Myrkl: Wundermittel gegen Kater?

Ein Nahrungsergänzungsmittel namens Myrkl soll vor den unangenehmen Folgen von Alkohol schützen. Ob das funktioniert, wurde allerdings nie untersucht.

AutorIn:
Review:  Bernd Kerschner 

Verhindert das Nahrungsergänzungsmittel Myrkl den Kater nach Alkoholkonsum?

Die Wirksamkeit des Nahrungsergänzungsmittel soll durch Studien belegt sein – das verspricht zumindest der Hersteller. Doch die angebliche Wirkung gegen Kater am Morgen danach wurde darin gar nicht untersucht. Es gibt keine Belege dafür, dass das Produkt Myrkl hält, was es verspricht.

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© Gunnerchu - Shutterstock.com Katerstimmung? Wer braucht da nicht ein Wunder?
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Alkohol trinken, feiern und am nächsten Morgen trotzdem frisch und ohne Kater aufwachen. Mit einem Nahrungsergänzungsmittel namens Myrkl soll das möglich sein – berichteten zumindest die Medien. Dass der Name Myrkl ganz ähnlich wie das englische miracle (Wunder) klingt, ist wohl kein Zufall und spielt bewusst auf dessen vermeidliche wundersame Wirkung an. Spezielle probiotische Bakterien in dem Mittel sollen nämlich den Alkohol bereits im Darm abbauen, sodass er gar nicht erst ins Blut gelangt. Das soll unangenehme Folgen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel am nächsten Morgen ersparen.

Und hier vermuten wir schon den ersten Haken: Denn kein Alkohol im Blut würde nicht nur unerwünschte Wirkungen verhindern – sondern auch die erwünschten. Und die sind ja für die meisten Menschen überhaupt der Grund für den Alkoholgenuss.

Myrkl: Hersteller wirbt mit Mini-Studien

Doch bevor wir uns über die Sinnhaftigkeit eines solchen Produktes den Kopf zerbrechen, sehen wir uns erst einmal an, was hinter den Behauptungen rund um Myrkl steckt.

Die Herstellerfirma wirbt mit der wissenschaftlich bewiesenen Wirksamkeit ihres Produkts. Die stammt angeblich aus zwei Studien, die der Hersteller selbst durchführen ließ [1,2].

Was jedoch überrascht: In den Studien, die immerhin die Wirksamkeit eines Anti-Kater-Mittels belegen sollten, wurden Kater-Symptome gar nicht untersucht. Die Studienteams maßen lediglich den Alkohol-Pegel der Teilnehmenden.

An der Werbebehauptung vorbeigeforscht?

In diesen Studien schluckten 24 gesunde junge Männer und Frauen Myrkl oder ein Schein-Präparat (Placebo). In der einen Studie [1] nahmen die Teilnehmenden eine Woche lang täglich zwei Kapseln Myrkl. Am letzten Tag dieser Woche bekamen sie Alkohol zu trinken, und zwar in einer Menge, die etwa einem großen Glas Bier entspricht. In der zweiten Studie [2] wurde Myrkl einmalig vor dem Genuss von zwei Wodka-Shots eingenommen.

In beiden Studien maß das Forschungsteam anschließend die Alkoholkonzentration im Blut und in der Atemluft der Teilnehmenden. Zusätzlich mussten die Teilnehmenden unter Einfluss des Alkohols einen Konzentrationstest absolvieren.

Ernüchterndes Ergebnis

Die im wahrsten Sinn des Wortes ernüchternden Ergebnisse: An einzelnen Messzeitpunkten schien die Alkohol-Konzentration in Blut und Atemluft durch Myrkl zwar etwas geringer zu sein. Der Unterschied betrug im Durchschnitt allerdings maximal 0,05 bis 0,1 Promille. Dass die angeheiterten Teilnehmenden diesen Unterschied überhaupt bemerkten, halten wir für fraglich. Die Studienteams werteten außerdem jeweils nur 14 beziehungsweise 25 Personen aus. Bei so wenigen Teilnehmenden können Unterschiede ebenso gut dem Zufall geschuldet sein.

Auf die Aufmerksamkeit bei den Konzentrationstests zeigte sich keiner der beiden Studien ein Effekt durch Myrkl.

Aber zumindest etwas: Unerwünschte Nebenwirkungen traten laut den Forschungsteams keine auf [1,2]. Um mögliche negative Folgen verlässlich beurteilen zu können, waren die Studien allerdings ebenfalls zu klein und müssten weit länger laufen.

Ein Mittel gegen Alkohol: Wer braucht so was?

Das Nahrungsergänzungsmittel Myrkl enthält neben Vitamin B12 und der Aminosäure L-Cystein zwei vom Hersteller patentierte Bakterienstämme (Bacillus subtilis und Bacillus coagulans). Im Darm angekommen sollen die Bakterien den getrunkenen Alkohol in die harmlosen Bestandteile Wasser und Kohlendioxid aufspalten und so verhindern, dass er aus dem Darm ins Blut aufgenommen wird.

Es ist zwar denkbar, dass das zumindest in der Theorie funktionieren könnte. Alkohol hätte dann aber nicht jene Wirkung, die sich viele Menschen davon erhoffen. Denn auch der berauschende Effekt ginge verloren. Die Frage ist also: Wer braucht so ein Mittel eigentlich?

Auf der Hersteller-Homepage heißt es, man habe Myrkl für Menschen erfunden, „die zu gesellschaftlichen Anlässen Alkohol in moderaten Mengen trinken, dabei aber gesundheitsbewusst leben und sich am nächsten Morgen fit fühlen wollen“ [6]. Ob in solchen Fällen allerdings mit einem Kater zu rechnen ist, halten wir für fraglich. Kopfschmerzen und andere Leiden haben eher jene zu befürchten, die es beim Trinken übertreiben. Für die sei Myrkl aber explizit nicht geeignet, so der Hersteller.

Alkohol ist nicht gesund – auch nicht in moderaten Mengen

Obwohl Alkohol in Mitteleuropa zum gesellschaftlichen Leben dazugehört, ist er eine Droge und ein Gift. In geringen Mengen und ab und zu genossen ist er für die meisten Menschen gesundheitlich zwar unbedenklich. Dass Alkohol in kleinen Mengen gesund sein soll, ist aber ein Mythos, der inzwischen in Studien widerlegt wurde [5].

Auf Dauer zu viel zu trinken, kann krank machen und das Risiko für Lebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöhen. Die Empfehlung von Fachleuten lautet daher [4]:

  • Männer sollten dauerhaft nicht mehr als ein großes Bier (0,5 Liter) oder ein Viertelliter Wein pro Tag trinken.
  • Da weibliche Körper Alkohol anders verarbeiten als männliche, sollten es bei Frauen nicht mehr als ein kleines Bier (0,3 Liter) oder ein Achtelliter Wein pro Tag sein.

Wer ab und zu viel trinkt, hat noch nicht automatisch ein Alkoholproblem. Folgende Warnsignale können allerdings Hinweise auf eine Abhängigkeit sein [4]:

  • Alkohol zu trinken, um Sorgen oder Stress bewältigen zu können
  • Probleme oder Streitereien mit der Familie, mit Freunden oder am Arbeitsplatz wegen Alkoholkonsum und seinen Auswirkungen
  • regelmäßiger Kontrollverlust wegen Alkohol
  • weniger Alkohol trinken zu wollen, aber es nicht zu schaffen

Mehr wissen

Mehr gesicherte Informationen dazu, wie viel Alkohol schädlich für die Gesundheit ist, wie er im Körper wirkt und wann es besser ist, nüchtern zu bleiben, gibt es auf Gesundheitsinformation.de.
Wie Sie es schaffen können, weniger Alkohol zu trinken und wo Sie Beratung zum Thema Alkohol bekommen können, lesen Sie hier.

Informationen speziell zu Österreich, inklusive Anlaufstellen, Broschüren und Selbsttests finden Sie unter Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Welche Studien haben wir berücksichtigt?

Für unsere Recherche haben wir nach Studien zum Produkt Myrkl gesucht sowie nach Studien zu anderen probiotischen Mitteln, die Kater-Symptomen am Morgen nach Alkoholkonsum vorbeugen sollen.

Eine Anti-Kater-Wirkung in Studien zu untersuchen wäre ja eigentlich gar nicht so schwer: Man nehme eine möglichst große Gruppe von Menschen und teile sie per Zufall in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe schluckt das zu untersuchende Produkt, die andere ein Schein-Präparat (Placebo). Anschließend bekommen alle dieselbe Menge Alkohol zu trinken. Danach werden die Teilnehmenden zu den daraus resultierenden Kater-Beschwerden befragt. Um zu verhindern, dass Erwartungen die Ergebnisse verzerren, weiß bin zum Schluss niemand, wer welcher Gruppe angehört. Man nennt solche Studien auch randomisiert-kontrollierte Studien.

Gefunden haben wir zwei solcher Studien, beide zum Produkt Myrkl [1,2]. In beiden Studien wechselten die Teilnehmenden nach der Hälfte der Zeit von der Myrkl- in die Placebo-Gruppe und umgekehrt. (Man nennt solche Studien auch Cross-over-Studien.)

Außerdem fanden wir noch eine weitere Studie zum probiotischen Produkt „Duolac Pro AP4“ [2]. Dieses enthält jedoch andere Bakterienstämme als Myrkl, nämlich Lactobacillus gasseri, Lactobacillus casei, Bifidobacterium lactis and Bifidobacterium breve.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

In den Myrkl-Studien wurde lediglich die Alkoholkonzentration im Blut der Teilnehmenden untersucht, nicht aber die Kater-Symptome. Ob das Produkt vor Kater schützt, können sie also nicht beantworten.

Abgesehen davon haben die beiden gefundenen Studien Schwachstellen, die ihre Aussagekraft einschränken:

  • Mit jeweils 24 Teilnehmenden waren die Studien viel zu klein, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können.
  • Aus einer der beiden Studien [1] schieden 43 Prozent der Teilnehmenden vorzeitig aus, bzw. konnten ihre Daten nicht ausgewertet werden. Das kann das Ergebnis verzerrt haben.
  • Die Studien wurden vom Hersteller durchgeführt. Eine Beeinflussung der Studie zugunsten positiver Ergebnisse ist möglich.

In beiden Studien war der Alkoholspiegel der Teilnehmenden nach Myrkl-Einnahme zu einzelnen Messzeitpunkten etwas niedriger als nach Placebo-Einnahme – durchschnittlich allerdings maximal um 0,05 bis 0,1 Promille. Dieses Ergebnis war zwar statistisch signifikant. Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit ist klein, dass es rein durch Zufall zustande kam. Ob der gemessene kleine Unterschied in der Realität aber relevant ist, halten wir für fragwürdig.

Bei unserer Recherche in verschiedenen Datenbanken fanden wir noch eine weitere Studie zu einem ähnlichen angeblichen Mittel gegen Kater [3]. Dieses enthielt ebenfalls probiotische Bakterien, allerdings andere als das Produkt Myrkl. Hier zeigte sich bei den 54 Teilnehmenden kein Unterschied bei Kater-Symptomen am nächsten Tag, egal ob sie das Präparat oder ein Placebo eingenommen haben. Und das obwohl in dieser Studie deutlich mehr Alkohol geflossen war, nämlich etwa drei große Biere (1,5 Liter) pro Person. Wegen ihrer geringen Teilnehmenden-Anzahl und etlichen Mängeln haben wir auch in dieses Ergebnis nur eingeschränkt Vertrauen.

[1] Pfützner u.a. (2022). Chronic Uptake of A Probiotic Nutritional Supplement (AB001) Inhibits Absorption of Ethylalcohol in the Intestine Tract – Results from a Randomized Double-blind Crossover Study. Nutr Metab Insights. 2022 Jun 23;15:11786388221108919. (Link zur Studie)

[2] Pfützner A, et al. (2023). Impact of a Single Dose of a Probiotic Nutritional Supplement (AB001) on Absorption of Ethylalcohol: Results From a Randomized Double-Blind Crossover Study. Nutr Metab Insights;16:11786388221141174. (Link zur Studie)

[3] Jung u.a. (2021). Regulation of Alcohol and Acetaldehyde Metabolism by a Mixture of Lactobacillus and Bifidobacterium Species in Human. Nutrients. 2021 May 30;13(6):1875. (Link zur Studie)

[4] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2019)
Alkohol. Abgerufen am 30.11.2022 unter https://www.gesundheitsinformation.de/alkohol.html

[5] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2019)
Acht Fakten über Alkohol. Abgerufen am 30.11.2022 unter https://www.gesundheitsinformation.de/acht-fakten-ueber-alkohol.html

[6] www.defairemedical.com

  • 19.12.2023: Wir suchten abermals nach Studien und fanden heraus: Inzwischen hat der Myrkl-Hersteller eine weitere kleine Studie veröffentlicht. Allerdings ändert auch die nichts an unserer Einschätzung. Ob das Mittel wirkt, ist weiterhin unklar.
  • 20.12.2022: Erste Veröffentlichung dieses Faktenchecks

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