Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Diabetes: Verbesserter Blutzucker dank Jambulbaum?

Eine Pflanze soll gegen die Zuckerkrankheit helfen: der Jambulbaum. Wir haben recherchiert, ob es aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit gibt.

Können Mittel aus dem Jambulbaum die Blutzuckerkontrolle bei Diabetes bzw. Vorstufen der Zuckerkrankheit („Prä-Diabetes“) verbessern?

Wir haben vier Studien identifizieren können, die den Nutzen von Präparaten aus dem Jambulbaum (Syzygium cumini) bei Menschen mit Diabetes untersucht haben. Da die Studien sehr klein sind, nur sehr wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten und sich teilweise widersprechen, lassen sich daraus keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen.

so arbeiten wir
© Peingchai Chiangmai - shutterstock.com Bietet der Jambulbaum eine Lösung gegen Diabetes aus der Natur?
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In Österreich sind rund 600.000 Menschen von Diabetes mellitus betroffen, umgangssprachlich auch „Zuckerkrankheit“ genannt. In den meisten Fällen handelt es sich um einen Typ-2-Diabetes, der meist erst im Laufe des Erwachsenenalters auftritt. Typ-1-Diabetes ist deutlich seltener. Diese Form der Zuckerkranheit zeigt sich bereits bei Kindern und Jugendlichen [5].

Jambulbaum gegen Diabetes?

Gegen die weit verbreitete Krankheit ist angeblich ein Kraut – bzw. ein Baum – gewachsen: ein Baum namens Jambul. Er trägt den wissenschaftlichen Namen Syzygium cumini und wächst in Asien.

Rezeptfrei erhältliche Mittel mit Syzygium cumini sollen sowohl bei einem Typ-1- als auch bei einem Typ-2-Diabetes hilfreich sein. Dem Jambulbaum wird nämlich eine mögliche positive Wirkung auf Blutzuckerspiegel und Bauchspeicheldrüse zugschrieben. Er soll auch gegen Vorstufen von Diabetes helfen können.

Es gibt verschiedene aus dem Jambulbaum hergestellte Mittel. Wir haben recherchiert, ob es für eine Wirksamkeit gegen die Zuckerkrankheit gute Belege gibt. Eines dieser Mittel, das allerdings nicht in Österreich erhältlich ist, trägt den Namen „Glycowohl“. Dazu hat uns eine Leseranfrage erreicht.

Vom Nutzen des Jambul nicht überzeugt

Wir haben bei unserer umfassenden Recherche beispielsweise in Literaturdatenbanken nach aussagekräftigen Studien mit menschlichen Probandinnen und Probanden gesucht.

Insgesamt konnten wir vier Studien [1-4] identifizieren, bei denen Menschen mit Typ-2-Diabetes nach dem Zufallsprinzip entweder Extrakte aus dem Jambul oder eine andere Behandlung erhalten haben. Menschen mit Typ-1-Diabetes und mit einer Vorstufe von Diabetes wurden gar nicht in Studien mit Kontrollgruppe und zufälliger Zuteilung getestet.

Schon vorab: von einem Nutzen konnten uns diese Studien nicht überzeugen.

Keine soliden Schlüsse möglich

Es wurden nur sehr wenige Patientinnen und Patienten (ingesamt 181) untersucht. Des Weiteren weisen die Studien entweder schwere methodische Mängel auf oder sie enthalten zu wenige Details, um die Qualität der Untersuchungen nachvollziehen und beurteilen zu können.

Die Studien berichten von Veränderungen des Blutzuckerspiegels über maximal sechs Monate. Langfristige Einflüsse auf das Krankheitsbild sind nicht erfasst. Zu Nebenwirkungen gibt es nur wenige Daten. Außerdem kommen die Untersuchungen zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Das alles führt dazu, dass sich aus der aktuellen Studienlage keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen lassen. Auf dieser Basis können wir also weder bestätigen noch ausschließen, dass aus dem Jambulbaum gewonnene Mittel wirksam und sicher sind – dies gilt für alle fraglichen Personengruppen, also Menschen mit Diabetes vom Typ 1 und Typ 2 sowie Menschen mit einer Vorstufe von Diabetes.

Falls Hersteller einen gesundheitlichen Nutzen nahe legen, sollte dieser auch ausreichend belegt sein – soweit unsere Ansicht.

Verschiedene Pflanzenteile

Getestet wurde in den Studien übrigens entweder ein Tee aus Blättern oder ein Pulver aus den getrockneten Samen. Ob diese verschiedenen Zubereitungsformen tatsächlich dieselben Inhaltsstoffe aufweisen wie etwa alkoholische Auszüge aus anderen Pflanzenteilen (z. B. Früchte, Rinde, Samen, Wurzeln) und gegebenenfalls ähnlich wirksam sind, ist unklar.

„Hungrige“ Zellen

Zucker ist für viele Zellen unseres Körpers ein wichtiger Energielieferant. Deshalb sorgen verschiedene Mechanismen dafür, dass der Blutzuckerspiegel bei regelmäßiger Nahrungszufuhr relativ konstant bleibt.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Hormon Insulin. Es sorgt dafür, dass der Zucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangt und dort verwertet werden kann.

Wenn Insulin fehlt

Bei Menschen mit einem Diabetes mellitus sind diese Abläufe gestört, und der Blutzuckerspiegel steigt an. Bei einem Typ-1-Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse kein oder nur sehr wenig Insulin. Die Patientinnen und Patienten müssen deshalb regelmäßig Insulin spritzen oder über eine Pumpe zuführen.

Bei einem Typ-2-Diabetes entstehen hohe Blutzuckerwerte, weil der Körper auf Insulin immer schlechter reagiert und den Zucker nicht korrekt verwerten kann. In einem späteren Krankheitsstadium kann die Insulinproduktion auch ganz versagen.

Erhöhte Blutzuckerwerte lassen das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten sowie für Schäden an der Netzhaut des Auges, an den Nerven und der Niere steigen [7,8].

Erhöhtes Risiko für Diabetes

Wer ist gefährdet, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken? Es sind besonders Menschen mit Übergewicht, wenig Bewegung und ungesunder Ernährung, etwa mit zu wenig Ballaststoffen, zu viel Fett oder Zucker. Auch genetische Faktoren oder bestimmte Medikamente können den Ausbruch der Krankheit begünstigen [8].

Als weitere Risikofaktoren gelten erhöhte Blutzuckerwerte im nüchternen Zustand oder nach einer Mahlzeit, die noch nicht die Kriterien eines Typ-2-Diabetes erfüllen („Prä-Diabetes“). Unter Vorstufen von Diabetes fallen ein „gestörter Nüchternblutzucker“ sowie eine „gestörte Glucosetoleranz“.

Allerdings bedeuten diese beiden Stoffwechselstörungen nicht, dass sich die Krankheit zwangsläufig entwickelt – lediglich die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. So erkrankt etwa nur jede vierte Person mit gestörtem Nüchternblutzucker oder gestörter Glucosetoleranz im Laufe der nächsten drei bis fünf Jahre tatsächlich an einem Typ-2-Diabetes [9].

Mehr Information zum Thema Diabetes (Typ 1 und Typ 2) finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de

Die Studien im Detail

Angesichts der geringen Teilnehmerzahl und der relativ kurzen Behandlungsdauer läBei unserer Literaturrecherche haben wir nach randomisiert-kontrollierten Studien gesucht – also Arbeiten, bei denen Menschen nach dem Zufallsprinzip entweder ein Präparat aus dem Jambulbaum erhielten oder ein Scheinmedikament bzw. ein Diabetesmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit. Diese Studienform hat bei der Testung der Wirksamkeit von Medikamenten die höchste Aussagekraft.

Unsere Suche erstreckte sich u.a. über drei große Literaturdatenbanken. Da viele Publikationen zum Einsatz von Jambulbaum-Präparaten bei Diabetes in asiatischen Fachzeitschriften erschienen sind, war es nicht leicht, die entsprechenden Texte für die Auswertung zu beschaffen – in einem Fall [6] ist uns dies nicht gelungen.

Wenige kleine Studien zum Jambul

Insgesamt haben wir vier verwertbare Studien identifizieren und auch den kompletten Text organisieren können [1-4]. Zwei Studien [2,3] wurden von Herstellern der Jambul-Präparate finanziell unterstützt. Die Studien waren insgesamt sehr klein: Drei [1-3] umfassten maximal 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nur eine [4] knapp 100.

Nur Testpersonen mit Typ-2-Diabetes

Alle Testpersonen litten unter Typ-2-Diabetes. In drei Studien [1-3] hatten sie zuvor keine Medikamente enthalten; in einer Untersuchung [4] waren Patientinnen und Patienten eingeschlossen, deren bisherige Behandlung mit Diabetesmitteln den Blutzucker nicht ausreichend gesenkt hatte.

Menschen mit einem Typ-1-Diabetes oder einer Störung des Zuckerstoffwechsels unterhalb der Diabetes-Schwelle („Prä-Diabetes“) wurden nicht getestet.

Vergleichbarkeit fraglich

In allen Untersuchungen kamen verschiedene Mittel auf der Basis des Jambulbaums zum Einsatz: In einer Studie gab es einen Tee aus den Blättern [1], in den drei anderen Untersuchungen Pulver aus den getrockneten Samen [2-4].

Bei pflanzlichen Präparaten kann es einen großen Unterschied machen, welche Pflanzenteile verwendet und wie diese behandelt werden. Somit ist es unserer Einschätzung nach unklar, ob die Untersuchungen vergleichbar sind und inwieweit sich die Ergebnisse gegebenenfalls auf Jambulbaum-Mittel aus anderen Pflanzenteilen und mit anderen Zubereitungsformen übertragen lassen.

Unterschiedlicher Studienaufbau

Die Mittel aus dem Jambulbaum wurden pro Studie mit ein oder zwei Behandlungsmethoden verglichen. In zwei Studien wurden die pflanzlichen Mittel mit bewährten Diabetesmitteln verglichen (Glyburid [1] bzw. Metformin [2]), in zwei Studien [1,4] gab es Gruppen, die ein Scheinmedikament erhielten. Menschen mit Diabetes, die bereits Medikamente bekommen hatten [4], nahmen diese auch während der Studie mit den Jambulbaum-Präparaten weiter ein.

Zumindest in zwei Studien [2,3] bekamen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Beratung zu Ernährung und Bewegung. In allen Studien bleibt es unklar, ob Ernährung und körperliche Aktivität in den Gruppen tatsächlich gleich waren.

Das ist wichtig, weil das Ernährungs- und Bewegungsverhalten den Blutzuckerspiegel beeinflusst. Besonders in den Studien [2,3], in denen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten, welches Mittel sie einnahmen, kann dieses Wissen die Erwartungen und das Verhalten beinflussen und somit die Ergebnisse verzerren.

Aussagekraft? Eingeschränkt!

Überhaupt sind die Ergebnisse der Studien mit großer Vorsicht zu interpretieren. Wir schätzen sie als nicht sonderlich aussagekräftig ein – zum Beispiel, weil wesentliche Informationen in den Veröffentlichungen fehlen [1,3] oder weil es Mängel bei den Auswertungsmethoden [2,4] gibt.

Langzeitdaten fehlen

Ein weiterer Kritikpunkt aus unserer Sicht ist der Zeithorizont: In allen Studien wurde der Einfluss auf den Blutzuckerspiegel untersucht. Dazu wurden verschiedene Tests durchgeführt, etwa im nüchternen Zustand, nach dem Essen oder im Hinblick auf den Langzeitblutzucker (HbA1c-Wert).

Da die Studien jedoch nur maximal sechs Monate dauerten, lassen sich aus den Ergebnissen keine verlässlichen Schlussfolgerungen für die langfristige Entwicklung des Blutzuckers ziehen. Ebenso fehlen Daten zu den Auswirkungen der Präparate auf die Langzeitfolgen der Erkrankung (z. B. Schäden an der Netzhaut des Auges oder an der Niere). Diese sind für Menschen mit Typ-2-Diabetes wesentlich wichtiger als die kurzfristige Kontrolle des Blutzuckerspiegels.

Diverse Widersprüche

Die vier Studien kommen auch zu widersprüchlichen Ergebnissen:

  • In zwei Untersuchungen [1,2] ist das pflanzliche Präparat im Vergleich mit etablierten Diabetesmittel deutlich unterlegen bzw. zeigt sich kein Unterschied zwischen der Einnahme eines Jambulbaum-Präparats und dem Scheinmedikament. Es gibt auch keinen Unterschied zwischen Jambulbaum-Präparaten und Veränderungen alleine durch Ernährung und körperliche Aktivität.
  • In einer Studie [3] verbessert das Jambulbaum-Präparat nicht alle, sondern nur einen der drei gemessenen Blutzuckerwerte.
  • In einer weiteren Untersuchung [4] schneidet das pflanzliche Mittel in allen Tests zwar rechnerisch besser ab als ein Scheinpräparat. Ob diese Veränderungen der Blutzuckerwerte die für Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes einen spürbaren Unterschied machen können, bleibt jedoch unklar und wird in der Veröffentlichung auch nicht thematisiert.

Verträglichkeit unklar

Eine Studie [1] erklärt explizit, dass keine Nebenwirkungen aufgefallen sind. In zwei Untersuchungen [2,4] wurden Nebenwirkungen nach der Erklärung der Forschungsteams zwar erfasst, es finden sich aber keine Ergebnisse in den Publikationen. Eine Publikation [3] thematisiert mögliche Nebenwirkungen gar nicht.
sst sich die Verträglichkeit von Mitteln aus dem Jambulbaum anhand dieser Daten nicht bewerten – ebenso wenig wie wir Schlüsse zur Wirksamkeit ziehen konnten.

[1] Teixera (2006)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes ohne medikamentöse Behandlung
Fragestellung: Beeinflusst Tee aus Syzygium cumini-Blättern den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben des Autorenteams

Teixera C u.a. The efficacy of folk medicines in the management of type 2 diabetes mellitus: results of a randomized controlled trial of Syzygium cumini (L.) Skeels. Journal of Clinical Pharmacy and Therapeutics (2006) 31, 1–5
(Zusammenfassung)

[2] Sahana (2010)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 30 Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes ohne medikamentöse Behandlung
Fragestellung: Welchen Einfluss hat ein Mittel aus Syzygium cumini-Samen auf den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes?
Interessenkonflikte: Der Hersteller des Mittels hat die Studie finanziell unterstützt.

Sahana D.A u.a. Effect of Eugenia Jambolana on Plasma Glucose, Insulin Sensitivity and HDL-C Levels: Preliminary Results of A Randomized Clinical Trial. Journal of Pharmacy Research 2010, 3:1268-1270
(Freier Volltext)

[3] Shivaprakash (2011)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 25 Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes ohne medikamentöse Behandlung
Fragestellung: Welchen Einfluss hat ein Mittel aus Syzygium cumini-Samen auf den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes?
Interessenkonflikte: Der Hersteller des Mittels hat die Studie finanziell unterstützt.

Shivaprakash G u.a. Antioxidant potential of Eugenia jambolana seed; a randomized clinical trial in type 2 diabetes mellitus. Internation Journal of Pharma and Bio Sciences 2011; 2: B-220 – B-228
(Freier Volltext)

[4] Sidana (2017)
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer: 99 Patientinnen und Patienten mit unzureichend kontrolliertem Typ-2-Diabetes unter Diabetes-Medikamenten
Fragestellung: Welchen Einfluss hat ein Mittel aus Syzygium cumini-Samen auf den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes?
Interessenkonflikte: keine nach Angaben des Autorenteams

Sidana S u.a. Effect of Syzygium cumini (jamun) seed powder on glycemic control: A double-blind randomized controlled trial. J Med Soc 2017;31:185-9.
(Freier Volltext)

Andere Quellen

[5] Gesundheitsportal Österreichs (2018) Diabetes: Was ist das? Abgerufen am 08.03.2019

[6] Moses CR. (2013) Clinical assessment of jamun ( Syzygium cumini ) seed powder and syrup on selected type 2 diabetes mellitus and hypercholesterolaemics. RSSDI 2013;8-10:119-20

[7] IQWiG (2017) Diabetes Typ 1. Abgerufen am 08.03.2019

[8] IQWiG (2019) Diabetes Typ 2. Abgerufen am 08.03.2019

[9] UpToDate (2018) Risk factors for type 2 diabetes mellitus. Abgerufen am 08.03.2019

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