Homöopathie: warum die Wirkung nur bedingt widerlegt ist

Studien zufolge scheint Homöopathie nicht besser zu wirken als ein Scheinmedikament (Placebo). Die Forschung dazu hat aber einige Probleme.

AutorIn:
Review:  Jana Meixner 

Wirken homöopathische Mittel besser als ein Scheinmedikament (Placebo)?

Die Wirkung von homöopathischen Mitteln ist in vielen Studien untersucht worden. Die aussagekräftigsten zeigen Richtung Wirkungslosigkeit von Homöopathie – dass sie also nicht besser hilft als ein Scheinmedikament. Gut belegt ist das jedoch nicht.

so arbeiten wir
Fläschchen mit homöopathischen Globuli Globuli sind homöopathisch zubereitete Zuckerkügelchen
© rsester – istockphoto.com

Homöopathie ist beliebt – speziell im deutschsprachigen Raum. Rund 10 Prozent der österreichischen, deutschen und schweizerischen Bevölkerung greifen bei Gesundheitsproblemen zu Globuli und Ähnlichem [Quelle 1]. Das macht die Homöopathie zu einem ertragreichen Geschäft: In Deutschland etwa liegt der jährliche Umsatz bei über 500 Millionen Euro im Jahr [Quelle 2].
Homöopathie ist umstritten, weil das behauptete Wirkprinzip naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Häufig ist die Verdünnung der homöopathischen Präparate so groß, dass von der ursprünglichen Substanz nicht einmal mehr Spuren enthalten sind. Homöopathie-Befürworter behaupten jedoch, die Wirkung wäre umso größer, je stärker die Verdünnung ist. Das klingt nicht nur unlogisch – es gibt auch keine wissenschaftlich nachvollziehbare Erklärung dafür.

Leicht überprüfbar

Auch ohne eine solche Erklärung lässt sich prinzipiell leicht überprüfen, ob Homöopathie Beschwerden lindern kann – etwa, ob ein verschnupftes Kind wirklich schneller wieder gesund wird, wenn es von seinen Eltern ein homöopathisches Erkältungsmittel bekommt.

Am besten geeignet ist dafür der folgende Studienaufbau: Eine größere Anzahl an erkälteten Kindern wird einer von zwei Gruppen zugelost. Eine Gruppe bekommt homöopathische Globuli (Zuckerkügelchen). Die andere Gruppe bekommt zum Vergleich Zuckerkügelchen ohne Homöopathie – also ein gleichaussehendes und gleich schmeckendes Scheinpräparat (Placebo).

Am Ende wird verglichen: Wurden die Kinder in der Homöopathiegruppe wirklich rascher wieder gesund als die Kinder in der Placebogruppe?

Studienmängel schränken Aussagekraft ein

Die Antwort aus derartigen Studien lautet: eher nein. Das gilt nicht nur für Erkältungen, sondern auch für homöopathische Mittel gegen andere Gesundheitsprobleme [Quellen 3,4].

Für eine eindeutige Antwort ist die Aussagekraft der Studien jedoch zu gering. Die Studiendaten können nicht sicher belegen, dass Homöopathie unwirksam ist – auch wenn sie eine Wirksamkeit unwahrscheinlich machen.

Wie kann das sein? Immerhin widerspricht der behauptete Wirkmechanismus ja naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Grund liegt darin, dass viele Homöopathiestudien mangelhaft durchgeführt wurden und daher kaum aussagekräftig sind. So lässt sich zwar für kein einziges Gesundheitsproblem eine Wirksamkeit belegen – aber auch nicht gesichert widerlegen [Quelle 3].

Dennoch zeigt sich ein klarer Trend: Je strenger bei einer Studie anerkannte wissenschaftliche Qualitätskriterien eingehalten wurden, umso eher zeigen die Ergebnisse Richtung Unwirksamkeit [Quelle 4]. Umgekehrt gilt: Je mangelhafter die Studien, umso positiver scheint das Bild von Homöopathie, das sie zeichnen.

Dafür gibt es mehrere Gründe, auf die wir im Abschnitt „Die Studien im Detail“ genauer eingehen. Eine der Erklärungen ist der Placeboeffekt.

Wenn die Erwartung das Ergebnis verfälscht

Meist bessern sich Beschwerden auch bei jenen Studienteilnehmenden, die ein Placebomittel ohne Wirkstoff einnehmen – zumindest ein wenig. Fachleute bezeichnen das als Placeboeffekt. Er tritt besonders dann auf, wenn die Betroffenen erwarten, dass ihnen das Medikament helfen wird.

Deshalb ist es wichtig, dass es in jeder Studie auch eine Vergleichsgruppe gibt, die ein Placebo bekommt. Natürlich dürfen die Teilnehmenden nicht wissen, ob sie Teil der Homöopathie- oder der Placebogruppe sind. Nur so wird am Ende sichtbar, welcher Teil der Wirkung dem Placeboeffekt zuzuschreiben ist und welcher der tatsächlichen Wirkung der Homöopathika.

Wenn diese Geheimhaltung nicht gut funktioniert, entstehen Erwartungen – und die können das Ergebnis einer Studie stark verzerren. Das scheint bei vielen Homöopathiestudien der Fall zu sein.

Der Schubladen-Effekt

Fachleute haben außerdem den begründeten Verdacht, dass es in Wirklichkeit viel mehr Homöopathiestudien mit negativen Ergebnissen gibt, als bekannt ist. Über ein Drittel aller Homöopathiestudien wurden nämlich nie veröffentlicht, obwohl sie zuvor angekündigt und auch durchgeführt worden waren [Quelle 5].

Dass Forschungsarbeiten in der Schublade verschwinden, statt veröffentlicht zu werden, kommt oft bei negativen Ergebnissen vor – wenn sich das untersuchte Präparat also als wirkungslos herausstellt. Besonders häufig passiert das, wenn die betreffende Studie von der Herstellerfirma des untersuchten Präparats durchgeführt wurde. Deswegen liefern die veröffentlichten Homöopathiestudien ein verzerrtes Bild.

Je weniger desto wirksamer?

Die Lehre der Homöopathie ist rund 200 Jahre alt. Ihr Erfinder Samuel Hahnemann glaubte, dass eine krankmachende Substanz eine Krankheit heilen könnte, wenn sie sehr stark verdünnt wird. Ein Mittel, das zum Beispiel Fieber auslöst, soll demnach in hoher Verdünnung fiebersenkend wirken.

Die Wirkung soll der Lehre zufolge umso stärker sein, je mehr die Substanz verdünnt wird. Bei manchen homöopathischen Mitteln ist die Verdünnung so hoch, dass von der ursprünglichen Substanz nicht einmal mehr ein einziges Molekül enthalten ist.

Unwissenschaftlicher Erklärungsversuch

All das widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch von der Homöopathie Überzeugte haben keine Erklärung dafür, worauf die Wirkung beruhen soll. Häufig argumentieren sie, dass die Ursprungssubstanz Informationen auf das Wasser überträgt, mit dem sie verdünnt wurde. Diese Informationen sollen dann auf unklarem Weg Selbstheilungskräfte im Körper anregen. Wissenschaftlich nachgewiesen werden konnten solch angeblich übertragene Informationen jedoch nie.

Nicht immer unbedenklich

Einerseits ist von derart hochverdünnten Mitteln keine Wirkung zu erwarten. Andererseits treten bei ihnen auch keine Nebenwirkungen auf. Anders ist das bei homöopathischen Präparaten mit niedriger Verdünnungsstufe. Bei ihnen kann es zu allergischen Reaktionen oder unter Umständen auch zu Vergiftungen kommen [Quellen 6,7].

Gefährlich werden kann eine homöopathische Behandlung bei einer ernsten Erkrankung. Nämlich dann, wenn Betroffene zugunsten von Homöopathie auf eine wirksame Behandlung verzichten. Bei einer Krebserkrankung beispielsweise kann das dazu führen, dass der Krebs sich so weit ausbreitet, dass er sich nicht mehr behandeln lässt.

Kein Wirknachweis erforderlich

Gesetzlich hat Homöopathie in der EU eine Sonderstellung. Während Medikamente nur zugelassen werden, wenn die Wirksamkeit durch aussagekräftige Studien bestätigt ist, gilt diese Voraussetzung nicht für homöopathische Mittel. Um Globuli oder andere Homöopathika verkaufen zu können, ist also kein Wirknachweis nötig [Quelle 8]. Das hat keinen wissenschaftlichen oder medizinischen Grund. Begründet wird diese Ausnahmeregelung nur mit der Beliebtheit der Homöopathie in der Bevölkerung.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob ein homöopathisches Präparat bestimmte Beschwerden lindert, lässt sich am aussagekräftigsten in einer sogenannten randomisiert-kontrollierten Studie untersuchen. Dabei erfolgt die Zuteilung zur Homöopathiegruppe und zur Placebogruppe (Kontrollgruppe) nach dem Zufallsprinzip (randomisiert).

Wichtig dabei: Wer das homöopathische Mittel bekommt und wer das Placebo, soll nicht nur vor den Teilnehmenden geheim gehalten werden, sondern auch vor dem Studienpersonal. Die Studie soll also „doppelt verblindet“ sein. Nur dann ist sichergestellt, dass weder der Placeboeffekt noch Erwartungen des Studienpersonals das Ergebnis verfälschen.

Bei unserer Recherche haben wir nicht nach Einzelstudien gesucht, sondern nach systematischen Übersichtsarbeiten. Diese fassen alle bisherigen Studienergebnisse zusammen und beurteilen ihre Aussagekraft. Gefunden haben wir drei geeignete Übersichtsarbeiten, die randomisiert-kontrollierte Homöopathiestudien zu unterschiedlichsten Beschwerden und Krankheiten zusammengefasst haben [Quellen 3,4,9].

Wie aussagekräftig sind die Homöopathiestudien?

Viele der in den drei Übersichtsarbeiten zusammengefassten Einzelstudien haben große Mängel und sind daher kaum aussagekräftig. Die Gründe sind vor allem folgende:

  • Verzerrung durch Placeboeffekt: Bei etlichen Homöopathiestudien ist zu befürchten, dass die Teilnehmenden bzw. das Studienpersonal wussten, wer das homöopathische Mittel bekam und wer das Placebomittel. In diesem Fall kann der Placeboeffekt das homöopathische Mittel auch dann wirksam erscheinen lassen, wenn es eigentlich unwirksam ist.
  • Daten mancher Teilnehmenden fehlen: Bei der Auswertung wurden die Daten mancher Teilnehmenden nicht berücksichtigt. Das kann das Ergebnis verfälscht haben.
  • Rosinenpickerei: Bei etlichen Homöopathiestudien wurden nicht alle Ergebnisse berichtet. Es besteht der Verdacht, dass jene Ergebnisse unter den Tisch fallen gelassen wurden, die den Erwartungen des wissenschaftlichen Studienteams widersprochen haben.

Nur wenige Homöopathiestudien wurden streng nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien durchgeführt und sind dadurch aussagekräftig.

Wie verlässlich sind die Zusammenfassungen der Studienlage in den Übersichtsarbeiten?

Unsere Einschätzung beruht auf den zusammenfassenden Analysen von drei systematischen Übersichtsarbeiten. Diese haben allerdings Mängel:

  • Studienlage nur bis 2014 berücksichtigt: Die Übersichtsarbeiten sind schon älter und haben daher keine Homöopathiestudien in die Analyse einbezogen, die nach 2014 veröffentlicht wurden. Wir konnten jedoch keine aktuelleren Übersichtsarbeiten finden, die Homöopathiestudien zu allen Gesundheitsproblemen zusammenfassen.
  • Verzerrung durch nicht-veröffentlichte Studien: 38 Prozent aller angekündigten und durchgeführten Homöopathiestudien wurden nie veröffentlicht – sie sind in der Schublade verschwunden. Möglicherweise ist der Anteil sogar noch größer. Es besteht der Verdacht, dass es sich dabei großteils um Untersuchungen handelt, die eine Unwirksamkeit zeigten. Die in den Übersichtsarbeiten zusammengefassten Einzelstudien dürften Homöopathie daher im Durchschnitt wirksamer aussehen lassen, als sie in Wirklichkeit ist [Quelle 5].
  • Verzerrung durch fehlende Vorab-Registrierung: Idealerweise macht ein Forschungsteam bereits vor Studienbeginn bekannt, was in der Studie konkret untersucht werden soll, und wie die Auswertung erfolgen wird. Etwa die Hälfte aller Homöopathiestudien ist jedoch zuvor nicht registriert worden [Quelle 5]. Somit lässt sich nicht einschätzen, ob nachträgliche Veränderungen die Studienergebnisse positiver dastehen lassen, als sie sind. Das ist nämlich bei einem Viertel der vorab registrierten Homöopathiestudien geschehen [Quelle 5].

Zwei der Übersichtsarbeiten [Quellen 3,4] halten wir trotz dieser Mängel für relativ aussagekräftig:

Die erste Übersichtsarbeit fasst Studien zusammen, in denen die Teilnehmenden in der Homöopathiegruppe jeweils alle dasselbe homöopathische Mittel bekamen [Quelle 4]. Ihr Ergebnis: Je strenger die Studien sich bei der Durchführung an wissenschaftliche Qualitätskriterien hielten, umso eher zeigen sie, dass die untersuchten homöopathischen Präparate nicht besser wirken als ein Placebo [Quelle 4].

Die zweite Übersichtsarbeit fasst die Ergebnisse älterer Übersichtsarbeiten zusammen [Quelle 3]. Dabei fanden sich für kein Gesundheitsproblem Belege für die Wirksamkeit von Homöopathie – allerdings oft auch keine Belege für die Unwirksamkeit.

Die dritte von uns gefundene Übersichtsarbeit [Quelle 9] halten wir hingegen für wenig verlässlich. Sie fasst Studien zusammen, in denen die Teilnehmenden unterschiedliche, individuell angepasste homöopathische Präparate bekamen, die ihnen nach einem ausführlichen Beratungsgespräch empfohlen worden waren. Die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit deuten zwar eine Wirksamkeit von Homöopathie an. Aus folgenden Gründen halten wir die Arbeit jedoch für nicht vertrauenswürdig:

  • Zwei aussagekräftige Studien nicht berücksichtigt: Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ignorierte das Forschungsteam hinter der Übersichtsarbeit zwei einigermaßen verlässliche Studien, die eine Unwirksamkeit von Homöopathie zeigen [Quelle 10].
  • Fehlende Studienregistrierung: Keine der in der Übersichtsarbeit analysierten Einzelstudien war vorab registriert worden. Es lässt sich daher nicht klären, ob die Auswertung der Daten im Nachhinein anders durchgeführt worden war als geplant.
  • Fehlende Studie: Die einzige vorab registrierte Studie ist vermutlich zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht worden. Falls ihre Ergebnisse eine Unwirksamkeit von Homöopathie zeigen würde, wäre das nicht berücksichtigt worden [Quelle 5].

[1] Cukaci et al. (2020) Against all odds—the persistent popularity of homeopathy. Wiener Klinische Wochenschrift, 132, 232-242. (Studie in voller Länge)

[2] Bundesverband der Arzneimittelhersteller (2023) Apothekenumsatz* mit rezeptfreien homöopathischen und pflanzlichen Arzneimitteln in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022. Aufgerufen am 12.6.2024 unter statista.com

[3] NHMRC (2015) National Health and Medical Research Council. 2015. NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. Abgerufen am 12.6.2024 unter nhmrc.gov.au

[4] Mathie et al. (2017) Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Systematic reviews, 6(1), 1-28. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] Gartlehner et al. (2022) Assessing the magnitude of reporting bias in trials of homeopathy: a cross-sectional study and meta-analysis. BMJ evidence-based medicine, 27(6), 345-351. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[6] Stub et al. (2016) Adverse effects of homeopathy, what do we know? A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Complementary Therapies in Medicine, 26, 146-163. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[7] Posadzki et al. (2012) Adverse effects of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. International journal of clinical practice, 66(12), 1178-1188. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[8] Europäische Union (2001) Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67). Kapitel 2: Besondere auf homöopathische Arzneimittel anzuwendende Bestimmungen. Abgerufen am 12. 6. 2024 unter eur-lex.europa.eu

[9] Mathie et al. (2014) Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Systematic Reviews, 3, 1-16. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[10] Ernst (2014) HOMEOPATHY: proof of concept or proof of misconduct? Abgerufen am 12. 6. 2024 unter edzardernst.com

  • 9.7.2024: bei einer neue Literaturrecherche konnten wir keine neuen systematischen Übersichtsarbeiten finden, die die Studienlage zu Homöopathie aktueller zusammenfassen. Wir haben jedoch eine neu erschienene Studienanalyse [Quelle 5] berücksichtigt. Den Text haben wir grundlegend überarbeitet, um unsere Einschätzung verständlicher und nachvollziehbarer zu machen.
  • 23.11.2016: erste Version des Faktenchecks

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