetes sind die Körperzellen unempfindlich geworden für das Hormon Insulin. Insulin veranlasst die Zellen bei gesunden Menschen dazu, Zucker – ihre wichtigste Energiequelle – aus dem Blut aufzunehmen. Funktioniert das nicht mehr, bleibt der Zucker im Blut und sammelt sich dort an. Der seltenere Typ-1-Diabetes tritt meist schon im Kindes- oder Jugendalter auf. Dabei ist die Bauchspeicheldrüse geschädigt und produziert kaum oder gar kein Insulin mehr. Es gibt mehrere Faktoren, die das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen. Dazu gehören Übergewicht, wenig Bewegung und Rauchen [Quellen 14,15]. Diabetes spürt man nicht Eine Diabetes-Erkrankung kann gravierende Folgen haben: Sie reichen von schlecht heilenden Wunden bis zu Schäden an Augen, Nerven und Nieren. Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall ist erhöht [Quelle 14]. Das Tückische: Ein hoher Blutzuckerspiegel tut nicht weh. Schäden treten erst dann auf, wenn es zu spät ist und sind meist nicht mehr rückgängig zu machen. Eine frühe Behandlung von Diabetes kann dem vorbeugen. Wie sich Typ-2-Diabetes vorbeugen und behandeln lässt, beschreibt die unabhängige, wissenschaftsbasierte Plattform Gesundheitsinformation.de und das öffentliche Gesundheitsportal in Österreich. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Ob Zimt den Blutdruck bei Diabetes senken kann, lässt sich am aussagekräftigsten in randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen. Dabei werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugelost. Die Behandlungsgruppe nimmt täglich Kapseln mit Zimtpulver ein. Die Kontrollgruppe schluckt gleichaussehende Kapseln ohne Zimt – ein Placebo. Wichtig dabei ist, dass weder die Teilnehmenden noch die Forschenden wissen, wer die Zimt-Kapseln nimmt und wer die Placebo-Kapseln. Denn bereits die Erwartung an eine Wirkung kann die Teilnehmenden motivieren, besser auf ihren Blutzucker zu achten. Dieser sogenannte Placeboeffekt kann die Ergebnisse verzerren, wenn die Zuteilung zur Behandlungs- und Kontrollgruppe nicht geheim gehalten wird. Am Ende der Studie wird verglichen: Ist der Langzeit-Blutzucker-Wert HbA1c in der Behandlungsgruppe stärker abgesunken als in der Placebo-Gruppe? Nur wenn es hier einen deutlichen Unterschied gibt, ist das der Beweis, dass Zimt den Blutzucker senken kann. Ein australisches Forschungsteam hat alle derartigen Studien bis zum Jahr 2011 zusammengefasst – in Summe waren es 6 Studien. Bei unserer Recherche haben wir noch 10 aktuellere gefunden. Wie aussagekräftig sind die Studien? Wir haben alle 16 Studien [Quellen 1-11] rechnerisch in einer sogenannten Metaanalyse zusammengefasst. Eine solche Zusammenfassung ist deutlich aussagekräftiger als die Ergebnisse einzelner Studien. Das Ergebnis: In Summe ist eine Blutzucker-senkende Wirkung von Zimt unwahrscheinlich. Trotzdem sind wir uns bei dem Ergebnis nicht ganz sicher, denn die meisten der Studien haben einige Mängel: Unklare Verblindung: Einzelne Studien haben eine scheinbare Wirksamkeit ergeben. Da nicht immer klar ist, ob die Zuteilung zur Behandlungs- und Kontroll-Gruppe geheim gehalten worden ist, sind diese Ergebnisse jedoch nicht vertrauenswürdig. Denn jene, die wussten, dass sie Zimt einnahmen, hatten sich vielleicht anders verhalten. Das könnte eine scheinbare Wirksamkeit andeuten, selbst wenn das untersuchte Mittel unwirksam ist. Daten unvollständig: Oft wurden die Daten von Teilnehmenden nicht in der Auswertung berücksichtigt, wenn diese die Studie abgebrochen hatten. Vereinzelt wurden auch nicht immer alle Ergebnisse vollständig berichtet. Das macht uns misstrauisch. Widersprüchliche Ergebnisse: Im Durschnitt hatte Zimt keinen relevanten Effekt auf den Blutzucker. Es gab jedoch drei Studien, die einen Effekt gefunden haben wollen. Woran dieses sehr abweichende Ergebnis liegt, können wir uns nicht vollständig erklären. Wissenschaftliche Quellen [1] Leach et al. (2012) Cinnamon for diabetes mellitus. The Cochrane database of systematic reviews, 2012(9), CD007170. (Übersichtsarbeit in voller Länge) [2] Vafa et al. (2012) Effects of cinnamon consumption on glycemic status, lipid profile and body composition in type 2 diabetic patients. International journal of preventive medicine, 3(8), 531–536. (Studie in voller Länge) [3] Hasanzade et al. (2013) The Effect of Cinnamon on Glucose of Type II Diabetes Patients. Journal of traditional and complementary medicine, 3(3), 171–174. (Studie in voller Länge) [4] Azimi et al (2014) Effects of Cinnamon, Cardamom, Saffron, and Ginger Consumption on Markers of Glycemic Control, Lipid Profile, Oxidative Stress, and Inflammation in Type 2 Diabetes Patients. The review of diabetic studies : RDS, 11(3-4), 258–266. (Studie in voller Länge) [5] Mirfeizi et al. (2016) Controlling type 2 diabetes mellitus with herbal medicines: A triple-blind randomized clinical trial of efficacy and safety. Journal of diabetes, 8(5), 647–656. (Zusammenfassung der Studie) [6] Sengsuk et al. (2015) Effect of cinnamon supplementation on glucose, lipids levels, glomerular filtration rate, and blood pressure of subjects with type 2 diabetes mellitus. Diabetology international, 7(2), 124–132. (Studie in voller Länge) [7] Talaei et al. (2017) Effects of Cinnamon Consumption on Glycemic Indicators, Advanced Glycation End Products, and Antioxidant Status in Type 2 Diabetic Patients. Nutrients, 9(9), 991. (Studie in voller Länge) [8] Zare et al. (2019) Efficacy of cinnamon in patients with type II diabetes mellitus: A randomized controlled clinical trial. Clinical nutrition (Edinburgh, Scotland), 38(2), 549–556. (Zusammenfassung der Studie) [9] Deyno et al. (2019) Efficacy and safety of cinnamon in type 2 diabetes mellitus and pre-diabetes patients: A meta-analysis and meta-regression. Diabetes research and clinical practice, 156, 107815. (Zusammenfassung der Studie) [10] Davari et al. (2020) Effects of cinnamon supplementation on expression of systemic inflammation factors, NF-kB and Sirtuin-1 (SIRT1) in type 2 diabetes: a randomized, double blind, and controlled clinical trial. Nutrition journal, 19(1), 1. (Studie in voller Länge) [11] Lira Neto et al. (2022) Efficacy of Cinnamon as an Adjuvant in Reducing the Glycemic Biomarkers of Type 2 Diabetes Mellitus: A Three-Month, Randomized, Triple-Blind, Placebo-Controlled Clinical Trial. Journal of the American Nutrition Association, 41(3), 266–274. (Zusammenfassung der Studie) [12] RKI (2024) Nationale Diabetes-Surveillance am Robert Koch-Institut (2024). Ergebnisse der Diabetes-Surveillance 2015 – 2024. Prävalenz dokumentierter Diabetes– Erwachsene. (Bericht in voller Länge) [13] Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR (2012) Neue Erkenntnisse zu Cumarin in Zimt. Stellungnahme Nr. 036/2012 des BfR vom 27. September 2012. Abgerufen unter www.bfr.bund.de [14] Gesundheitsinformation.de (2023) Diabetes Typ 2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Abgerufen am 10.12.2025 unter gesundheitsinformation.de [15] UpToDate (2025) Type 2 diabetes mellitus: Prevalence and risk factors. Abgerufen am 10.12.2025 unter uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig) Versionsgeschichte 22. 11. 2018: erste Version des Faktenchecks 12. 12. 2025: Berücksichtigung aktuellerer Studien, keine Änderung der Einschätzung, aber Überarbeitung des Artikeltexts Schlagworte BlutzuckerCassiaCeylonDiabetesZimt In über 600 Faktenchecks suchen Suchbegriff eingeben: Suchen