Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Ketogene Diät: den Krebs verhungern lassen?

Kein Zucker für den Krebs: Mit der ketogenen Diät soll Krebszellen ihre Lebensgrundlage entzogen werden. Belege für die Wirksamkeit fehlen bisher.

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Hilft eine ketogene Diät gegen Krebs?

Bis heute gibt es keine gut gemachten Studien, die die Wirkung einer ketogenen Diät auf Krebs an Menschen untersucht haben. Dabei werden wenig oder keine Kohlenhydrate und Zucker gegessen, dafür viel Eiweiß und Fett. Fachleute sehen „Krebsdiäten“ wie die ketogene Diät kritisch – sie können auch gefährlich sein.

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© sasirin pamai - shutterstock.com Nur Gemüse, Fett und Proteine – doch wirkt die extreme Ernährungsumstellung wirklich gegen Krebs?
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Süßigkeiten, Brot, Nudeln, Kartoffeln – alle Kohlenhydrate, die wir zu uns nehmen, werden im Körper zu Zucker aufgespaltet. Denn Zucker ist die Hauptenergiequelle für alle Zellen.

Aber der menschliche Körper kann auch fast ohne Kohlenhydrate bzw. Zucker oder mit nur sehr kleinen Mengen auskommen. Dann stellt sich der Stoffwechsel um und gewinnt die benötigte Energie aus Fett und Eiweiß.

Treibstoff entziehen

Das gilt aber angeblich nur für gesunde Zellen: Einer Theorie zufolge sollen Krebszellen nicht fähig sein, ihren Stoffwechsel flexibel auf Eiweiß und Fett als „Treibstoff“ umzustellen. Demnach brauchen zumindest manche Krebszellen Zucker, um zu überleben.

Aus diesen Überlegungen entwickelte sich die Idee einer ganz bestimmten Krebsdiät: Wenn kaum noch Zucker über die Nahrung in den Blutkreislauf gelangt, dann muss der Krebs verhungern. Oder? [1,2]

Krebszellen auf Zuckerentzug

Erreicht werden soll die „Entzuckerung“ durch die so genannte ketogene Diät: eine Ernährungsweise, die hauptsächlich aus Fett und Eiweiß besteht, aber nur sehr wenig Kohlenhydrate enthält.

Die vom Zucker abhängigen Krebszellen sollen dadurch „ausgehungert“ werden – so die Idee.

Anti-Krebs-Effekt in Tierstudien

Aus Studien an Tieren und einzelnen Zellen weiß man, dass Zuckerentzug theoretisch einen Anti-Krebs-Effekt haben kann. Es gibt aber auch Ergebnisse, die dem widersprechen. [1,2]

Und wie sieht es mit Beweisen aus dem echten Leben aus? Kann eine Ernährung mehr oder weniger frei von Kohlenhydraten Menschen mit Krebs tatsächlich helfen?

Belege aus der Praxis fehlen

Leider ist die Datenlage sehr dünn: Bisher gibt es nur wenige Studien, die die Auswirkung einer ketogenen Ernährung auf den Verlauf von Krebserkrankungen beim Menschen untersucht haben. Und diese sind nicht aussagekräftig. [1] Das ergab unsere Recherche in drei verschiedenen wissenschaftlichen Datenbanken.

Es gibt bisher also keinen Nachweis für eine Wirksamkeit der ketogenen Diät bei Krebs. Eine Wirksamkeit kann gleichzeitig aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Ketogene Diät: Gefährliche Nebenwirkungen?

Allerdings gibt es Berichte über diverse Nebenwirkungen der ketogenen Diät. Dazu gehören Müdigkeit und Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung und Übelkeit. [1] Ob diese Effekte nun mit der Ernährungsumstellung zusammenhängen oder mit der Krebstherapie bzw. der Krebserkrankung, ist jedoch unklar.

Gesichert ist: Viele Patientinnen und Patienten verloren während der Ernährungsumstellung deutlich an Gewicht. Eine verminderte Kalorienzufuhr durch „Krebsdiäten“ wie die ketogene Diät kann bereits untergewichtige Personen zusätzlich schwächen und gefährlich sein.

Allzu leicht dürfte das Durchhalten der ketogenen Diät nicht sein: Die Hälfte der Patientinnen und Patienten in den Studien brach die spezielle Ernährungsform vorzeitig wieder ab. [1]

Vorsicht bei „Krebsdiäten“

Das deutsche Krebsforschungszentrum rät allgemein dazu, gegenüber „Krebsdiäten“ kritisch zu sein, darunter auch die ketogene Diät. Die Mechanismen, die von vielen dieser Ansätze behauptet werden, sind laut Krebsforschungszentrum entweder noch zu wenig erforscht oder mit dem derzeitigen Wissensstand der Krebsforschung nicht vereinbar. Sie können zu starkem Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen führen. [3]

Für Krebspatientinnen und -patienten gilt: Wenn schon eine spezielle Ernährung, dann nur mit ärztlicher Begleitung. Bei Untergewicht sollte keinesfalls eine spezielle „Krebsdiät“ verfolgt werden.

Was macht eine ketogene Diät?

Es gibt verschiedene ketogene Diäten. Allen gemein ist eine stark reduzierte Zufuhr von Kohlenhydraten und Zucker. Sie sind also „Low Carb“ beziehungsweise „No Carb“-Diäten.

Die wohl bekannteste ketogene Diät ist die Atkins-Diät, die Fleisch und Fett sowie (vor allem grünes) Gemüse und sehr geringe Kohlenhydratmengen vorsieht. Diese Ernährungsform ist vor allem durch ihren Einsatz bei kindlicher Epilepsie bekannt geworden. [4]

Unklarer Einfluss auf Krebs

In Hungerzeiten, beim Fasten zum Beispiel, braucht der Körper zuerst die Zuckervorräte auf, die in der Leber und den Muskeln gespeichert sind. Danach geht es an die Fettdepots. Durch einen aufwendigen Prozess werden aus Fetten so genannte Ketonkörper als Ersatz für den fehlenden Zucker gebildet. Besonders das Gehirn, das normalerweise nur mit dem Treibstoff Zucker „läuft“, ist auf Energie aus diesen Ketonkörpern angewiesen. [1, 4]

Durch das Fehlen von Zucker wird auch durch die ketogene Diät die Produktion von Ketonkörpern angekurbelt – daher auch der Name. Das Ziel ist es, den Blutzuckerspiegel gleichzeitig möglichst niedrig zu halten.

Wie weit der Blutzucker gesenkt werden müsste, bis Krebszellen energietechnisch tatsächlich in Schwierigkeiten geraten, ist derzeit allerdings noch völlig offen. Ebenso wie die Frage, ob das überhaupt gelingt.

Immerhin scheinen auch viele Krebszellen in der Lage zu sein, auf alternative Energiequellen zurückzugreifen. [5,6] Möglicherweise schaffen es Krebszellen also auch, sich aus anderen Nährstoffen und aus körpereigene Fettdepots zu versorgen.

[Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 3. Juli 2013. Seither sind neue Übersichtsarbeiten unterschiedlicher Qualität erschienen. Sie brachten aber bei der Aktualisierung am 12.8.2020 keine Änderung unserer Einschätzung.]

Die Studien im Detail

Eine systematische Übersichtsarbeit suchte nach allen Studien, die verschiedene Varianten einer ketogenen Diät bei Krebs untersucht hatten.[1] Die Ernährungspläne der Teilnehmenden sahen einen unterschiedlich hohen Anteil an Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten vor.

In die Übersichtsarbeit flossen die Daten von insgesamt 153 erwachsene Krebspatientinnen und -patienten ein, von denen 102 eine stark Kohlenhydrat-reduzierte Ernährung befolgten. Die Teilnehmenden waren zwischen 37 und 84 Jahre alt und hatten verschiedene Formen von Krebs, zum Beispiel Darm-, Brust- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber auch Hirntumore.

Die ketogene Diät wurde zuhause, also ohne medizinische Kontrolle, durchgeführt. Ernährungsprotokolle waren oft mangelhaft oder fehlten sogar ganz. Außerdem sah die Zusammensetzung der Ernährung je nach Studie etwas anders aus, eine einheitliche Definition für die ketogene Diät fehlt bisher. Die Studiendauer reichte von einem Monat bis zu knapp drei Jahren.

In den meisten Arbeiten ging es um die Frage, ob die ketogene Diät verträglich oder durchführbar ist. Leicht dürfte das Durchhalten nicht sein: Die Hälfte der Patientinnen und Patienten brach die ketogene Diät vorzeitig ab.[1]

Nur in wenigen Studien wurde die Wirkung der Ernährungsumstellung auf das Fortschreiten der Krankheit oder das Überleben der Krebserkrankten erhoben. Das wäre jedoch die eigentlich interessante Fragestellung für die Betroffenen.

Studien zu ketogenen Diäten bei Krebs von schlechter Qualität

Das Forschungsteam konnte keine randomisiert-kontrollierten Studien finden – also Studien mit zwei Versuchsgruppen, die per Zufall unterschiedlichen Behandlungsformen zugeteilt wurden. Nur solche Studien können verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit liefern.

Aber es sind immerhin zwei Studien eingeflossen, bei denen sich eine Gruppe ketogen ernährte, während die Vergleichsgruppe wie gewohnt aß.
Allerdings waren die beiden Gruppen nicht streng nach Zufall zusammengesetzt, was zu Verzerrungen führen kann.

In den anderen neun Studien fehlte der Vergleich mit einer gewöhnlichen Ernährung komplett. Die Studien beschrieben lediglich, wie sich die Erkrankung bei Menschen entwickelte, die sich Kohlenhydrat-arm ernährten. Somit lässt sich nicht sagen, ob beobachtete Effekte tatsächlich auf die ketogene Diät oder aber auf sonstige Therapien oder andere Einflüsse zurückzuführen waren.

Unangenehme Einschränkung

Die Liste an erfasster Nebenwirkungen ist lang und reicht von Verdauungsproblemen über Müdigkeit und Heißhungerattacken bis hin zu Gewichtsverlust – das ist bei einer Krebserkrankung ein ganz und gar unerwünschter Effekt. Es ist allerdings nicht klar, ob diese Nebenwirkungen auf die spezielle Ernährungsweise zurückzuführend sind.

Wirkung auf Tumoren bisher unerforscht

Das heißt: Bis heute wurde die für Krebskranke eigentlich relevante Frage – nämlich ob kohlenhydratarme oder -freie Ernährung etwas gegen Krebszellen ausrichten kann – an Menschen kaum untersucht. Wir wissen nicht, ob sie wirksam und sicher ist.

Die wenigen Studien, die bisher vorliegen, berichten von keinem oder höchstens von einem unsicheren Anti-Krebs-Effekt der ketogenen Diät. Diese wissenschaftlichen Arbeiten sind aber nicht aussagekräftig.

[1] Sremanakova u.a. (2018)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 12
Teilnehmende insgesamt: 153 Krebskranke; 102 davon erhielten eine ketogene Diät
Fragestellung: Hat eine ketogene Diät Einfluss auf das Tumorwachsum und das Überleben? Wie verträglich ist die Diät?
Interessenkonflikte: laut Autorinnen keine in Zusammenhang mit dieser Arbeit

Sremanakova, J., Sowerbutts, A. M., & Burden, S. (2018). A systematic review of the use of ketogenic diets in adult patients with cancer. Journal of Human Nutrition and Dietetics, 31(6), 793-802.
(Übersichtsarbeit in voller Länge)

Weitere wissenschaftliche Arbeiten

[2] Mengmeng u.a. (2014)
Roles of Caloric Restriction, Ketogenic Diet and Intermittent Fasting during Initiation, Progression and Metastasis of Cancer in Animal Models: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS One. 2014; 9(12)
(Übersichtsarbeit in voller Länge)

[3] Krebsinformationsdienst (2020)
Essen nach Vorschrift: Lässt sich Krebs durch eine Diät beeinflussen? Deutsches Krebsforschungszentrum zu Krebsdiäten. Abgerufen am 17.08.2020 unter https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/ernaehrung/ernaehrung-diaeten.php
Einfluss der Erkrankung: Wie kann man die Ernährung anpassen? Deutsches Krebsforschungszentrum zu Krebsdiäten. Abgerufen am 17.08.2020 unter https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/ernaehrung/ernaehrung-tumorarten.php

[4] UpToDate (2020)
Eric HW Kossoff u.a.: The ketogenic diet and other dietary therapies for the treatment of epilepsy. Abgerufen am 17.08.2020 unter http://www.uptodate.com/contents/the-ketogenic-diet-and-other-dietary-therapies-for-the-treatment-of-epilepsy

[5] Spektrum (2016)
„Der veränderte Stoffwechsel von Krebszellen“. Englischsprachiges Video der Nature-Redaktion vom 22.08.2016. Abgerufen am 17.08.2020 unter https://www.spektrum.de/video/der-veraenderte-stoffwechsel-von-krebszellen/1472843

[6] Institut für Qualität und Information im Gesundheitswesen (IQWIG) (2020)
Wie Krebszellen wachsen und sich ausbreiten. Abgerufen am 17.08.2020 unter https://www.gesundheitsinformation.de/wie-krebszellen-wachsen-und-sich-ausbreiten.2263.de.html

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