Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Osteoporose: Schützt Vitamin K vor spröden Knochen?

Bei einer Osteoporose brechen Knochen leichter. Können Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin K helfen, Brüche zu verhindern?

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Senkt die Einnahme von Vitamin K bei älteren Frauen das Risiko für Knochenbrüche in der Wirbelsäule?

Senkt die Einnahme von Vitamin K bei älteren Frauen das Risiko für sonstige Knochenbrüche?

Die Einnahme von Vitamin K verringert das Risiko für Wirbelbrüche wohl eher nicht. Diese Einschätzung ist aber nicht gut abgesichert. Das Risiko für sonstige Knochenbrüche könnte sich möglicherweise reduzieren – allerdings nur geringfügig. Auch diese Einschätzung ist mit einiger Unsicherheit behaftet.

so arbeiten wir
© bepsy - Shutterstock.com Kann Vitamin K Brüche verhindern?
© bepsy – Shutterstock.com

Wenn ältere Menschen stürzen, sind Knochenbrüche keine Seltenheit, etwa am Oberschenkelhals. Ein Grund dafür: Mit zunehmendem Alter nimmt häufig die Knochendichte ab. Die Knochen brechen also leichter.

Unterschreitet die Knochendichte einen bestimmten Wert, sprechen Fachleute von einer „Osteoporose“. Betroffen sind vor allem ältere Frauen nach den Wechseljahren. Bei einer Osteoporose können die Knochen in der Wirbelsäule (sog. „Wirbelkörper“) auch ohne Sturz brechen [3].

Vor einiger Zeit haben Medien darüber berichtet, dass Vitamin K helfen soll, eine Osteoporose zu verhindern. Das Vitamin soll auch dazu geeignet sein, eine Osteoporose zu behandeln. Eine Leserin wollte von uns wissen, ob das tatsächlich stimmt.

Theoretisch plausibel

Ganz abwegig ist die Idee nicht: Denn in Knochenzellen spielt Vitamin K eine wichtige Rolle für die Stabilität – das haben Laborversuche gezeigt. Aus Ernährungsstudien ist außerdem bekannt, dass es bei Menschen mit einer höheren Zufuhr von Vitamin K durch die Nahrung seltener zu Knochenbrüchen kommt [1].

Bei dieser Art von wissenschaftlichen Untersuchungen ist es jedoch nicht klar, ob der Schutz vor Knochenbrüchen tatsächlich etwas mit Vitamin K zu tun hat. Oder gibt es hier vielleicht andere Faktoren, die in den Studien nicht erfasst wurden?

Deshalb muss die Theorie in Studien untersucht werden, in denen Menschen Vitamin K einnehmen oder auf solche Nahrungsergänzungsmittel verzichten. Außerdem wichtig: Die Zuordnung (Vitamin K: ja bzw. nein) muss nach dem Zufallsprinzip erfolgen, um den Einfluss anderer Faktoren auszuschalten.

Vitamin K als Behandlungsbaustein

Genau nach solchen Studien – randomisiert und kontrolliert – haben wir gesucht und sind dabei auf eine aussagekräftige Zusammenfassung von solchen Untersuchungen [1] gestoßen. Enthalten sind elf Studien mit rund 8.400 älteren Frauen. Sie hatten zum Teil Osteoporose, zum Teil gesunde Knochen.

In den meisten Untersuchungen wurden Mittel mit einer speziellen Form von Vitamin K2, konkret Menachinon-4 (MK-4) über mehrere Jahre getestet. Fast alle Teilnehmerinnen erhielten außerdem noch andere Mittel zur Stärkung der Knochen, wie etwa Vitamin D oder Calcium.

Kein Nutzen – oder höchstens ein kleiner

Die Ergebnisse der Studien sind jedoch eher enttäuschend: Wirbelbrüche ließen sich mit Vitamin K nicht sicher verhindern. Bei Brüchen an anderen Knochen zeigte sich insgesamt ein kleiner Nutzen:

  • Ohne Vitamin K kam es bei 30 von 1000 Personen zu einem Knochenbruch.
  • Mit Vitamin K kam es bei 22 von 1000 Personen zu einem Knochenbruch.
  • Demnach könnte die Einnahme von Vitamin K also 8 von 1000 Personen einen Knochenbruch ersparen.
  • Die Schätzung für den schützenden Effekt von Vitamin K ist jedoch mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet – er könnte auch deutlich kleiner sein.

Hinzu kommt: Die Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Berücksichtigt man nur die Studien mit guter Qualität, ist selbst dieser kleine Nutzen nicht mehr sichtbar. Die aktuelle Studienlage spricht also dafür, dass Vitamin K – wenn überhaupt – nur in sehr kleinem Ausmaß ältere Frauen mit Osteoporose vor Knochenbrüchen schützt.

Ob die Einnahme von Vitamin K mit Nebenwirkungen verbunden ist, wurde in der Zusammenfassung der Studien nicht ausgewertet.

Chemisch nicht einheitlich

Vitamin K ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene chemische Verbindungen.

  • Vitamin K1 kommt vor allem in grünem Blattgemüse vor. Es wird auch Phyllochinon genannt.
  • Unter der Bezeichnung Vitamin K2 (Menachinon, MK) werden eine Reihe verwandter Substanzen zusammengefasst, z.B. Menachinon-4 (MK-4) oder Menachinon-7 (MK-7). Vitamin K2 ist in verschiedenen tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Eiern und Milchprodukten sowie in fermentierten Lebensmitteln enthalten.

Nicht zur Krankheitsbehandlung

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin K die gesundheitsbezogene Aussage (Health Claim) „Vitamin K trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei“ erlaubt [2]. Nichtdestotrotz kann man aus dem zulässigen Health Claim nicht schlussfolgern, dass Vitamin K für die Prävention oder Therapie von Osteoporose geeignet ist.

Spröde Knochen

Frauen nach den Wechseljahren gelten als wichtige Risikogruppe für eine Osteoporose. Auch fehlende Bewegung, Calcium- und/oder Vitamin-D-Mangel gehören zu den Risikofaktoren. Außerdem lassen Rauchen oder die langfristige höherdosierte Einnahme von Cortison-Präparaten die Knochen spröde werden [3].

Osteoporose führt aber nicht automatisch zu Knochenbrüchen. Eine Behandlung mit Medikamenten in den meisten Fällen nur nötig, wenn mehrere Risikofaktoren zusammenkommen oder bereits Knochenbrüche aufgetreten sind [3,4].

Mehr gesicherte Informationen zum Thema Osteoporose finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de

 

Die Studien im Detail

Bei unserer Recherche haben wir uns auf Untersuchungen beschränkt, in denen Aussagen zu Knochenbrüchen gemacht werden. Deutlich mehr Studien gibt es zum Einfluss von Vitamin K auf die Knochendichte. Die Knochendichte ist aber nur einer von mehreren Risikofaktoren für Knochenbrüche, und daraus lassen sich keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen. Deshalb haben wir solche Untersuchungen nicht berücksichtigt.

Zum Thema Knochenbrüche konnten wir eine große systematische Übersichtsarbeit [1] identifizierten. Zusätzlich haben wir auch nach neueren Untersuchungen zum Thema mit zufälliger Zuteilung der Teilnehmenden gesucht, aber keine gefunden. Deshalb gehen wir davon aus, dass die systematische Übersichtsarbeit den aktuellen Stand der Wissenschaft darstellt.

Viele ältere Frauen

Das Forschungsteam hat insgesamt elf verschiedene Studien mit rund 8400 Teilnehmenden identifiziert. Das waren ausschließlich ältere Frauen nach den Wechseljahren – also eine große und wichtige Risikogruppe für osteoporosebedingte Knochenbrüche.

Allerdings ist es unklar, wie gut sich die Ergebnisse der Studien auf andere Risikogruppen für Osteoporose übertragen lassen. Das sind etwa ältere Männer oder Menschen, die über einen längeren Zeitraum höhere Dosierungen Cortison einnehmen müssen. In mehr als der Hälfte der Studie hatten die Teilnehmerinnen Osteoporose oder eine verringerte Knochendichte. An den anderen waren knochengesunde Teilnehmerinnen beteiligt.

Unterschiedliche Mittel

In den meisten Studien wurde ein Mittel mit Menachinon-4 (MK-4) untersucht, das ist eine spezielle Form von Vitamin K2. Die Tagesdosis lag in diesen Studien bei 45 Milligramm.

Die Teilnehmerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt ein Vitamin-K-Präparat, meist zusätzlich zu einer Basistherapie. Die andere Gruppe bekam entweder ein Placebo (Scheinmittel) oder nur die Basistherapie allein. Die Basistherapie war in den Studien sehr unterschiedlich: Oft waren Vitamin D und/oder Calcium dabei. In drei Studien erhielten die Teilnehmerinnen in beiden Gruppen ein Bisphosphonat, also ein Standard-Arzneimittel bei Osteoporose.

Teils erhebliche Mängel

Die Studien dauerten zwischen einem und vier Jahre. Sieben Untersuchungen werteten aus, bei wie vielen Teilnehmerinnen Wirbelbrüche auftraten. In neun Studien wurden andere Knochenbrüche erfasst.

Das Autorenteam der systematischen Übersichtsarbeit stellte bei rund der Hälfte der Einzelstudien Qualitätsmängel fest. So fehlten etwa in der Auswertung Daten von Teilnehmerinnen oder Details zum genauen Vorgehen.

Und interessanterweise zeigte sich auch ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Studien und den Ergebnissen: Für alle untersuchten Fragestellungen schnitt Vitamin K in den Studien mit schlechter Qualität besser ab. Berücksichtigt man nur die Studien von guter Qualität, schützt Vitamin K weder vor Brüchen in der Wirbelsäule noch vor Knochenbrüchen in anderen Körperregionen.

[1] Mott 2019
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 11 randomisierte kontrollierte Studien mit rund 8400 Teilnehmerinnen
Fragestellung: Verringert die Einnahme von Vitamin K bei älteren Frauen das Risiko für Knochenbrüche?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben der Autoren

Mott A u.a. Effect of Vitamin K on Bone Mineral Density and Fractures in Adults: An Updated Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised Controlled Trials. Osteoporos Int 2019;30:1543-1559
Zusammenfassung

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] EFSA (2009)
Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to vitamin K and maintenance of bone (ID 123, 127, 128, and 2879), blood coagulation (ID 124 and 126), and function of the heart and blood vessels (ID 124, 125 and 2880) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 2009; 7: 1228

[3] IQWiG (2018)
Osteoporose. (Zugriff 05.06.2020)

[4] UpToDate (2020)
Overview of the management of osteoporosis in postmenopausal women. (Zugriff 04.06.2020)

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