Topfenwickel: wie gut hilft das Hausmittel?

Topfenwickel gelten als vielseitiges Hausmittel. Es gibt sie sogar als Fertigprodukt zu kaufen. Behauptungen zu schmerzstillenden und sonstigen Wirkungen sind allerdings nicht belegt.

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Haben Topfenwickel eine schmerzlindernde Wirkung (z.B. bei Muskel- und Gelenksschmerzen)? Wirken sie fiebersenkend? Helfen Topfenwickel stillenden Frauen bei Milchstau?

Wir konnten keine aussagekräftigen Studien zu Topfenwickeln finden. Ob die Wirkung über einen kühlenden Effekt hinausgeht, ist unklar.

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© iprachenko – shutterstock.com Nicht nur in der Küche beliebt: Topfen
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Ob Sonnenbrand oder verstauchter Knöchel: Schon in der Kindheit war Omas Topfenwickel angenehm kühl und wohltuend. Die Anwendung des günstigen Hausmittels ist einfach. Etwas kalten Topfen – auch als Quark oder Schotten bezeichnet – in ein Geschirrtuch streichen und auf die betroffene Stelle legen.

Dem Topfenwickel werden viele positive Wirkungen nachgesagt. Er soll Entzündungen und Schmerzen lindern: nicht nur bei Sonnenbrand, sondern beispielsweise auch bei Rheuma, Arthrose oder Krampfadern. Auf die Brust gelegt hilft ein kühlender Topfenwickel angeblich bei Fieber, Husten und Heiserkeit. Bei Milchstau und Brustdrüsen-Entzündungen soll er stillenden Frauen Erleichterung verschaffen.

Beliebt, aber nicht belegt

Wie bei vielen beliebten Hausmitteln sind auch die dem Topfen nachgesagten Wirkungen nie in aussagekräftigen Studien überprüft worden. Im Jahr 2011 machte sich ein Wissenschaftsteam aus Salzburg auf die Suche nach Belegen, konnte aber keine finden [2]. Auch wir konnten neun Jahre später bei einer umfangreichen Recherche keine aussagekräftigen Forschungsergebnisse zu Topfenwickeln finden.

Das Fehlen wissenschaftlicher Belege bedeutet nicht, dass ein Umschlag mit kaltem Topfen nicht helfen kann. Das Hausmittel mag durchaus einen wohltuenden Kühleffekt haben. Vielleicht haben das Ritual des Topfenwickels und das Gefühl, selbst etwas tun zu können, eine positive Wirkung. Doch ob Topfen darüber hinaus einen Nutzen hat, ist unklar.

Topfenwickel als Fertigprodukt

Trotzdem bewirbt ein bayrisches Unternehmen seine Fertig-Topfenwickel mit dem Namen „Quarkpack“ mit diversen Wirkversprechen. Vergleichbare Produkte anderer Hersteller konnten wir keine finden.

Der Fertig-Topfenwickel Quarkpack enthält getrocknetes Topfenpulver in feuchtigkeitsdurchlässigem Vlies. Vor der Anwendung wird das Produkt kurz in Wasser gelegt.

Auf Anfrage schickte uns das Unternehmen eine unveröffentlichte Wirksamkeitsstudie [1] zu. Demnach soll der Quarkpack bei einer Knöchelverstauchung ebenso gut helfen wie Coolpack-Kühlumschläge. Dabei handelt es sich um in Folie eingeschweißtes Gel, das vor dem Auflegen in den Kühlschrank kommt.

Mehr als nur Kühleffekt?

Dass ein Quarkpack genauso gut hilft wie ein Coolpack, kann die Untersuchung allerdings nicht zeigen – denn dazu ist sie zu mangelhaft. Beispielsweise wird nicht erwähnt, wie lange und wie häufig Kühlumschlag oder Quarkpack aufgelegt wurden oder wie kalt beide waren.

Die Teilnehmenden wurden zwar zu ihren Schmerzen befragt. Das Ergebnis bleibt allerdings offen: Das Studienteam berichtet lediglich von einer Besserung von Beweglichkeit und Schwellung des Sprunggelenks durch das Quarkpack. Ob auch die Schmerzen zurückgegangen waren, bleibt unerwähnt.

Einen Hinweis darauf, dass die Wirkung von Topfen über den Kühleffekt hinausgeht, liefern die Ergebnisse nicht.

Kühleffekt kaum untersucht

Kühlende Umschläge können sich bei Knöchelverstauchungen und anderen Muskel- und Gelenks-verletzungen und -entzündungen zwar angenehm anfühlen. Wie gut sie Schmerzen und Schwellungen tatsächlich lindern, ist jedoch nicht gut untersucht [3,4].

Bei Milchstau und Brustdrüsenentzündung setzen manche Frauen ebenfalls auf kühlende Umschläge, um die Schmerzen zu lindern. Auch hier ist kaum erforscht, wie gut sie wirklich helfen [5].

Unklare Wirkweise

Wie Topfenwickel Schmerzen und Entzündungen lindern sollen, ist ebenfalls unklar. Auf der Webseite von Quarkpack finden sich dazu zahlreiche Erklärungen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um gut erforschte Mechanismen, sondern um unbewiesene Theorien. Demnach soll Milchsäure, die natürlicherweise im Topfen enthalten ist, zuerst in das Gewebe eindringen und dann dort die Durchblutung fördern.

Eine weitere Annahme: Angeblich nimmt der Topfen Entzündungsstoffe aus der Haut auf und verringert damit deren Konzentration im Gewebe. Einen Nachweis für diese Wirkmechanismen gibt es nicht.

Ebenfalls nicht untersucht sind mögliche Nebenwirkungen, etwa bei Personen mit empfindlicher Haut oder mit Allergien gegen Milchbestandteile.

Die Studien im Detail

Ob Topfenwickel Schmerzen und Entzündungen lindern können, lässt sich am besten in einer randomisiert-kontrollierten Studie untersuchen. Dabei werden Teilnehmende per Zufall (randomisiert) zwei Gruppen zugelost. Die Interventions-Gruppe bekommt für ihre Schmerzen Topfenwickel zum Auflegen, die Kontrollgruppe einen Wickel ohne Topfen.

Idealerweise sollte zwischen Topfen- und Kontrollgruppen-Wickel kein Unterschied bemerkbar sein, zum Beispiel durch Aussehen und Geruch. Dann kann nämlich die Erwartung an die Wirksamkeit des Topfenwickels das Ergebnis nicht verzerren. Am Ende zeigt der Vergleich beider Gruppen, ob der Topfenwickel die Beschwerden besser lindern konnte.

Warum die Quarkpack-Studie nicht aussagekräftig ist

Bei der Hersteller-Studie zum Fertig-Topfenwickel „Quarkpack“ handelt es sich um eine solche randomisiert-kontrollierte Studie. Zwanzig Personen mit verstauchtem Knöchel bekamen per Los entweder einen Quarkpack-Topfenwickel oder einen Coolpack-Kühlumschlag.

Im Prinzip wäre die Studie geeignet, um zu untersuchen, ob die Wirkung von Topfenwickeln bei einer Knöchelverstauchung über einen bloßen Kühleffekt hinausgeht. Zwanzig Teilnehmende sind jedoch viel zu wenig für aussagekräftige Ergebnisse. Zudem war allen Beteiligten bewusst, welchen der beiden Kühlumschläge sie nun bekamen. Somit könnten Erwartungen des Wissenschaftsteams und der Teilnehmenden die Ergebnisse verzerrt haben.

Ein weiterer großer Kritikpunkt: Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Studie im Detail durchgeführt wurde. Es fehlen Informationen darüber, ob die Teilnehmenden der Quarkpack- und Kontroll-Gruppe vergleichbar waren – etwa was die Schwere der Knöchelverletzung angeht. Wie lange und wie häufig Quarkpack und Coolpack aufgelegt wurden, wird ebenso wenig beschrieben wie die Temperatur der kühlenden Umschläge.

Das Studienleitungsteam erwähnt zwar, dass sich Beweglichkeit und Ausmaß der Schwellung bei beiden Gruppen ähnlich gut gebessert haben. Ob das nach einmaligem Auflegen der Umschläge oder erst nach mehreren Tagen festgestellt wurde, geht aus dem Studienbericht jedoch nicht hervor.
Schmerzen oder wie gut der Alltag zu bewältigen war, wurde zwar laut Bericht erhoben – Ergebnisse oder Daten dazu finden sich allerdings keine.

Finanziert und in Auftrag gegeben wurde die Studie vom Unternehmen, das Quarkpack herstellt. Sie ist nicht veröffentlicht und wurde uns vom Unternehmen auf unsere Anfrage hin zur Verfügung gestellt.

[1] Quarkpack GmbH (2011) Institut für Sport- und Bewegungsmedizin, Universität Hamburg . Wissenschaftlich-klinische Anwendungsstudie Quarkpack vs. Cold Pack. 2011. (unveröffentlichte Auftragsstudie, vom Hersteller zugesandt)

[2] Hansbauer (2011) Topfen oder Quark – Was hilft’s?. Rechercheservice Evidenzbasierte Medizin, PMU Salzburg. Z Allg Med | 2011; 87 (12). 491-492. Abgerufen am 29.12.2023 unter springermedizin.de

[3] IQWIG (2022) Schleimbeutelentzündung. Abgerufen am 29.12.2023 unter www.gesundheitsinformation.de

[4] IQWIG (2022) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Sprunggelenkverstauchung – Wie wird ein verstauchter Knöchel behandelt? Abgerufen am 29.12.2023 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] Zakarija-Grkovic et al. (2020) Treatments for breast engorgement during lactation. Cochrane Database of Systematic Reviews, (9). (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

  • 29.12.2023: bei einer Aktualisierungsrecherche fanden wir keine neuen Studien. Unsere Einschätzung bleibt unverändert.
  • 24.9.2020: erste Version des Faktenchecks

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