Mit Vitamin D Diabetes verhindern?

Bei schlechten Zuckerwerten kann Vitamin D vermutlich nicht helfen, Diabetes vorzubeugen – außer vielleicht bei einem schweren Mangel.

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Schützt Vitamin D Menschen mit einem normalen oder leicht erniedrigten Vitamin-D-Spiegel vor Diabetes, wenn der Blutzucker bereits erhöht ist?

Verringert Vitamin D bei Menschen mit einem schwerem Vitamin-D-Mangel und erhöhtem Blutzucker das Risiko, Diabetes zu bekommen?

Bei der Vorstufe von Diabetes Typ 2 (Prädiabetes) ist der Blutzucker dauerhaft erhöht. Vitamin D kann bei Betroffenen vermutlich nicht verhindern, dass sie Diabetes bekommen – zumindest dann, wenn ihr Vitamin-D-Spiegel normal oder nur leicht erniedrigt ist.
Bei Menschen mit einem schweren Mangel gibt es Hinweise auf eine Anti-Diabetes-Wirkung von Vitamin D. Weil aber bisher nur sehr wenige Menschen mit einem schweren Mangel untersucht wurden, ist das derzeit nicht sicher.

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Ältere Frau schleckt Eiscreme am Strand. Prädiabetes: Vorsicht, Zucker!
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Hoher Blutzucker tut nicht weh. Manchmal äußert er sich erstmals durch vermehrten Durst und dem dementsprechend häufigen Gang zur Toilette. Oft wird er auch bei einer Blutabnahme zufällig entdeckt. Nicht immer ist es schon Diabetes. Manchmal sind die Blutzucker-Werte zwar dauerhaft zu hoch – aber noch nicht hoch genug, um bereits von Diabetes sprechen zu können. Diese Vorstufe des Diabetes vom Typ 2 nennt man auch Prädiabetes. Menschen mit Prädiabetes haben ein hohes Risiko, Diabetes zu entwickeln [5].

Vitamin D soll hier vermeintlich gegensteuern. In Fachkreisen und in den Medien wird diskutiert, ob das Vitamin vielleicht helfen kann, den Blutzuckerspiegel zu regulieren und das Risiko für Diabetes Typ 2 zu verringern. Medizin Transparent wurde gebeten, diese Vermutung wissenschaftlich zu überprüfen.

Studien über Studien

Geforscht wurde zum Thema Vitamin D bei Prädiabetes bereits überraschend viel – das zeigte unsere Recherche in zwei wissenschaftlichen Datenbanken. Wir fanden eine aktuelle Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse von drei großen Studien zusammenfasst [1].

Teilnehmende mit normalem oder nur mäßig erniedrigtem Vitamin-D-Spiegel schienen nicht vom Vitamin D zu profitieren: Innerhalb von drei Jahren entwickelten 23 bis 25 von 100 Teilnehmenden Diabetes Typ 2, egal ob sie regelmäßig Vitamin D oder ein Placebo eingenommen hatten. Gut abgesichert sind diese Erkenntnisse jedoch nicht.

Vitamin D: Wirksam bei Mangel?

Eine kleine Gruppe der Teilnehmenden war mit eine schweren Vitamin-D-Mangel in die Studien gestartet. Von einem schweren Mangel spricht man bei Blutwerten von weniger als 12 ng/ml (bzw. 30 nmol/L). Bei den betroffenen Personen fanden die Forschenden am Ende einen deutlichen Effekt: Von jenen, die Vitamin D eingenommen waren in drei Jahren 23 von 100 Personen zu Diabetikerinnen und Diabetikern geworden, in der Placebo-Gruppe waren es 32 von 100.

Weil aber nur wenige Teilnehmenden einen so gravierenden Mangel hatten, ist das Ergebnis sehr ungenau und wenig verlässlich, und könnte auch durch Zufall zustande gekommen sein. Das Ergebnis kann zwar ein Hinweis darauf sein, dass das Ausgleichen eines schweren Vitamin-D-Mangels vor Diabetes schützen könnte. Sicher ist das im Moment aber nicht.

Nicht wirksam bei starkem Übergewicht?

Ähnliches gilt für stark übergewichtige Teilnehmende: Personen mit einem BMI von über 30 kg/m2 schienen insgesamt weniger vom Vitamin D zu profitieren als schlankere Personen. Aber auch in diesem Fall hatten wir es nur mit wenigen Personen zu tun. Deshalb liefert auch dieses Ergebnis höchstens vorsichtige Hinweise darauf, dass Übergewicht einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Vitamin D haben könnte.

Lebensstiländerung bleibt erfolgreichste Maßnahme bei Prädiabetes

Nehmen Menschen mit einem Vitamin-D-Mangel zusätzlich zu anderen Behandlungs-Maßnahmen noch Vitamin D ein, könnte das den Behandlungserfolg erhöhen. Eine wirksame und gut erforschte Behandlung bei Prädiabetes ist zum Beispiel eine konsequente Änderung des Lebensstils, mit Gewichtsabnahme, mehr Bewegung und gesünderer Ernährung. Sie könnte das Diabetes-Risiko bei Menschen mit schlechten Zuckerwerten um knapp die Hälfte verringern [4]. Das heißt, statt 25 würden dann nur rund 13 von 100 Personen die Diagnose Diabetes bekommen.

Das Medikament Metformin dürfte eine Risikoreduktion um bis zu einem Drittel schaffen. Mit Metformin alleine würden statt 25 nur etwa 17 von 100 Personen Diabetes bekommen. Es wirkt also offenbar etwas weniger gut als eine Lebensstil-Änderung [4].

Ist zu viel Vitamin D schädlich?

In den hier beschriebenen Studien beobachteten die Forschenden keine Häufung von Nebenwirkungen durch Vitamin D im Vergleich zu einem Schein-Präparat (Placebo) [1].

Es ist jedoch möglich, zu viel Vitamin D zu sich zu nehmen. Eine Überdosis kann schwere gesundheitliche Auswirkungen haben – sowohl bei einer einmaligen Vergiftung als auch bei einer langfristig zu hohen Einnahme.

Zu den Anzeichen einer Vitamin-D-Vergiftung gehören Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfe und in schweren Fällen Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden [7].

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat eine maximale unbedenkliche Zufuhr von insgesamt 100 Mikrogramm oder 4.000 IE Vitamin D pro Tag festgelegt. Kinder sollten täglich höchstens die Hälfte davon aufnehmen [6].

Was macht der hohe Blutzucker mit dem Körper?

Beim Typ-2-Diabetes reagieren die Körperzellen nicht mehr auf das Hormon Insulin, das ihnen normalerweise den Befehl gibt, Zucker aufzunehmen. Zucker, der über die Nahrung in den Körper gelangt, bleibt dann im Blut, wo er auf Dauer Schaden anrichtet [8].

Zu viel Zucker im Blut tut nicht weh, Betroffene bemerken ihn oft nicht einmal. Gelingt es aber nicht, den Blutzucker durch eine Änderung des Lebensstils oder Medikamente dauerhaft unter Kontrolle zu halten, schädigt er die Nerven und Blutgefäße. Deshalb führt Diabetes ohne Behandlung langfristig zu Durchblutungsstörungen, er erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, schädigt die Niere und die Netzhaut des Auges und lässt Wunden schlecht heilen. Im späteren Leben kann unbehandelter Diabetes deshalb zu Erblindung, Nierenversagen und Verlust von Zehen, Füßen oder Beinen führen [8].

Gewichtsabnahme als erste Behandlungs-Maßnahme

Ein großer Teil der Menschen mit Typ-2-Diabetes ist übergewichtig. Übergewicht und Bewegungsmangel sowie fett- und zuckerreiche Ernährung zählen zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Erkrankung. Gewichtsabnahme, mehr Bewegung und gesündere Ernährung dagegen sind die ersten Behandlungsschritte – sowohl beim Typ-2-Diabetes, also auch bei seiner Vorstufe, dem Prädiabetes [5,8].

Bei manchen Menschen reicht eine solche Lebensstiländerung schon aus, um den Blutzucker erfolgreich zu senken. Wenn nicht, kommen Medikamente wie Metformin oder Insulin zum Einsatz [5,8].

Mehr wissenschaftlich fundierte Informationen zu Typ-2-Diabetes und den Alltag damit hat das Informationsportal Gesundheitsinformation.de des IQWiG.

Was wir zu Vitamin D wissen – und was nicht

Vitamin D ist eigentlich kein Vitamin, sondern ein Hormon. Fast alle Zellen im menschlichen Körper haben Rezeptoren, an die es andocken kann. Es scheint also vielfältige Funktionen im Körper zu haben, von denen längst nicht alle entschlüsselt sind [9,10].

Nahezu das gesamte Vitamin D, das wir benötigen, wird in unserer Haut produziert, und zwar mithilfe von Sonnenlicht. Nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken wir über die Nahrung. In den dunklen Wintermonaten entwickeln deshalb manche Menschen in unseren Breiten einen Mangel an Vitamin D. Bei weniger als 20 ng/ml (oder 50 nmol/L) Vitamin D im Blut spricht man von einem moderaten, bei weniger als 12 ng/ml (oder 20 nmol/L) von einem schweren Mangel.

Ein dauerhafter Mangel erhöht wahrscheinlich das Risiko für Osteoporose [9]. Ob er auch Auswirkungen auf den restlichen Körper oder die Psyche hat, ist noch nicht vollständig geklärt. In Studien konnte man beobachten, dass Menschen mit bestimmten Erkrankungen durchschnittlich weniger Vitamin D im Blut haben als Gesunde [10]. Ob der Mangel allerdings die Ursache oder eine Folge der Erkrankung ist, können diese Studien nicht beantworten.

Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten vor Krankheiten wie Herzkreislauf-Erkrankungen, Krebs, Demenz, Depression oder Autoimmunerkrankungen schützt [10].

Auf das Immunsystem könnte Vitamin D vielleicht einen minimalen Effekt haben.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Uns hat interessiert, ob die Einnahme von Vitamin-D Menschen mit Prädiabetes davor bewahren kann, Diabetes zu entwickeln. Das können nur Studien verlässlich beantworten, in denen Betroffene per Los in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Nach der Zuteilung nimmt die eine Gruppe regelmäßig Vitamin D ein, die andere ein gleichaussehendes Scheinpräparat (Placebo). Dann beobachten die Forschenden, bei wie vielen Teilnehmenden sich die Blutzuckerwerte im Laufe der Studie so weit verschlechtern, dass sie die Diagnose Typ-2-Diabetes bekommen. Die Studien müssen also über eine gewisse Zeit laufen, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern.

Wir fanden eine aktuelle Übersichtsarbeit, die drei solcher großen Studien zusammenfasst [1]. Insgesamt werteten die Forschenden Daten von fast 4.200 Teilnehmenden mit Prädiabetes aus.

Die Forschenden verglichen nicht nur, wer Diabetes bekam und wer nicht. Sie überprüften auch, bei wie vielen der Teilnehmenden sich die Blutzuckerwerte so weit verbesserten, dass sie wieder als vollkommen gesund einzustufen waren – also auch nicht mehr die Kriterien eines Prädiabetes erfüllten. Das war in der Vitamin-D-Gruppe bei mehr Personen der Fall (rund 14 Prozent) als in der Placebo-Gruppe (rund 11 Prozent). Leider fehlt hier die getrennte Auswertung von Teilnehmenden mit und ohne Vitamin-D-Mangel.

Auch die Ergebnisse von zwei weiteren aktuellen Übersichtsarbeiten [2,3] flossen in unsere Einschätzung ein. Sie liefern allerdings keine Zahlen dazu, ob Vitamin D das Risiko für Typ-2-Diabetes senken konnte. Untersucht wurde nur, ob sich die Blutzuckerwerte verschlechtert haben. Ob diese Verschlechterung so stark war, dass die Teilnehmenden nun als Diabetikerinnen und Diabetiker galten, blieb hingegen unklar. In nur eine der beiden Arbeiten [2] werteten die Forschenden außerdem Menschen mit und ohne Vitamin-D-Mangel getrennt voneinander aus.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die drei in der Übersichtsarbeit zusammengefassten Studien sind solide durchgeführt und vertrauenswürdig. Dennoch liefern sie keine vollkommen verlässlichen Ergebnisse.

An den drei Studien nahmen zwar rund 4.200 Personen teil. Die Ergebnisse der einzelnen Analysen (sogenannte Subgruppenanalysen) sind jedoch zum Teil widersprüchlich. In keiner der Studien wurde außerdem berücksichtigt, wie viel Sport die Teilnehmenden machten. Bewegung und gesunde Ernährung gehören zu den wirksamsten Behandlungsmaßnahmen bei Prädiabetes und Diabetes. Weil die Forschenden keine Informationen dazu liefern, ist unklar, ob die Teilnehmenden der Vitamin-D-Gruppe vielleicht gesünder lebten und dadurch einen Vorteil gegenüber der Placebo-Gruppe hatten.

Es gibt Hinweise darauf, dass Vitamin D Menschen mit einem schweren Mangel besser helfen kann als Menschen ohne Mangel. Weil in den Studien aber nur sehr wenige Teilnehmende einen solchen Mangel hatten, ist das derzeit nicht sicher. Dafür wären Studien mit mehr Personen mit einem schweren Vitamin D-Mangel notwendig.

[1] Pittas u.a. (2023)
Pittas AG, Kawahara T, Jorde R, Dawson-Hughes B, Vickery EM, Angellotti E, Nelson J, Trikalinos TA, Balk EM. Vitamin D and Risk for Type 2 Diabetes in People With Prediabetes : A Systematic Review and Meta-analysis of Individual Participant Data From 3 Randomized Clinical Trials. Ann Intern Med. 2023 Feb 7. (Link zur Studie)

[2] Zhang (2021)
Zhang Y, Xue Y, Zhang D, Liu Y, Xu Z, Gao J, Li W, Li X. Effect of Vitamin D Supplementation on Glycemic Control in Prediabetes: A Meta-Analysis. Nutrients. 2021 Dec 14;13(12):4464. (Link zur Studie)

[3] Zou (2021)
Zou Y, Guo B, Yu S, Wang D, Qiu L, Jiang Y. Effect of vitamin D supplementation on glycose homeostasis and islet function in vitamin D deficient or insufficient diabetes and prediabetes: a systematic review and meta-analysis. J Clin Biochem Nutr. 2021 Nov;69(3):229-237. doi: 10.3164/jcbn.20-165. Epub 2021 May 7. (Link zur Studie)

[4] Knowler u.a. (2002)
Knowler WC, Barrett-Connor E, Fowler SE, Hamman RF, Lachin JM, Walker EA, Nathan DM; Diabetes Prevention Program Research Group. Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med. 2002 Feb 7;346(6):393-403. (Link zur Studie)

[5] Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG)
Informationsbogen Prädiabetes. Abgerufen am 2.3.2023 unter https://www.oedg.at/pdf/2021-10-Informationsbogen-Praediabetes.pdf

[6] Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2023)
Abgerufen am 1.3.2023 unter https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/faq/projekt-klartext-nem/kann-man-vitamin-d-ueberdosieren-22614

[7] Robert-Koch-Institut (2018)
Abgerufen am 1.3.2023 unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/FAQ11.html

[8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2020)
Diabetes Typ 2. Abgerufen am 2.3.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/diabetes-typ-2.html

[9] UpToDate (2022)
Vitamin D deficiency in adults: Definition, clinical manifestations, and treatment. Abgerufen am 2.3.2022 unter https://www.uptodate.com/contents/vitamin-d-deficiency-in-adults-definition-clinical-manifestations-and-treatment

[10] UpToDate (2022)
Vitamin D and extraskeletal health. Abgerufen am 2.3.2023 unter https://www.uptodate.com/contents/vitamin-d-and-extraskeletal-health

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