Startseite ● Myrkl: Wundermittel gegen Kater? Myrkl: Wundermittel gegen Kater? Ein Nahrungsergänzungsmittel namens Myrkl soll vor den unangenehmen Folgen von Alkoholgenuss schützen. Ob das funktioniert, hat der Hersteller allerdings nicht untersucht. 20. Dezember 2022 AutorIn: Jana Meixner Review: Bernd Kerschner Teilen Verhindert die vorsorgliche Einnahme von Myrkl Kater-Symptome nach Alkoholkonsum? wissenschaftliche Belege fehlen Die Wirksamkeit des Nahrungsergänzungsmittel soll durch eine Studie belegt sein. Doch die angebliche Wirkung gegen den Kater am Morgen danach hat diese Studie gar nicht untersucht. Es gibt keine Belege dafür, dass das Produkt Myrkl tatsächlich hält, was es verspricht. so arbeiten wir Katerstimmung: müde und kopfwehgeplagt. Wer braucht da nicht ein Wunder? © Gunnerchu – Shutterstock.com Alkohol trinken, feiern und am nächsten Morgen trotzdem frisch und ohne Kater aufwachen. Mit einem Nahrungsergänzungsmittel namens Myrkl soll das möglich sein – berichten zumindest die Medien. Dass der Name Myrkl ganz ähnlich wie das englische miracle (Wunder) klingt, ist wohl kein Zufall und spielt bewusst auf dessen vermeintliche wundersame Wirkung an. Bestimmte probiotische Bakterien in dem Mittel sollen nämlich den Alkohol bereits im Darm abbauen, sodass er gar nicht erst ins Blut gelangt. Das soll unangenehme Folgen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel am nächsten Morgen ersparen. Und hier vermuten wir schon den ersten Haken: Denn kein Alkohol im Blut würde nicht nur unerwünschte Wirkungen verhindern – sondern auch die erwünschten. Und die sind ja für die meisten Menschen überhaupt der Grund für den Alkoholgenuss. Myrkl: Hersteller wirbt mit 24-Personen-Studie Doch bevor wir uns über die Sinnhaftigkeit eines solchen Produktes den Kopf zerbrechen, sehen wir uns erst einmal an, was hinter den Behauptungen rund um Myrkl steckt. Die Herstellerfirma wirbt mit der wissenschaftlich bewiesenen Wirksamkeit ihres Produkts. Die stammt angeblich aus einer Studie, die der Hersteller selbst durchführen ließ [1]. In dieser Studie schluckten 24 gesunde junge Männer und Frauen eine Woche lang täglich zwei Kapseln Myrkl oder ein Schein-Präparat (Placebo). Am Ende dieser Woche bekamen sie Alkohol zu trinken, und zwar in einer Menge, die etwa einem großen Glas Bier (0,5 Liter) entspricht. Ernüchterndes Ergebnis Was uns jedoch überraschte: In der Studie, die immerhin die Wirksamkeit eines Anti-Kater-Mittels belegen sollte, wurden Kater-Symptome gar nicht untersucht. Das Studienteam maß lediglich den Alkohol-Pegel der Teilnehmenden. Das im wahrsten Sinn des Wortes ernüchternde Ergebnis: Die verabreichte Alkoholmenge stellte sich als viel zu gering heraus und nur 14 der 24 Teilnehmenden hatten überhaupt messbare Mengen Alkohol im Blut. Von diesen 14 Personen hatten zwar jene, die Myrkl genommen hatten, weniger Alkohol im Blut als jene, die das Placebo bekommen hatten. Bei so wenigen Personen kann dieser Unterschied aber ebenso gut dem Zufall geschuldet sein. Studien bilden nicht das „echte Leben“ ab Abgesehen davon halten wir die Studie noch aus anderen Gründen für nicht aussagekräftig: Die Teilnehmenden schluckten eine Woche lang zweimal täglich das Nahrungsergänzungsmittel beziehungsweise ein Placebo. Die Verzehrs-Empfehlung des Herstellers lautet jedoch zwei Kapseln direkt vor dem Alkoholkonsum zu schlucken, um den unerwünschten Folgen des Alkohols vorzubeugen. Ob das tatsächlich funktioniert, wurde aber nicht untersucht. Auch wie das Mittel bei höheren Alkoholmengen wirkt, bleibt unklar. Die Bedingungen in der Studie entsprachen also vermutlich nicht den Bedingungen im echten Leben. Unerwünschte Nebenwirkungen traten laut Studienteam nicht auf [1]. Um mögliche negative Folgen verlässlich beurteilen zu können, war die Studie allerdings zu klein und lief nicht lange genug. Mit Bakterien gegen den Kater: Keine Hinweise auf Wirksamkeit Bei unserer Recherche in verschiedenen Datenbanken fanden wir eine weitere Studie zu einem ähnlichen angeblichen Mittel gegen Kater. Dieses enthielt ebenfalls probiotische Bakterien, allerdings andere als das Produkt Myrkl. Hier zeigte sich bei den 54 Teilnehmenden kein Unterschied bei Kater-Symptomen am nächsten Tag, egal ob sie das Präparat oder ein Placebo eingenommen haben. Und das obwohl in dieser Studie deutlich mehr Alkohol geflossen war, nämlich etwa drei große Biere (1,5 Liter) pro Person. Ein Mittel gegen Alkohol: Wer braucht so was? Das Nahrungsergänzungsmittel Myrkl enthält neben Vitamin B12 und der Aminosäure L-Cystein zwei vom Hersteller patentierte Bakterienstämme (Bacillus subtilis und Bacillus coagulans). Im Darm angekommen sollen die Bakterien den getrunkenen Alkohol in die harmlosen Bestandteile Wasser und Kohlendioxid aufspalten und so verhindern, dass er aus dem Darm ins Blut aufgenommen wird. Es ist zwar denkbar, dass das zumindest in der Theorie funktionieren könnte. Alkohol hätte dann aber nicht jene Wirkung, die sich viele Menschen davon erhoffen. Denn auch der berauschende Effekt ginge verloren. Die Frage ist also: Wer braucht so ein Mittel eigentlich? Auf der Hersteller-Homepage heißt es, man habe Myrkl für Menschen erfunden, „die zu gesellschaftlichen Anlässen Alkohol in moderaten Mengen trinken, dabei aber gesundheitsbewusst leben und sich am nächsten Morgen fit fühlen wollen“ [5]. Ob in solchen Fällen allerdings mit einem Kater zu rechnen ist, halten wir für fraglich. Kopfschmerzen und andere Leiden haben eher jene zu befürchten, die es beim Trinken übertreiben. Für die sei Myrkl aber explizit nicht geeignet, so der Hersteller. Alkohol ist nicht gesund – auch nicht in moderaten Mengen Obwohl Alkohol in Mitteleuropa zum gesellschaftlichen Leben dazugehört, ist er eine Droge und ein Gift. In geringen Mengen und ab und zu genossen ist er für die meisten Menschen gesundheitlich zwar unbedenklich. Dass Alkohol in kleinen Mengen gesund sein soll, ist aber ein Mythos, der inzwischen in Studien widerlegt wurde [4]. Auf Dauer zu viel zu trinken, kann krank machen und das Risiko für Lebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöhen. Die Empfehlung von Fachleuten lautet daher [3]: Männer sollten dauerhaft nicht mehr als ein großes Bier (0,5 Liter) oder ein Viertelliter Wein pro Tag trinken. Da weibliche Körper Alkohol anders verarbeiten als männliche, sollten es bei Frauen nicht mehr als ein kleines Bier (0,3 Liter) oder ein Achtelliter Wein pro Tag sein. Wer ab und zu viel trinkt, hat noch nicht automatisch ein Alkoholproblem. Folgende Warnsignale können allerdings Hinweise auf eine Abhängigkeit sein [3]: Alkohol zu trinken, um Sorgen oder Stress bewältigen zu können Probleme oder Streitereien mit der Familie, mit Freunden oder am Arbeitsplatz wegen Alkoholkonsum und seinen Auswirkungen regelmäßiger Kontrollverlust wegen Alkohol weniger Alkohol trinken zu wollen, aber es nicht zu schaffen Mehr wissen Mehr gesicherte Informationen dazu, wie viel Alkohol schädlich für die Gesundheit ist, wie er im Körper wirkt und wann es besser ist, nüchtern zu bleiben, gibt es auf Gesundheitsinformation.de. Wie Sie es schaffen können, weniger Alkohol zu trinken und wo Sie Beratung zum Thema Alkohol bekommen können, lesen Sie hier. Die Studien im Detail Welche Studien haben wir berücksichtigt? Für unsere Recherche haben wir nach Studien zum Produkt Myrkl gesucht sowie nach Studien zu anderen probiotischen Mitteln, die Kater-Symptomen am Morgen nach Alkoholkonsum vorbeugen sollen. Eine Anti-Kater-Wirkung in Studien zu untersuchen wäre ja eigentlich gar nicht so schwer: Man nehme eine möglichst große Gruppe von Menschen und teile sie per Zufall in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe schluckt das zu untersuchende Produkt, die andere ein Schein-Präparat (Placebo). Anschließend bekommen alle gleich viel Alkohol zu trinken. Danach werden die Teilnehmenden zu den unerwünschten Nebenwirkungen des Alkohols befragt. Um zu verhindern, dass Erwartungen die Ergebnisse verzerren, weiß bin zum Schluss niemand, wer welcher Gruppe angehört. Gefunden haben wir zwei solcher Studien, eine zum Produkt Myrkl [1], eine andere zum probiotischen Produkt „Duolac Pro AP4“ [2]. Dieses enthält die probiotischen Bakterienstämme Lactobacillus gasseri, Lactobacillus casei, Bifidobacterium lactis and Bifidobacterium breve. In beiden Studien wurde ein sogenanntes cross-over-Design verwendet. Das bedeutet, die Teilnehmenden wechselten nach der Hälfte der Zeit von der Interventions- in die Placebo-Gruppe und umgekehrt. Wie aussagekräftig sind die Studien? In der Myrkl-Studie wurde nur die Alkoholkonzentration im Blut der Teilnehmenden untersucht, nicht aber die Kater-Symptome. Ob das Produkt vor Kater schützt, kann sie also nicht beantworten. Abgesehen davon haben die beiden gefundenen Studien Schwachstellen, die ihre Aussagekraft stark einschränken: Mit 24 bzw. 54 Teilnehmenden waren die Studien sehr klein. Aus der Myrkl-Studie schieden 43 Prozent, aus der anderen Studie 30 Prozent der Teilnehmenden vorzeitig aus, bzw. konnten ihre Daten nicht ausgewertet werden. Das kann das Ergebnis verzerrt haben. Die Studie zum Produkt Myrkl wurde vom Hersteller durchgeführt. Eine Beeinflussung der Studie zugunsten positiver Ergebnisse ist möglich. Die Bedingungen in beiden Studien entsprachen nicht den Bedingungen im „realen Leben“. Die Teilnehmenden nahmen die Produkte jeweils eine und zwei Wochen ein. Zumindest für Myrkl lautet die Empfehlung jedoch, zwei Kapseln direkt vor Alkoholkonsum einzunehmen. Es ist möglich, dass das Produkt in dem Fall anders oder weniger gut wirkt. Wissenschaftliche Quellen [1] Pfützner u.a. (2022) Pfützner A, Hanna M, Andor Y, Sachsenheimer D, Demircik F, Wittig T, de Faire J. Chronic Uptake of A Probiotic Nutritional Supplement (AB001) Inhibits Absorption of Ethylalcohol in the Intestine Tract – Results from a Randomized Double-blind Crossover Study. Nutr Metab Insights. 2022 Jun 23;15:11786388221108919. (Link zur Studie) [2] Jung u.a. (2021) Jung SJ, Hwang JH, Park EO, Lee SO, Chung YJ, Chung MJ, Lim S, Lim TJ, Ha Y, Park BH, Chae SW. Regulation of Alcohol and Acetaldehyde Metabolism by a Mixture of Lactobacillus and Bifidobacterium Species in Human. Nutrients. 2021 May 30;13(6):1875. (Link zur Studie) [3] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2019) Alkohol. Abgerufen am 30.11.2022 unter https://www.gesundheitsinformation.de/alkohol.html [4] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2019) Acht Fakten über Alkohol. Abgerufen am 30.11.2022 unter https://www.gesundheitsinformation.de/acht-fakten-ueber-alkohol.html [5] www.defairemedical.com Schlagworte AlkoholAlkoholkonsumKaterKopfschmerzenKopfwehMyrkl In über 500 Faktenchecks suchen