Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Grummeln im Darm: Helfen Huminsäuren?

Huminsäuren sollen für den Darm eine wahre Wohltat sein. So verspricht es zumindest die Werbung. Aber stimmt das auch?

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Helfen Präparate mit Huminsäuren bei Erkrankungen oder Beschwerden von Magen und Darm?

Wir konnten keine aussagekräftigen Studien zu dieser Frage identifizieren

so arbeiten wir
© Nataly Studio - shutterstock.com Vorbild Regenwurm: Huminsäuren sollen bei Beschwerden im Darm helfen
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Schon mal einen Regenwurm mit Bauchschmerzen gesehen? Na also. Dann scheint der gesundheitliche Nutzen von Humus doch klar.

Zugegeben: Ganz so platt ist die Werbung für Mittel mit Huminsäuren nicht, die natürlicherweise in Humusböden, Torf und Braunkohle vorkommen. Dennoch gibt es reichlich gesundheitliche Versprechungen.

So sollen Präparate mit Huminsäuren bei Durchfällen und anderen Beschwerden von Magen und Darm nützlich sein. Angepriesen werden sie auf manchen Webseiten auch als „Detox“-Mittel. Und natürlich kann man dann auch gleich entsprechende Kapseln samt Huminsäuren im zugehörigen Online-Shop ordern.

Einer unserer Leser wollte wissen, ob an diesen Versprechungen tatsächlich etwas dran ist.

Nutzen von Huminsäuren?

Manche Menschen schwören auf Huminsäuren in Form von Moorbädern, etwa um Beschwerden bei verschiedenen Hauterkrankungen und Gelenksbeschwerden zu lindern.

Auch die innerliche Anwendung wird propagiert, und zwar meist in Form von Kapseln, die verschiedene Arten von Huminsäuren enthalten. Die Substanzen sollen bei Heuschnupfen und weiteren Erkrankungen helfen, bei denen Entzündungsprozesse eine Rolle spielen [2].

In einer Reihe von Laborversuchen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden, dass Huminsäuren Botenstoffe beeinflussen können, die an Entzündungsreaktionen beteiligt sind [1].

Daher erscheint ein positiver Effekt von Huminsäuren tatsächlich möglich. Wie immer gilt allerdings: „Nur“ ein plausibler Mechanismus reicht als Wirksamkeitsbeleg noch lange nicht aus. Sondern es braucht Studien an Menschen.

Aussagekräftige Studien? Fehlanzeige!

Allein: Zu der Frage, ob Huminsäuren zur Gesundheit oder Genesung von Magen und Darm beitragen, haben wir keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien finden können. Die Werbeversprechungen zur Verbesserung von Problemen wie Durchfall sind also nicht ausreichend belegt.

Dass das Konzept von „Detox“ oder „Entgiftung“ schon allein theoretisch nicht haltbar ist, haben wir bereits in einem anderen Beitrag beleuchtet: Detox – der Mythos vom Entgiften.

Keine Studien veröffentlicht

Bei unserer Recherche zur Wirksamkeit von Huminsäuren sind wir lediglich auf einige „Anwendungsbeobachtungen“ gestoßen. Dabei haben Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden für einige Zeit ein Präparat mit Huminsäuren eingenommen. Die Berichte sind nicht wissenschaftlich publiziert, sondern lediglich auf einer Webseite veröffentlicht – somit fehlen Qualitätschecks, wie sie in der Wissenschaft wichtig und üblich sind.

Außerdem sind solche Beobachtungen als Wirksamkeitsnachweis aus zwei Gründen nicht aussagekräftig: Zum einen lassen sich aufgrund der wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zufällige Effekte nicht ausschließen. Außerdem gibt es keinen Vergleich mit anderen Maßnahmen, etwa einer bestimmten Diät oder einem etablierten Medikament.

Und so bleibt unklar, ob die beobachteten Veränderungen nach der Einnahme von Huminsäuren tatsächlich auf das Präparat selbst zurückzuführen sind. Oder handelt es sich um natürliche Heilungsprozesse, den Placeboeffekt oder Verhaltensänderungen der Probandinnen und Probanden, über die nicht berichtet wird?

Anhaltende Beschwerden in Magen und Darm

Wer über einen längeren Zeitraum unter Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen oder Völlegefühl leidet, für die keine Ursachen bekannt sind, sollte bei Arzt oder Ärztin vorstellig werden. Hier kann abklärt werden, ob vielleicht eine Erkrankung dahinter steckt.

Die genannten Symptome treten zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen [3], beim Reizdarmsyndrom [4] oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Laktoseintoleranz [5] auf.

Gärtners Freude

Huminsäuren entstehen, wenn sich Pflanzen im Boden zersetzen. Hobbygärtner nutzen diesen Prozess beim Kompostieren aus. Der sich bildende Humus wird dann als organischer Dünger verwendet.

Die gleichen zersetzenden Abläufe passieren auch ungesteuert in der Natur, wenn sich pflanzliche Bestandteile abbauen. Je nach äußeren Bedingungen und Dauer des Abbaus entstehen dann Humusboden, Torf oder verschiedene Kohlearten.

Kommerziell erhältliche Präparate mit Huminsäuren werden in der Regel durch Aufreinigung aus Torf und Kohle gewonnen. Am häufigsten kommen sie in der Landwirtschaft als Dünger oder als Hilfsstoff in der Kosmetikherstellung zum Einsatz [1].

Die Studien im Detail

Ein vermarktetes Präparat mit Huminsäure wurde in einer kleinen Studie mit gesunden Freiwilligen über einen Zeitraum von rund sechs Wochen untersucht [6]. Allerdings wurde lediglich getestet, wie sich die Besiedelung des Darms nach Einnahme von Huminsäuren veränderte.

Derartige Veränderungen der „Darmflora“, auch Mikrobiom genannt, werden zwar mit einer Reihe von Magen-Darm-Erkrankungen in Verbindungen gebracht. Allerdings ist es in vielen Fällen unklar, ob diese Veränderungen die Ursache oder die Folge der Erkrankung sind [7].

Außerdem bedeutet eine Veränderung des Mikrobioms durch Huminsäuren-Präparate nicht automatisch, dass sich dadurch auch gleich das Krankheitsbild verbessert. Da es sich um eine unkontrollierte Untersuchung handelt, lässt es sich außerdem nicht ausschließen, dass möglicherweise andere Faktoren, wie etwa die Ernährung, zusätzlich oder ausschließlich für die beobachteten Änderungen verantwortlich waren.

[1] de Melo BA u.a. (2016)
Humic acids: Structural properties and multiple functionalities for novel technological developments. Mater Sci Eng C Mater Biol Appl. 2016; 62:967-74.
Zusammenfassung

[2] Van Rensburg CE (2015)
The Antiinflammatory Properties of Humic Substances: A Mini Review. Phytother Res. 2015; 29:791-5.
Zusammenfassung

[3] IQWiG (2016)
Durchfall bei Magen-Darm-Infektionen.
gesundheitsinformation.de
Zugriff am 24.04.2018

[4] IQWiG (2016)
Reizdarmsyndrom.
gesundheitsinformation.de
Zugriff am 24.04.2018

[5] IQWiG (2015)
Laktoseintoleranz
gesundheitsinformation.de
Zugriff am 24.04.2018

[6] Swidsinski A u.a. (2017)
Impact of humic acids on the colonic microbiome in healthy volunteers. World J Gastroenterol. 2017;23:885-890.
Zusammenfassung

[7] Gorkiewicz G u.a. (2018)
Gut microbiome: a new player in gastrointestinal disease. Virchows Arch. 2018; 472:159-172.
Zusammenfassung

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