Startseite ● Erkältungen bei Kindern: Homöopathie wohl nicht wirksam Erkältungen bei Kindern: Homöopathie wohl nicht wirksam Aussagekräftige Studien sprechen eher gegen die Wirksamkeit von Homöopathie bei erkälteten Kindern. Weder zur Linderung noch zur Vorbeugung der Infektion. 02. November 2021 AutorIn: Jana Meixner Review: Julia Harlfinger Bernd Kerschner Teilen Können homöopathische Mittel Erkältungskrankheiten bei Kindern vorbeugen? wahrscheinlich nicht Können homöopathische Mittel Erkältungskrankheiten bei Kindern lindern? möglicherweise nicht Gut durchgeführte Studien finden weder einen vorbeugenden noch einen lindernden Effekt von Homöopathie bei Erkältungen (Verkühlungen) von Kindern. Für ein wirklich aussagekräftiges Ergebnis haben diese Studien jedoch zu wenige Kinder untersucht. Für eine klare Antwort wären größere Studien nötig. Wissenschaftlich plausibel ist eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht. so arbeiten wir Homöopathie: Eher keine Hilfe für verkühlte Kinder. © Africa Studio – Shutterstock.com Kinder sind häufig erkältet (verkühlt). Es erwischt sie ca. sechs bis zehn Mal pro Jahr. In ihrer Ursache behandeln oder verkürzen lassen sich Erkältungskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Aber nach ein bis zwei Wochen ist die Krankheit meist ausgestanden [4,6]. Medikamente können lediglich die Symptome bekämpfen, die Kinder bei einer Verkühlung quälen: also Schmerzen lindern, das Fieber senken oder die verstopfte Nase befreien [4,6]. Anstatt dieser Medikamente oder auch als Ergänzung dazu greifen manche Eltern zur Homöopathie. Homöopathische Mittel gibt es in Form von Zuckerkügelchen („Globuli“), Tropfen oder auch Salben. Laut aktuellem Stand der Wissenschaft wirken sie bei verschiedenen Krankheiten nicht besser als Scheinmedikamente (Placebos) [2]. Wir haben hier darüber berichtet. Aber wie sieht es mit der Wirksamkeit von Homöopathie gegen Erkältungen bei Kindern aus? Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht. Vorbeugen und heilen mit Homöopathie? Bei unserer Suche fanden wir eine Übersichtsarbeit, die die Ergebnisse bisheriger randomisierter kontrollierter Studien zusammenfasst [1]. Diese Studienart ist am besten geeignet, um die Wirksamkeit eines Medikaments zu untersuchen. Das Autorenteam hinter der Übersichtsarbeit konnte acht solcher Studien analysieren. Darin wurde untersucht, ob Kinder durch die vorbeugende Einnahme homöopathischer Erkältungsmittel seltener und weniger schwer erkrankten. Außerdem haben die Studien erforscht, ob homöopathische Globuli oder Tropfen eine heilende Wirkung bei Erkältungen haben: Lassen sich die typischen Beschwerden wie Schnupfen, Schmerzen oder Fieber lindern und werden die betroffenen Kinder schneller wieder gesund? Nutzen zur Vorbeugung unwahrscheinlich Das Fazit der Übersichtsarbeit: Wahrscheinlich ist die Homöopathie kein wirksames Mittel zur Vorbeugung von Erkältungen bei Kindern. Kinder, die regelmäßig homöopathische Mittel einnahmen, wurden in den aussagekräftigen Studien nicht seltener krank und ihre Erkältungen verliefen auch nicht milder. Eingeschränkt ist diese Aussage dadurch, dass nur wenige Kinder an den Studien teilgenommen haben. Kein Hinweis auf Behandlungseffekt Die Studien fanden auch keinen Effekt auf die Schwere und Dauer von bereits bestehenden Erkältungen. Kinder, die mit Homöopathie behandelt wurden, ging es nicht wesentlich besser als Kindern, die ein Placebo oder nur die übliche Versorgung zuhause bekommen hatten. Gut abgesichert ist dieses Ergebnis aber nicht. Die wenigen gut durchgeführten Studien zeigten zwar eindeutig keinen Effekt von Homöopathie gegen Erkältungen. Aber nicht alle Studien waren so solide. Sie hatten auch zu wenig Teilnehmende, um endgültige Antworten zu liefern. Kann ja nicht schade. Oder? In den Studien wurden keine wesentlichen Nebenwirkungen von homöopathischen Mitteln festgestellt. Doch müssen wir kritisch anmerken, dass Homöopathie schaden kann. Beispielsweise dann, wenn sie an Stelle von notwendigen Medikamenten zum Einsatz kommt. In den meisten Fällen sind Viren die Auslöser von Erkältungskrankheiten, und dann sind Antibiotika nicht wirksam. Bei manchen Infekten, wie etwa Mittelohrentzündungen oder Mandelentzündung, kann jedoch eine Antibiotikatherapie sinnvoll sein [6]. Der Einsatz von Homöopathika kann in diesem Fall eine wirksame Therapie verzögern und die Erkrankung verschleppen. Homöopathie: nicht wirksamer als Placebo Homöopathie ist in Österreich, Deutschland und der Schweiz besonders beliebt [3]. Mit aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien bewiesen wurde ihre Wirksamkeit jedoch nie. Eine Besserung nach der Anwendung eines homöopathischen Mittels ist sehr wahrscheinlich auf den sogenannten Placeboeffekt zurückzuführen. Oder im Fall der Erkältung darauf, dass solche Infekte sich für gewöhnlich nach ein bis zwei Wochen ohnehin von selbst ausheilen, ob mit oder ohne Behandlung [4]. Große Übersichtsarbeit zeigt keinen Nutzen von Homöopathie Ende 2014 hat die australische Gesundheitsbehörde die zurzeit wohl umfangreichste Übersichtsarbeit zur Homöopathie veröffentlicht [2]. Ziel war es herauszufinden, ob es Erkrankungen gibt, bei der die Homöopathie helfen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass das nicht der Fall ist. Die australische Behörde rät davon ab, Homöopathie bei chronischen oder ernsthaften Erkrankungen anzuwenden bzw. bei Erkrankungen, die einen schweren Verlauf entwickeln können. Mystische Theorie aus dem 18. Jahrhundert Die Homöopathie geht auf den Arzt Samuel Hahnemann und seine Beobachtungen zurück, die er Ende des 18. Jahrhunderts bei Selbstversuchen machte [3]. Seit über 200 Jahren ist die Grundidee der Homöopathie unverändert: Substanzen, die bei Gesunden in ausreichend hoher Dosis Beschwerden oder Vergiftungserscheinungen auslösen, sollen sehr stark verdünnt genau jenen Menschen helfen, die (aus anderen Gründen) an ebendiesen Beschwerden leiden. Diese Theorie ist auch als „Ähnlichkeitsprinzip“ bekannt. Eine wissenschaftliche Erklärung für den behaupteten Mechanismus fehlt [2,3,5]. Heilmittel ohne Wirkstoff? Für homöopathische Mittel werden Substanzen so stark verdünnt, dass sich darin mitunter kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr befindet. Homöopathische Mittel enthalten deshalb keine relevanten Mengen an Wirkstoff. Eine Wirksamkeit ist aufgrund des Fehlens von entsprechenden Substanzen in den Mitteln nicht plausibel und aus Sicht der wissenschaftlichen Medizin nicht erklärbar [3]. Verständliche und wissenschaftlich fundierte Informationen zur Homöopathie liefert das Informationsnetzwerk Homöopathie. Die Studien im Detail Wir suchten in drei Datenbanken nach wissenschaftlichen Studien zur Homöopathie bei Erkältungen im Kindesalter. Dabei fanden wir eine aussagekräftige Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018, veröffentlicht von der unabhängigen Wissenschaftsvereinigung Cochrane. Das Forschungsteam fasste die Ergebnisse von acht randomisierten kontrollierten Studien zusammen [1]. Um auf dem aktuellen Stand zu sein, haben wir auch nach später veröffentlichten Studien gesucht, sind allerdings nicht fündig geworden. Die in der Übersichtsarbeit [1] zusammengefassten Studien untersuchten, ob Kinder mit akuten oder immer wiederkehrenden Erkältungskrankheiten von homöopathischen Mitteln profitieren. Konkret wollte das Autorenteam wissen: Sind Kinder, die vorbeugend Homöopathika erhalten, seltener und weniger schwer krank? Können homöopathische Mittel, wenn die Erkältung bereits eingetreten ist, die Beschwerden lindern und die Krankheit verkürzen? Homöopathie vs. Placebo An den Studien nahmen insgesamt 1562 Kinder zwischen 0 und 16 Jahren teil. Die Kinder wurden für die Studien per Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die Interventionsgruppe bekam ein homöopathisches Mittel. In manchen Studien war das ein individuell auf die teilnehmenden Kinder zugeschnittenes Mittel in Form von Globuli. In anderen Studien waren es in der Apotheke erhältliche homöopathische Erkältungsmittel in Form von Globuli, Tropfen oder Schmelztabletten. Die andere Gruppe war die Kontrollgruppe. Sie erhielt in sieben Studien ein Scheinmedikament (Placebo). In einer Studie nahm die Kontrollgruppe im Krankheitsfall kein Placebo, sondern herkömmliche Erkältungsmedikamente ein, wie etwa Fiebersenker, Inhalations-Sprays oder entzündungshemmende Mittel. In den sieben Placebo-kontrollierten Studien wussten weder die Kinder und ihre Eltern noch das Forschungsteam, wer welcher Gruppe zugeteilt war – die Studien waren also doppelt verblindet. Die Kinder wurden je nach Studie entweder für die Dauer der akuten Erkrankung oder – wenn die vorbeugende Wirkung untersucht wurde – ein Jahr lang beobachtet. Alle erkälteten Kinder kurierten ihre Erkrankung zuhause aus, egal ob sie der Homöopathie- oder der Placebo-Gruppe zugeteilt waren. Fragebögen zu Beschwerden, Krankheitsdauer und Anzahl der Infekte gaben Auskunft über die Wirksamkeit der jeweiligen Behandlung. Auch mögliche Nebenwirkungen wurden erhoben. Bei Erkältung wohl eher wirkungslos Verlässliche Antworten konnten die analysierten Studien jedoch nicht liefern. Zwischen den einzelnen Studien gab es erhebliche Qualitätsunterschiede und einige hatten grobe Mängel. So fehlte etwa in einer der Studien eine Kontrollgruppe, die ein Placebo bekam. Die Erwartung eines Effekts könnte in diesen Fällen in der Homöopathie-Gruppe zu einer Überschätzung des Effekts geführt haben (Placebo-Effekt). An jenen Studien, die einwandfrei durchgeführt worden waren, nahmen wiederum nur wenige Kinder teil, nämlich je nach Studie zwischen 75 und 251. Insgesamt konnten die Studien keinen vorbeugenden Effekt von homöopathischen Mitteln finden; sie reduzieren weder die Häufigkeit noch die Schwere von Erkältungskrankheiten. Ob eine maßgeschneiderte Behandlung oder Mittel aus der Apotheke zum Einsatz kamen, machte dabei keinen Unterschied. In einer Studie wurden die Kinder innerhalb eines Jahres zwar etwas seltener krank, nämlich ohne Homöopathika durchschnittlich 1,3 Mal, mit Homöopathika etwa 0,8 Mal. Die Studie hat allerdings gravierende Mängel. So wurden etwa manche Ergebnisse vom Forschungsteam offensichtlich nicht berichtet. Andere, sehr gut durchgeführte Studien kamen klar zum gegenteiligen Schluss: Sie fanden keinerlei Hinweis auf einen vorbeugenden Effekt. Nebenwirkungen kamen in den Studien bei beiden Gruppen etwa gleich häufig vor. Das heißt, dass die Mittel kurzfristig keine unerwünschten Effekte haben dürften. All diese Ergebnisse sind teils recht gut, teils weniger gut abgesichert. Für mehr Eindeutigkeit wären mehr gut gemachte Studien notwendig. Wissenschaftliche Quellen [1] Hawke et al (2018) Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit Eingeschlossene Studien: 8 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1562 Kindern Fragestellung: Sind homöopathische Mittel wirksam zur Vorbeugung oder Behandlung von akuten und/oder wiederkehrenden Erkältungskrankheiten bei Kindern? Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam Hawke, K., van Driel, M. L., Buffington, B. J., McGuire, T. M., & King, D. (2018). Homeopathic medicinal products for preventing and treating acute respiratory tract infections in children. Cochrane Database of Systematic Reviews, (4). (Link zur Studie) [2] Übersichtsarbeit der australischen Gesundheitsbehörden National Health and Medical Research Council. (2015). NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. Abgerufen am 13.10.2021 unter www.nhmrc.gov.au [3] Cukaci, C., Freissmuth, M., Mann, C., Marti, J., & Sperl, V. (2020). Against all odds—the persistent popularity of homeopathy. Wiener klinische Wochenschrift, 132(9), 232-242. (Link zur Arbeit) [4] UpToDate (2021) Pappas DE. The common cold in children: Clinical features and diagnosis. In: UpToDate, Torchia MM (Ed), UpToDate, Waltham, MA. Abgerufen am 13.10.2021 unter www.uptodate.com [5] Gesundheitsinformation.de Abgerufen am 13.10.2021 unter www.gesundheitsinformation.de [6] Gesundheitsinformation.de Abgerufen am 21.10.2021 unter www.gesundheitsinformation.de Schlagworte erkältetErkältungErkältungskrankheitenGlobuliHomöopathieInfektionKinderSalbenTropfenverkühltVerkühlungenZuckerkügelchen In über 400 Faktenchecks suchen