Startseite ● Proliferationstherapie: Wirkung bei Kniearthrose fraglich Proliferationstherapie: Wirkung bei Kniearthrose fraglich Traubenzuckerlösung ins Kniegelenk zu spritzen soll bei Arthrose helfen. Ob das tatsächlich funktioniert, ist aber unklar. 13. Januar 2025 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Bernd Kerschner Jana Meixner Teilen Lindert eine Proliferationstherapie, bei der Traubenzuckerlösung ins Gelenk gespritzt wird, die Beschwerden bei Kniearthrose? wissenschaftliche Belege fehlen Studien, die das untersucht haben, sind schlecht gemacht und kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Behauptung, die Wirksamkeit der Proliferationstherapie wäre wissenschaftlich erwiesen, ist also falsch. so arbeiten wir Bei Kniearthrose schmerzt das abgenutzte Gelenk © dragana991 – istockphoto.com Arthrose im Knie kann schmerzhaft sein. Denn bei der Erkrankung nutzt sich der Knorpel im Gelenk ab, wird dünner und entzündet sich. Betroffen sind rund vier Prozent der Erwachsenen – mit fortschreitendem Alter wird die Erkrankung häufiger [Quelle 7]. Das Angebot an Behandlungen ist groß. Viele müssen jedoch selbst bezahlt werden, da die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Dazu gehört auch die Proliferationstherapie bei Kniearthrose, die manche orthopädischen Arztpraxen anbieten. Dabei wird konzentrierte Traubenzucker-Lösung direkt ins Kniegelenk gespritzt. Wir haben überprüft, was solche „Zuckerspritzen“ bei Kniearthrose bringen. Proliferationstherapie: Wirksamkeit nicht gut belegt Bei unserer Recherche haben wir 11 Studien gefunden, die den Nutzen der Spritzen bei Arthrose im Knie untersucht haben [Quellen 1-6]. Ihre Aussagekraft ist allerdings sehr gering. Ob die Proliferationstherapie hilft, können sie nicht beantworten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die meisten der Studien haben große Qualitätsmängel, so dass wir ihren Ergebnissen nicht vertrauen. Welche Mängel das sind, erklären wir weiter unten im Abschnitt „Die Studien im Detail“. Etliche der Studienergebnisse widersprechen sich zudem. Hinzu kommt: Die meisten Studien dauerten nur wenige Wochen bis Monate. Nur wenige dauerten bis zu einem Jahr. Damit lässt sich nicht beurteilen, wie lange eine mögliche Besserung anhalten würde. Das wäre bei einer chronischen Erkrankung wie der Kniearthrose aber wichtig zu wissen. Wer also mit der angeblichen Wirksamkeit der Proliferationstherapie wirbt, tut dies ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage. Nebenwirkungen möglich Mögliche Nebenwirkungen der Behandlung sind schlecht untersucht, denn die wurden nur in wenigen Studien untersucht [Quellen 1,4,6]. Darin berichteten Teilnehmende unter anderem von einer Verstärkung der Kniegelenks-Entzündung, von einer Steigerung der Schmerzen und von Blutergüssen. Proliferationstherapie: Weniger Schmerzen durch Reize? Bei der Proliferationstherapie werden unterschiedlich hohe Konzentrationen von Traubenzucker verwendet. Davon abgesehen enthalten die Spritzen meist auch ein örtliches Betäubungsmittel. Die Injektion von Zuckerlösung ins Gelenk löst eine Entzündung aus. Wie das Arthrose-Schmerzen lindern soll, erklären die Anbieter so: Die Entzündung soll „körpereigene Reparaturmechanismen“ anregen und unter anderem das Bindegewebe um das betroffene Gelenk erneuern. Das soll für mehr Stabilität sorgen. Diese Vorstellung mag in der Theorie nachvollziehbar erscheinen. Ob das allerdings wirklich funktioniert, und ob sich Arthrose-Beschwerden dadurch langfristig bessern, ist fraglich. Hilfe bei Knieschmerzen Bisher sind keine Medikamente bekannt, die den Gelenkverschleiß bei einer Kniearthrose wirksam verzögern oder gar aufhalten können. Allerdings gibt es einige Mittel und Maßnahmen, die die Beschwerden lindern können. Dazu gehören etwa Bewegung und Schmerzmittel zum Einnehmen. Schmerzgele mit Diclofenac können Schmerzen wahrscheinlich etwas lindern, aber der Effekt dürfte nicht groß sein. Wer übergewichtig ist, kann durch Abnehmen die Gelenke spürbar entlasten. Auch Gehstöcke helfen dabei. Bei einer fortgeschrittenen Arthrose empfehlen Ärztinnen und Ärzte oft ein künstliches Kniegelenk, wenn die anderen Maßnahmen nicht ausreichend helfen [Quellen 7,8]. Online-Shops bieten zahlreiche Produkte an, deren Nutzen nicht belegt ist. Das haben wir bei etlichen Faktenchecks bereits festgestellt, zB zu Katzenkralle, Grünlippmuschel oder Chondroitin. Auf einer speziellen Themenseite haben wir alle unsere Faktenchecks zu Arthrose zusammengefasst. Verlässliche Informationen zur Behandlung von Kniearthrose gibt es auch auf Gesundheitsinformation.de und Gesundheit.gv.at. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Bei unserer Recherche haben wir uns auf Studien beschränkt, bei denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt werden: Die Testgruppe erhält die Proliferationstherapie mit einer Traubenzuckerlösung, die andere eine Scheintherapie (Placebo) mit Spritzen ohne Zucker oder eine andere Behandlung. Solche randomisiert-kontrollierten Studien gelten als besonders aussagekräftig, um die Wirksamkeit einer Therapie zu untersuchen – wenn sie richtig durchgeführt werden. Bei unserer Recherche in drei Forschungsdatenbanken haben wir mehrere solcher Studien gefunden. Sieben Studien sind in zwei Übersichtsarbeiten zusammengefasst [Quellen 1,2], außerdem haben wir noch vier neuere Einzelstudien identifiziert [Quellen 3-6]. Wie aussagekräftig sind diese Studien? Trotz der zahlreichen Studien können wir nicht beantworten, ob Traubenzucker-Spritzen bei Knie-Arthrose eine wirksame Behandlung sind. Dafür gibt es mehrere Gründe: Verzerrung durch Erwartung möglich: Teilweise wussten die Teilnehmenden, ob sie die Proliferationstherapie oder Placebo-Spritzen erhielten. Die unterschiedlichen Erwartungen können die Wahrnehmung von Schmerzen und Beweglichkeit beeinflusst und so die Ergebnisse verzerrt haben. Es könnte sein, dass für die womöglich wahrgenommenen Besserung der Beschwerden nur der Placeboeffekt verantwortlich ist. Ignorierte Daten: In manchen Studien sind nicht die Daten aller Teilnehmenden in die Auswertung eingeflossen. Das weckt ebenfalls Zweifel an der Verlässlichkeit der Ergebnisse. Widersprüchliche Ergebnisse: Die Ergebnisse mehrerer Studien widersprechen einander – möglicherweise weil die Studien Schmerzen und Beweglichkeit mit unterschiedlichen Methoden bewertet haben. Ob eine Verbesserung tatsächlich spürbar ist, ist in den Studien nicht immer eindeutig. Schlechte Vergleichbarkeit: In den Untersuchungen bekamen die Teilnehmenden unterschiedlich viele Spritzen in unterschiedlichen Abständen. Auch die Konzentration der Traubenzucker-Lösungen variierte zwischen 20 und 25 Prozent. Das macht es schwierig, die Ergebnisse der Studien miteinander zu vergleichen. Wissenschaftliche Quellen [1] Chen et al. (2024) Effectiveness, Compliance, and Safety of Dextrose Prolotherapy for Knee Osteoarthritis: A Meta-Analysis and Metaregression of Randomized Controlled Trials. Clin Rehab 2022, 36: 740–752 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [2] Wang et al. (2022) Meta‐analysis of clinical trials focusing on hypertonic dextrose prolotherapy (HDP) for knee osteoarthritis. Aging Clin Exp Res 2022, 34: 715–724 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [3] Sahebari et al. (2024) Effects of prolotherapy with hypertonic dextrose in patients with knee osteoarthritis: a randomized clinical trial. J Muscoloskel Res 2024, 2450002 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [4] Martinez et al. (2023) Functionality/isokinetic work of quadriceps in patients with gonarthrosis managed with prolotherapy. Rev Med Inst Mex Seguro Soc 2023, 61, 788–795 (Studie in voller Länge) [5] Hsieh et al. (2022) Effects of Intra-articular Coinjections of Hyaluronic Acid and Hypertonic Dextrose on Knee Osteoarthritis: A Prospective, Randomized, Double-Blind Trial. Arch Phys Med Rehabil 2022, 103: 1505–1514 (Zusammenfassung der Studie) [6] Öztürk et al. (2022) A comparative analysis of prolotherapy efficacy in patients with knee osteoarthritis across varied dextrose concentrations. Clin Rheumatol 2022, 42: 3321–3331 (Zusammenfassung der Studie) [7] Gesundheitsinformation.de (2024) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesndheitswesen (IQWIG). Kniearthrose. Abgerufen am 5.12.2024 unter https://www.gesundheitsinformation.de/kniearthrose-gonarthrose.html [8] UpToDate (2024) Management of knee osteoarthritis. Abgerufen am 4.12.2024 unter https://www.uptodate.com/contents/management-of-knee-osteoarthritis (Zugriff kostenpflichtig) Versionsgeschichte 13.1.2025: erste Version des Faktenchecks Schlagworte ArthroseKniearthroseKniegelenkProliferationstherapieTraubenzuckerlösung In über 500 Faktenchecks suchen