Ungefähr 5 von 100 Kindern leben mit der Diagnose ADHS. Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom stellt eine Herausforderung für Betreuungspersonen dar. Aber auch die betroffenen Kinder haben durch die Aufmerksamkeitsstörung oft Schwierigkeiten in der Schule und in ihren sozialen Beziehungen.
Kinder mit ADHS handeln häufig impulsiv. Es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren oder auf etwas zu warten. Hinzu kommt oft, aber nicht immer, ein starker Bewegungsdrang. Helfen kann zum Beispiel eine Verhaltenstherapie. Es kommen auch Medikamente wie Methylphenidat zum Einsatz (bekannter unter dem Markennamen „Ritalin“). Wie ADHS entsteht, ist nicht vollständig geklärt, die Gene dürften allerdings eine wichtige Rolle spielen.
ADHS: Mangel an Omega-Fettsäuren?
Einige Studien berichteten von auffällig geringen Mengen der mehrfach ungesättigten Fettsäuren Omega-3- und Omega-6 im Blut von Kindern mit ADHS [3]. Das bedeutet nicht automatisch, dass die fehlenden Fettsäuren auch die Ursache für die Störung sind. Dennoch vermuten manche Fachleute, dass Präparate mit solchen mehrfach ungesättigten Fettsäuren bei ADHS helfen könnten.
Solche Präparate sind meist in Form von Kapseln mit Fischöl, das besonders viel Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren enthält, erhältlich. Doch werden betroffene Kinder tatsächlich ruhiger und konzentrierter, wenn sie regelmäßig diese Präparate schlucken?
Die Ruhe selbst dank Fisch-Öl?
Diese Frage trieb das Forschungsteam einer aktuellen Übersichtsarbeit um [1]. Das Team fasste die Ergebnisse sämtlicher Studien zusammen, die untersucht haben, ob mehrfach ungesättigte Fettsäuren die Symptome von ADHS lindern können. Das Ergebnis: ein vorsichtiges „eher nein“.
Studien von schlechter Qualität
Warum die Vorsicht bei der Aussagekraft? Obwohl es schon viel Forschung zum Thema gibt, sind gut gemachte und damit verlässliche Studien noch immer Mangelware. In allen Studien bekamen die teilnehmenden Kinder eine Zeit lang entweder Omega-Fettsäuren-Präparate oder ein Schein-Präparat (Placebo), beziehungsweise gar kein Präparat. Alle Kinder bekamen, unabhängig von ihrer Gruppenzuteilung, je nach Bedarf oft noch zusätzlich eine etablierte Therapie.
Eltern und Lehrpersonen beurteilten anschließend das Verhalten der Kinder. Das Problem war allerdings: In vielen Studien wussten die beurteilenden Personen, welche Kinder das Omega-Fettsäuren-Präparat und welche das Placebo einnahmen. Das kann die subjektive Einschätzung verzerrt haben.
Insgesamt scheinen die Präparate Kinder mit ADHS nicht ruhiger und konzentrierter zu machen. Das Ergebnis ist aber nicht gut abgesichert und könnte sich durch weitere Studien noch ändern.
Nebenwirkungen nicht zu erwarten
Vermutete Nebenwirkungen wie Durchfall oder Übelkeit kamen bei allen teilnehmenden Kindern etwa gleich häufig vor. Die Fettsäuren-Präparate scheinen also für Kinder sicher zu sein.
ADHS: eine häufige Diagnose
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom gehört zu den häufigsten Verhaltensstörungen von Kindern. In Deutschland bekommen etwa 5 von 100 Kindern die Diagnose ADHS, Buben bis zu vier Mal so häufig wie Mädchen [2,3]. Ob die Störung bei Mädchen tatsächlich seltener ist oder ob sie nur seltener erkannt wird, ist unklar.
Unklar ist auch, wie viele Kinder fälschlicherweise die Diagnose ADHS erhalten: Untersuchungen aus Deutschland deuten etwa darauf hin, dass nur 1 bis 2 von 100 Kindern auch die formalen Diagnosekriterien für die Störung erfüllen [2].
Das Leben und Lernen mit ADHS kann für das betroffene Kind selbst und seine Eltern, Geschwister und Lehrpersonen belastend sein. Helfen können psychosoziale Maßnahmen, etwa Verhaltenstherapien und Unterstützung in der Schule. Manchmal lernen die Kinder und ihre Betreuungspersonen, ohne Behandlung mit der Störung umzugehen.
Von Verhaltenstherapie bis Medikamente
In einigen Fällen sind jedoch Medikamente notwendig. Medikamente wie Methylphenidat („Ritalin“) erhöhen die Menge des Botenstoffes Dopamin im Gehirn und verbessern auf diese Weise die Konzentrationsfähigkeit. Natürlich sind die Medikamente nicht ohne Nebenwirkungen [2].
Eltern sind deshalb oft auf der Suche nach weniger belastenden Behandlungsmethoden, wie etwa mit bestimmten Vitaminen und Spurenelementen. Ob zum Beispiel Zink und Magnesium bei ADHS helfen können, haben wir uns in einem anderen Beitrag bereits näher angesehen.
Fischige Angelegenheit
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Im Englischen heißen sie polyunsaturated fatty acids und werden meist mit PUFAs abgekürzt. Für den Körper sind sie lebensnotwendig. Im Gegensatz zu gesättigten oder einfach ungesättigten Fettsäuren kann er sie aber nicht selbst herstellen. Deshalb müssen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus der Nahrung kommen: In fettem Fisch wie Lachs oder Makrele sind sie enthalten, aber auch in Nüssen, Ölen und Soja [4].
Im Drogeriemarkt und in der Apotheke sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren meist in Form von Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren als Kapseln erhältlich. Anbieter solcher Präparate gibt es viele, und die Bandbreite der gesundheitlichen Versprechen ist groß.
Eines der hartnäckigsten Gerüchte ist vermutlich, dass Präparate mit Omega-3-Fettsäuren Herz und Kreislauf schützen. Studienergebnisse sprechen jedoch klar gegen eine solche Schutzwirkung, wie wir hier bereits berichtet haben. Auch bei Schuppenflechte (Psoriasis) sind derartige Präparate möglicherweise wirkungslos. Ob sie bei Depression helfen können, ist unklar, das ist wissenschaftlich noch unzureichend erforscht.