Startseite ● Energydrinks: gefährlich oder harmlos? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Energydrinks: gefährlich oder harmlos? Energie aus der Dose: Energydrinks enthalten Koffein und andere angebliche Wachmacher. Mögliche Auswirkungen der Kult-Getränke auf die Gesundheit sind jedoch kaum erforscht. 19. August 2016 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Jörg Wipplinger Peter Mahlknecht Teilen Schadet der regelmäßige Konsum von Energydrinks der Herzgesundheit? wissenschaftliche Belege fehlen Diese Frage ist unzureichend erforscht. Für eine Einschätzung des Herzrisikos durch Energydrinks müssen größere Studien über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. so arbeiten wir Energydrinks: Mehr Konzentration beim Lernen auf Kosten der Gesundheit? © Photographee.eu – fotolia.com Der Herztod eines 14-jährigen US-amerikanischen Mädchens im Jahr 2015 machte weltweit Schlagzeilen. Schuld an der Tragödie sollen koffeinbedingte Herzrhythmusstörungen durch Energydrinks gewesen sein, die das Mädchen tags zuvor getrunken hatte [7] [8]. Die 14-jährige hatte allerdings am Ehlers Danlos Syndrom gelitten, einer seltenen Erkrankung, die das Herz beeinträchtigen kann [8]. Eine Studie aus dem Jahr 2013 rüttelt dennoch an der scheinbaren Unbedenklichkeit von Energydrinks. Ihr zufolgekönnen die koffeinhältigen Modegetränke den Herzschlag verändern. So stellten Forscher bei 18 Versuchspersonen eine Stunde nach dem Konsum eines Energydrinks mit Koffein und Taurin fest, dass die Kontraktionen des Herzens stärker geworden waren [1]. Diese Wirkung von Koffein ist allerdings längst bekannt. Ob der veränderte Herzschlag aber negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, bleibt unklar. Außerdem halten die Wissenschaftler detailliertere Informationen zurück. Von ihrer Studie gibt es nur eine kurze Zusammenfassung, deshalb ist etwas Skepsis angebracht. Unerwünschte Wirkungen kaum untersucht Das ist ein allgemeines Problem bei der Beurteilung der Sicherheit solcher Getränke – aussagekräftige Untersuchungen existieren bisher keine. Eine Zusammenfassung bisheriger Studienergebnisse liefert ein widersprüchliches Bild, aber wenig konkrete Erkenntnisse [2]. So könnten Energydrinks möglicherweise Herzschlagfrequenz und Blutdruck kurzfristig erhöhen, dies ist aber nicht in allen Studien der Fall. Überhaupt überprüften die meisten Untersuchungen Herzschlagfrequenz, Blutdruck und bestimmte Blutwerte höchstens drei Stunden nach Konsum eines einzigen Energy-Getränks. Auswirkungen über einen längeren Zeitraum erforschte nur ein Wissenschaftlerteam: Untersucht wurden 38 Männer, die täglich vor sportlichem Training zehn Wochen lang Energydrinks tranken. Doch auch zehn Wochen sind zu kurz, um langfristige Auswirkungen auf die Herzgesundheit beurteilen zu können. Zudem ist die Anzahl von 38 Teilnehmer zu klein, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Rückschlüsse aus Fallberichten schwierig Was neben Studien noch bleibt, sind Fallberichte wie die der verstorbenen 14-jährigen US-Amerikanerin. Solche Fallberichte bis zum Jahr 2008 hat etwa das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [3] oder eine US-amerikanische Forschergruppe um Kevin Clauson [4] zusammengetragen. Das deutsche BfR [3] berichtet die Ergebnisse einer schwedischen Untersuchung von Krankenhausaufzeichnungen. In drei Fällen waren junge Personen plötzlich verstorben, die zuvor Energydrinks, teilweise in Kombination mit Alkohol, getrunken hatten. Dass die Energydrinks den Tod ausgelöst hatten, ist allerdings nicht gesichert. Auch Fälle von akutem Nierenversagen oder epileptischen Krampfanfällen – möglicherweise durch Taurin in Energydrinks ausgelöst – berichtet das BfR [3]. Clauson zählt vier Fälle auf, in denen Patienten nach dem Konsum jeweils mehrerer Energy-Getränke ohne gleichzeitige Alkoholeinnahme epileptische Krampfanfälle bekamen [4]. Ob tatsächlich die Energydrinks schuld an den Krampfanfällen waren, und wie groß das Risiko dafür in der allgemeinen Bevölkerung wäre, lässt sich aus diesen Fallberichten jedoch keinesfalls schließen. Zwischen 2001 und 2007 dokumentierten sechs deutsche Giftinformationszentren rund 90 Fälle von unerwünschten Wirkungen nach dem Konsum von Energydrinks. Die Symptome reichten dabei von Bauchschmerzen, Bluthochdruck, erhöhtem Herzschlag, Kammerflimmern, Sehstörungen bis hin zu Krampfanfällen. Allerdings ist unklar, ob die Betroffenen zusätzlich nicht noch andere Medikamente, Drogen oder Alkohol konsumiert hatten. Auch hier gilt: ob und inwieweit Energydrinks an den Vergiftungsfällen beteiligt sind, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Kinder und Jugendliche sollten vorsichtig sein Einer kürzlich durchgeführten europaweiten Befragung [9] zufolge konsumiert der Großteil der Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren (86 von 100 Befragten) Energydrinks. Auch jüngere sind von den koffeinhältigen Zuckergetränken begeistert. Etwa jedes fünfte Kind zwischen drei und zehn Jahren konsumiert solche Getränke. Für die meisten Erwachsenen scheinen bis zu 400 Milligramm (mg) Koffein pro Tag unbedenklich. Das entspricht je nach Stärke etwa zwei bis vier Tassen Kaffee. In der EU zugelassene Energydrinks dürfen maximal 80 Milligramm Koffein pro Viertelliter beinhalten. Für Jugendliche und Kinder wissen Experten jedoch nicht, wie groß die noch unbedenkliche Tagesdosis ist – sehr wahrscheinlich liegt sie jedoch deutlich niedriger [6]. Koffein nur in Maßen unbedenklich Wer Kaffee in Maßen trinkt, scheint seinem Herzen nicht zu schaden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Koffein in moderaten Dosen Herzrhythmusstörungen oder Vorhofflimmern auslösen kann. Auch den Blutdruck scheint gemäßigter, regelmäßiger Koffeinkonsum langfristig nicht oder höchstens geringfügig zu erhöhen. Das Risiko, an Herzerkrankungen zu sterben, dürfte jedoch dadurch nicht erhöht sein [5]. Große Mengen Koffein können jedoch sehr wohl gesundheitliche Folgen haben. Größere Dosen an Energy-Getränken können etwa Herzrasen, Zittern, Erregungszustände sowie Verdauungsprobleme auslösen. Vor allem bei Personen mit Herzerkrankungen könnten größere Koffeindosen Herzrhythmusstörungen oder andere Herzprobleme hervorrufen [5] [10]. Bei Epilepsie-Patienten könnte Koffein auch epileptische Anfälle mitverursachen [10]. Wechselwirkung mit anderen Inhaltsstoffen unbekannt Neben Koffein und Zucker sind in vielen Energydrinks noch andere Inhaltsstoffe mit angeblich belebender Wirkung enthalten, darunter zum Beispiel Taurin und Glucuronolacton. Inwieweit diese Stoffe die Wirkung von Koffein oder unerwünschte Nebenwirkungen verstärken könnte, ist nur unzureichend untersucht. Taurin ist ein wichtiger Grundstoff für viele Stoffwechselvorgänge, den der Körper im Normalfall selbst herstellen kann. Sowohl Taurin als auch Glucuronolacton kommen als natürliche Bestandteile in Lebensmitteln vor, jedoch in weit geringeren Konzentrationen. In einer Einschätzung aus dem Jahr 2009 geht die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA von der Unbedenklichkeit von Taurin und Glucuronolacton als Zusätze in Energydrinks aus [11]. Allerdings basiert diese Einschätzung auf Toxizitätsuntersuchungen an Ratten und Mäusen. Eine Sicherheitsbewertung von Energydrinks insgesamt durch diese Behörde ist aber noch ausständig. Die oben erwähnte europaweite Befragung zum Konsumverhalten zeigt, dass mehr als die Hälfte der Erwachsenen und Jugendlichen Energydrinks gemeinsam mit Alkohol zu sich nimmt. Wechselwirkungen zwischen Alkohol und Koffein oder anderen Energydrink-Inhaltsstoffen sind aber ebenfalls unzureichend erforscht [3]. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung rät jedenfalls zur Vorsicht, bis weitere Untersuchungsergebnisse am Menschen vorliegen [3]. Wissenschaftliche Quellen [1] Dörner u.a. (2013) Studientyp: kontrollierte Studie Teilnehmer: 18 gesunde Erwachsene (15 Männer, 3 Frauen) Studiendauer: Eine Stunde Fragestellung: Kurzzeitauswirkung des Konsums von Energy Drinks auf den Herzschlag Mögliche Interessenkonflikte: keine Doerner J, Kuetting D, Naehle CP, et al (2013). Caffeine and Taurine Containing Energy Drink Improves Systolic Left-ventricular Contractility in Healthy Volunteers Assessed by Strain Analysis Using Cardiac Magnetic Resonance Tagging (CSPAMM) (conference abstract). December 2, 2013. (Zusammenfassung der Studie) [2] Burrows u.a. (2013) Studientyp: systematische Übersichtsarbeit Eingeschlossene Studien: 5 randomisiert-kontrollierte Studien und 10 pseudo-randomisiert-kontrollierte Studien Teilnehmer insgesamt: 382 gesunde Männer und Frauen zwischen 18 und 45 Jahren Fragestellung: gesundheitliche Kurzzeitauswirkungen des Konsums von Energy Drinks Mögliche Interessenkonflikte: Studie finanziert durch industrienahe Vereinigung (International Life Sciences Institute) Burrows T, Pursey K, Neve M, Stanwell P. What are the health implications associated with the consumption of energy drinks? A systematic review. Nutr Rev. 2013 Mar;71(3):135-48. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) [3] Bundesinstitut für Risikobewertung (2008) Studientyp: Übersichtsarbeit Eingeschlossene Studien: nicht beschrieben Teilnehmer insgesamt: nicht beschrieben Fragestellung: gesundheitliche Auswirkungen des Konsums von Energy Drinks Mögliche Interessenkonflikte: keine Neue Humandaten zur Bewertung von Energydrinks. In: bfr.bund.de. Bundesinstitut für Risikobewertung, 13. März 2008, S. 1-20, abgerufen am 21. Juli 2008. (Text in voller Länge) [4] Clauson u.a. (2008) Studientyp: Übersichtsarbeit Eingeschlossene Studien: nicht beschrieben, auch nicht-wissenschaftliche Informationsquellen (Firmeninformationen) wurden miteinbezogen Teilnehmer insgesamt: nicht beschrieben Fragestellung: gesundheitliche Auswirkungen des Konsums von Energy Drinks Mögliche Interessenkonflikte: keine Clauson KA, Shields KM, McQueen CE, Persad N. Safety issues associated with commercially available energy drinks. J Am Pharm Assoc (2003). 2008 May-Jun;48(3):e55-63; quiz e64-7. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) Weitere wissenschaftliche Quellen [5] Giardina E (2013). Cardiovascular effects of caffeine. In Saperia GM (ed.). UpToDate. Abgerufen am 11. 12. 2013 unter http://www.uptodate.com/contents/cardiovascular-effects-of-caffeine [6] Bordeaux B, Lieberman HR (2013). Benefits and risks of caffeine and caffeinated beverages. In Sokol HN (ed.). UpToDate. Abgerufen am 11.12. 2013 unter http://www.uptodate.com/contents/benefits-and-risks-of-caffeine-and-caffeinated-beverages Andere Quellen [7] http://www.dailymail.co.uk/news/article-2221554/Monster-Beverage-lawsuit-Girl-14-died-heart-attack-just-cans-drink.html [8] http://kurier.at/lebensart/gesundheit/energy-drinks-koennen-herz-belasten/825.166 [9] http://www.efsa.europa.eu/en/supporting/pub/394e.htm [10] http://www.uptodate.com/contents/caffeine-drug-information [11] http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/935.htm Versionsgeschichte Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 17. 12. 2013. Eine Suche nach neuen Studien bringt keine inhaltliche Änderung. Schlagworte EnergydrinksErnährungGlucuronolactonHerzHerz-KreislaufHerzrhythmusHerzschlagKoffeinKreislaufLebensmittelPulsTaurin In über 500 Faktenchecks suchen