Ohne Beweis: Gletschermilch-Pulver gegen Kater

Alkohol ohne Kater? Damit wirbt das Anti-Kater Mittel "No Hangover" aus Gletschermilch-Pulver. Wissenschaftlich überprüft wurde die Wirkung nie.

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Kann Gletschermilch-Pulver einem Kater vorbeugen oder Kater-Beschwerden lindern?

Bisher gibt es keine Studien, die diese Frage untersucht haben. Es gibt keine Belege für die Wirksamkeit; auch Nebenwirkungen sind nicht untersucht.

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© Andranik Hakobyan - shutterstock.com Rausch ohne Reue? Mittel gegen den Kater sind nicht untersucht.
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Ausgiebig Alkohol trinken und den Tag danach trotzdem ohne Kater verbringen – das wünschen sich wohl viele Menschen. Mit diesem Versprechen werben die Hersteller zahlreicher Anti-Hangover-Mittel.

Dazu zählt auch das Mittel „No Hangover“ aus Gletschermilch-Pulver. Das Pulver aus fein gemahlenem Gestein soll als Kapsel geschluckt oder in Wasser eingerührt getrunken werden und so Kater-Beschwerden vorbeugen oder lindern. Namensgebend für die „Gletschermilch“ sind milchig-trübe Gewässer, die ihre Farbe durch Gletscher-Schmelzwasser mit feinem Gesteinsmehl erhalten.

Gehören dank Gletschermilch-Pulver also Kopfschmerzen und Übelkeit nach übermäßigem Alkoholkonsum der Vergangenheit an? Oder mildert das Pulver gar die erwiesenermaßen gesundheitsschädliche Wirkung von Alkohol?

Nie überprüft

Wir haben mehrere Forschungs-Datenbanken nach wissenschaftlichen Belegen durchforstet. Doch ohne Erfolg: Wir konnten keine einzige Studie finden, in der die Einnahme von Gletschermilch-Pulver untersucht wurde. Weder an Tieren noch im Labor wurden solche Gesteinspulver untersucht – und schon gar nicht in soliden Studien mit menschlichen Probandinnen und Probanden. Ob das Mittel wirksam ist, lässt sich daher nicht beantworten.

Das gilt auch für die Frage, welche unerwünschten Nebenwirkungen die Einnahme des feinen Gesteinsmehls möglicherweise auslöst. Künftige Studien könnten beispielsweise untersuchen, ob das Mittel selbst den Körper schädigen kann oder ob es durch die nahe gelegte Wirkung eventuell bei den Konsumentinnen und Konsumenten zu einem vermehrten, weil harmloser erscheinenden Alkoholkonsum führen kann.

Rästelhafte Übersäuerung

Durch welche Mechanismen Mittel mit Gletschermilch-Pulver gegen einen Kater wirken sollen, ist unklar. Herstellerfirmen zufolge ist das Mittel basisch. Dadurch soll es die angeblich durch Alkohol verursachte „Übersäuerung“ in Mund, Magen und Darm verringern.

Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass eine „Übersäuerung“ die Ursache für Kater-Beschwerden ist [1]. Zudem ist unklar, was Herstellerfirmen unter dem Begriff „Übersäuerung“ genau verstehen (siehe auch unseren Beitrag zum Thema basische Ernährung und angebliche Übersäuerung)

Ursache unerforscht

Warum Alkoholkonsum Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein auslöst, können Forscherinnen und Forscher nicht gut erklären. Vermutlich spielt das Stoffwechselprodukt Acetaldehyd eine große Rolle. Es entsteht beim Abbau von Alkohol in der Leber und ist gesundheitsschädlich. Manche dunklen Brände wie Whiskey sowie Rotwein enthalten auch Begleitsubstanzen: zum Beispiel Fuselalkohole oder geringe Mengen Methanol. Diese scheinen die Kater-Symptome zu verstärken [1].

Nicht plausibel: Schwamm-Wirkung

Eine andere Erklärung für die vermeintliche Wirksamkeit von Gletschermilch-Pulver ist, dass das Gesteinsmehl im Magen und Darm Schadstoffe wie ein Schwamm aufnehmen, binden und neutralisieren soll. Welche Schadstoffe genau gemeint sind, bleibt jedoch offen. Gesundheitsschädliche Stoffwechselprodukte wie Acetaldeyhd befinden sich jedenfalls nicht in Magen und Darm, sondern im Blut.

Eine solche Schwamm-Wirkung behauptet etwa eine Herstellerfirma von Zeolith-Pulver. Zeolith ist ein stark poröses Vulkangestein, das tatsächlich viele Stoffe aufnehmen und binden kann. In einer Studie folgert eine südafrikanische Forschungsgruppe zwar, das Pulver könne die Auswirkungen eines Katers lindern [2]. Die Studie weist jedoch zahlreiche Schwächen auf und ist daher nicht vertrauenswürdig.

Kein Alkohol ist beste Vorbeugung

Das wirksamste Mittel zur Vorbeugung eines Katers ist, auf Alkohol zu verzichten oder nur maßvoll zu trinken. Menschen, die vermehrt zu alkoholischen Getränken greifen, haben ein gesteigertes Risiko für vielen Erkrankungen, darunter Krebs, Leberschäden und psychische Erkrankungen. Auch die Wahrscheinlichkeit für Verletzungen durch Unfälle, für Behinderungen und Gewalt ist durch Alkohol deutlich erhöht. Weltweit sterben jährlich 3 Millionen Menschen an den Folgen von gefährlichem Alkoholkonsum. Er ist auch verantwortlich für hohe finanzielle und gesellschaftliche Kosten [3,4].

Die Studien im Detail

Ob ein Mittel wie Gletschermilch Kater-Symptome lindern kann, ließe sich am aussagekräftigsten mit einer randomisiert-kontrollierten Studie untersuchen. Dabei wird eine größere Anzahl an Erwachsenen nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe bekommt ein Pulver aus Gletschermilch, die andere ist die Kontrollgruppe. Sie erhält stattdessen ein Placebo: ein garantiert wirkungsloses Pulver, das wie Gletschermlich-Pulver aussieht und schmeckt. Dabei soll niemand im Vorhinein erfahren, wer das echte Mittel und wer das Placebo bekommen hat. Nur so ist sichergestellt, dass die Erwartung die Einschätzung der Kater-Symptome nicht verfälscht.

Nach der Einnahme trinken alle Teilnehmenden eine vergleichbare Menge an Alkohol. Am nächsten Tag bewerten alle Teilnehmenden ihre Kater-Symptome wie Kopfschmerzen oder Übelkeit auf einem genormten Fragebogen. Nur wenn sich dabei ein Unterschied zwischen Gletschermilch-Gruppe und Kontrollgruppe zeigt, wäre das ein Hinweis auf die Wirksamkeit von Gletschermilch als Anti-Kater-Mittel.

Wir konnten jedoch keine einzige Studie finden, die die Auswirkung von Gletschermilch-Pulver auf Kater-Beschwerden untersucht haben.

[1] Palmer u.a. (2019)
Palmer E, Tyacke R, Sastre M, Lingford-Hughes A, Nutt D, Ward RJ. Alcohol Hangover: Underlying Biochemical, Inflammatory and Neurochemical Mechanisms. Alcohol Alcohol. 2019 Mar 27. pii: agz016. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Gandy u.a. (2015)
Gandy JJ, Laurens I, Snyman JR. Potentiated clinoptilolite reduces signs and symptoms associated with veisalgia. Clin Exp Gastroenterol. 2015 Aug 25;8:271-7. (Arbeit in voller Länge)

[3] UpToDate (2019)
Mukamal KJ. Overview of the risks and benefits of alcohol consumption. In Kunins L (ed.). UpToDate. Abgerufen am 11.4.2019 unter www.uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

[4] WHO (2018)
Fact Sheet: Alcohol. Abgerufen am 11.4.2019 unter www.who.int

  • 21.11.2023: bei einer Aktualisierungsrecherche fanden wir keine neuen Studien – unsere Einschätzung bleibt unverändert
  • 15.4.2019: erste Version des Faktenchecks

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