Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Corona-PCR-Selbsttest für zuhause: Wie verlässlich ist er?

Seit Kurzem gibt es Corona-Tests für zuhause. Doch wie verlässlich ist so ein Selbsttest? Ausreichend untersucht wurde das bisher nicht.

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Sind Coronavirus-Selbsttests für zuhause genauso verlässlich wie Tests durch geschultes Gesundheitspersonal?

Ob Selbsttests aus der Drogerie oder Apotheke ebenso verlässliche Ergebnisse liefern wie ein Test durch geschultes Gesundheitspersonal, wurde bisher nicht untersucht. Fehler beim Entnehmen der Probe zuhause sind möglich. Auch auf dem Postweg zum Labor kann etwas schiefgehen. Das kann die Genauigkeit des Testergebnisses beeinträchtigen. Aber egal, ob selbst oder durch geschultes Personal durchgeführt – hundertprozentig verlässlich ist auch der beste Corona-Test nicht.

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© PowerUp - shutterstock.com Zuhause testen und mit der Post ins Labor? Corona-Selbsttests können Tücken haben.
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Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus.

Husten, Fieber, Atemnot? Angst, mit dem neuen Coronavirus infiziert zu sein? Da will man Gewissheit haben, und das möglichst rasch und unkompliziert.

Seit Kurzem bieten Apotheken, aber auch die österreichische Drogerieketten DM und BIPA Corona-Tests von verschiedenen Herstellern für zuhause an. Wobei sich „für zuhause“ nur auf das Entnehmen der Probe bezieht:

Nach Anleitung wird mit einer speziellen Lösung gegurgelt oder Speichel in einem Röhrchen gesammelt. Anschließend wird alles gut verpackt mit der Post ins Labor geschickt. Der Preis der Do-it-yourself-Tests liegt zwischen 120 und 150 Euro. Also ähnlich viel wie ein professioneller Coronatest, den man auf Wunsch in einem Labor durchführen lassen kann.

Kann man sich dafür auf das Ergebnis verlassen? Absolut, meinen Hersteller. Ein Labor, dessen Selbsttest zumindest eine Zeit lang beim Drogeriemarkt DM erhältlich war, bescheinigt seinem Produkt sogar 100-prozentige Genauigkeit.

Absolute Gewissheit – ist das überhaupt möglich? Wir haben den Faktencheck gemacht. Und stießen auf viele offene Fragen.

Do-it-yourself-Tests: Studienlage dünn

Wir konnten keine Studien finden, die untersuchten, wie verlässlich Corona-Selbsttests für zuhause im Vergleich zu professionell durchgeführten Tests sind. Auch die Hersteller der in Österreich erhältlichen Selbsttests konnten uns auf Anfrage keine Studien zur Genauigkeit ihrer Produkte zusenden.

Bei Tests wie dem Corona-Selbsttest dürften die meisten Fehler bei der Entnahme der Probe passieren [1]. Fehleranfällig ist das Sammeln von Speichel oder Gurgellösung oder auch der Nasen-Rachen-Abstrich. Gerade bei diesem entscheidenden Teil des Selbsttests ist die Anwenderin und der Anwender zuhause auf sich allein gestellt.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist der Versand der Probe ins Labor: Lange Transportzeit oder Hitze zum Beispiel könnten die Proben und damit das Ergebnis verfälschen.

Wissenschaftlich untersucht wurde das aber bis jetzt noch nicht. Ob die Do-it-yourself-Variante des Corona-Tests genauso gut ist wie der professionell durchgeführte Test direkt im Labor oder der Arztpraxis, bleibt deshalb ungeklärt.

Rachenabstrich im Alleingang? Scheint machbar.

Die derzeit in Österreich erhältlichen Selbsttests erfordern ein langes Gurgeln, beziehungsweise einige Mengen an Speichel. In anderen Ländern gibt es Selbsttests, bei denen die Proben per Rachenabstrich gesammelt werden.

Ein australisches Forschungsteam wollte wissen, wie gut das funktioniert [2]: In mehreren Ambulanzen nahmen Testpersonen zuerst selbst einen Abstrich vor, wobei sie einer schriftlichen Anleitung folgten. Sie mussten sich sozusagen mit einem Wattestäbchen am Rachen und in der Nase kitzeln. Danach erfolgte dieselbe Prozedur noch einmal, diesmal allerdings durch geschultes Gesundheitspersonal.

Der Vergleich zeigte: Laien oder Profis waren ähnlich erfolgreich – bei den Testergebnissen gab es fast keine Unterschiede.

Die australische Studie fand direkt in Gesundheitseinrichtungen statt. Der Unterschied zu den Selbsttests hierzulande: Es fehlte der Weg der Proben ins Labor via Post. Dieser Unsicherheitsfaktor wurde also nicht untersucht.

Kein Test ist unfehlbar

Egal ob zuhause oder in der Arztpraxis: Kein Test ist absolut fehlerfrei. Das gilt auch dann, wenn die Probe durch geschultes Personal entnommen und ohne Verzögerung im Labor analysiert wird.

Die Analyse von Proben mittels PCR (auf Englisch polymerase chain reaction) ist zwar die derzeit verlässlichste Möglichkeit, eine Infektion mit dem Coronavirus festzustellen. Mit der PCR kann im Labor das Virus nämlich direkt nachgewiesen werden. Alles, was man dazu braucht, ist eine Probe mit den gesuchten Viren – meist Speichel, Nasen-Rachen-Sekret oder Hustenauswurf.

Das Testergebnis ist ziemlich sicher [3,4]. Machen 100 infizierte Personen einen PCR-Test, so erkennt der Test die Infektion bei durchschnittlich 89 korrekt. 11 Personen bescheinigt er trotz Virus beste Gesundheit. Fachleute würden sagen: Die Sensitivität des PCR-Tests beträgt etwa 89 Prozent.

Wir brauchen noch besser Studien, um diese vorläufige Erkenntnis zu überprüfen. Was sie aber zeigen: Falsche Ergebnisse sind möglich und Infektionen können übersehen werden.

Corona-Selbsttest: Hat er auch Vorteile?

Trotz aller Unsicherheiten: Den Corona-Test selbst in die Hand zu nehmen, hat auch Vorteile. Manchmal kann es auch eine Hemmschwelle sein, die in Österreich zuständige Hotline 1450 zu wählen oder ärztliche Hilfe zu suchen, wenn man eine Infektion vermutet. Den Test im Internet zu bestellen oder in der Apotheke zu kaufen, könnte den raschen Zugang zu Gewissheit erleichtern.

Zum anderen können Selbsttests zuhause das Gesundheitssystems und sein Personal entlasten.

Selbsttest: behördlich nicht anerkannt

Wer einen Selbsttest für zuhause kauft, sollte wissen: Das Ergebnis ist zur persönlichen Information gedacht. Von den österreichischen Behörden wird es nicht anerkannt. Wer also einen Test für die Einreise ins Land oder als Ersatz für eine vorgeschriebene Quarantäne will, muss sich nach wie vor an eine offizielle Stelle oder in Österreich an die Hotline 1450 wenden.

Stellt ein Labor eine Infektion mit dem Coronavirus fest, ist es verpflichtet, dies sofort dem Gesundheitsamt zu melden – auch bei zuhause durchgeführten Selbsttests.

Zur richtigen Zeit…

Auch Proben von Infizierten können negative Ergebnisse liefern. Dabei liegt das Problem meistens nicht in der Laboranalyse, sondern am untersuchten Material [1].

Eine Zusammenfassung von Studien [4] hat ergeben: Am verlässlichsten dürfte das Coronavirus im Hustenauswurf, dem sogenannten Sputum, zu finden sein. Etwas weniger verlässlich dürften Rachenabstrich und Speichel funktionieren.

… am richtigen Ort?

Aber nicht nur die Art des Probenmaterials bzw. dessen korrekte Gewinnung entscheiden über die Verlässlichkeit des Ergebnisses. Auch der Zeitpunkt ist wichtig. Am dritten Tag nach dem Beginn der Symptome scheint der PCR-Test eine Infektion am zuverlässigsten entdecken zu können. Ein Test zu früh, aber auch zu spät durchgeführt kann an Aussagekraft hingegen drastisch einbüßen [5].

Ein Beispiel: Wer Kontakt mit einer erkrankten Person hatte und tags darauf testet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein unauffälliges Ergebnis erhalten – auch wenn eine Ansteckung passiert ist.

Generell gilt: Wenn der Verdacht einer Infektion hoch ist oder Symptome bestehen, ist einem einzigen unauffälligen Testergebnis nicht zu trauen. In diesem Fall sollte der Test etwa ein oder zwei Tage später wiederholt werden [5].

Die Studien im Detail

Wir konnten keine Studien dazu finden, wie verlässlich Selbsttests für zuhause eine Infektion mit dem neuen Coronavirus erkennen können – im Vergleich zu einem Test durch Profis.

Corona-Test ist verlässlich, aber nicht fehlerfrei

Wir haben aber zwei Übersichtsarbeiten dazu gefunden, wie verlässlich PCR-Tests prinzipiell eine Infektion mit dem Coronavirus entdecken können. Dafür haben die zwei Forschungsteams die besten verfügbaren Studien zusammengefasst.

Die erste Übersichtsarbeit fasste die Ergebnisse von 19 Studien mit 1502 Patientinnen und Patienten zusammen [3]. Zwölf der 19 der Studien wurden in der Stadt Wuhan in China durchgeführt. Die Verlässlichkeit der PCR-Tests in den Studien variierten stark. In allen zusammengenommen betrug jedoch die Sensitivität des Tests rund 89 Prozent. Das bedeutet, dass der Test von 100 Infizierten 89 richtig als solche erkennt.

Die Übersichtsarbeit scheint solide durchgeführt zu sein. Die Autorinnen und Autoren weisen allerdings darauf hin, dass die zusammengefassten Studien teilweise schwere Mängel aufweisen und sehr unterschiedlich sind.

Hustenauswurf am verlässlichsten?

Die zweite Übersichtsarbeit fasste die Ergebnisse von 16 Studien – 14 aus China, 2 aus Europa – mit insgesamt 2297 Personen zusammen [4]. Das Forschungsteam wollte die Verlässlichkeit unterschiedlicher Tests auf das Coronavirus miteinander vergleichen. Dabei unterschied das Team auch nach Art des Probenmaterial, etwa ob es sich um einen Nasen-Rachen-Abstrich oder Speichel der Testpersonen handelte.

Das Ergebnis aus sieben Studien zum PCR-Test: Mittels Nasen-Rachen-Abstrich zeigte dieser eine Infektion mit einer Wahrscheinlichkeit von 73 Prozent an. Im Speichel konnte das Virus in den Studien mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 62 Prozent nachgewiesen werden. Am verlässlichsten war das Virus in Hustenauswurf, dem sogenannten Sputum, zu finden – nämlich bei etwa 97 Prozent der Infizierten.

Diesen Zahlen schenken wir allerdings kein allzu großes Vertrauen: Sowohl die zusammengefassten Studien als auch die Übersichtsarbeit selbst weisen Mängel auf.

Selbsttest: genauso gut wie vom Gesundheitspersonal?

Wir fanden eine Studie, die untersuchte, wie gut die Probenentnahme im Alleingang funktioniert [2]. Dazu ließ ein australisches Forschungsteam 236 Personen mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion, sich selbst untersuchen. Nach schriftlicher Anleitung entnahmen die Personen selbst Abstriche aus Rachen und Nase.

Dieselbe Prozedur wurde anschließend wiederholt, nur nahm diesmal speziell geschultes Gesundheitspersonal die Abstriche vor. Dann der Vergleich: 25 der 236 waren mit dem Coronavirus infiziert. Bei allen 25 Personen zeigte der Selbsttest ein auffälliges Ergebnis an. Von den Tests, die durch Gesundheitspersonal durchgeführt worden waren, wurde eine infizierte Person übersehen und fälschlich als gesund eingestuft.

Die Forscherinnen und Forscher wollten sichergehen, dass ihre Probanden auch wirklich repräsentativ und die „Bedienungsanleitung“ der Probenentnahme für alle Bevölkerungsgruppen verständlich waren. Deshalb erhoben sie zusätzlich auch den Bildungsgrad der Teilnehmenden: Der Großteil stammte aus eher bildungsfernen Bevölkerungsschichten. Das Forschungsteam schloss aus dem Ergebnis, dass ein Selbsttest mittels Nasen-Rachen-Abstrich genauso verlässliche Ergebnisse liefern kann, wie ein Test durch geschultes Personal.

Der lange Weg ins Labor

Ist das nun ein Beweis dafür, dass Selbsttests für zuhause genauso verlässlich wie der Test in der Arztpraxis oder direkt beim Labor sind? Eher nicht. Für ein aussagekräftiges Ergebnis sind 25 Personen zu wenig. Die Anzahl der Infizierten reicht nicht aus, um auf die gesamte Bevölkerung schließen zu können.

Außerdem: Die Teilnehmenden der Studie entnahmen die Abstriche zwar mittels schriftlicher Anleitung vor dem Spiegel – ganz so, wie es auch beim Test zuhause der Fall wäre. Die Röhrchen mit den Proben wurden anschließend aber direkt im Krankenhaus abgegeben und nicht mit der Post auf die Reise geschickt. Beim Selbsttest für zuhause bleibt der Versand bei möglicherweise ungünstigen Temperaturen ein potenzielles Risiko.

Die Studie untersuchte Tests durch Nasen-Rachen-Abstriche. Studien zu Selbsttests mittels Gurgellösung oder Speichelproben, wie sie derzeit in Österreich erhältlich sind, konnten wir nicht finden.

[1] Lippi u.a. (2020)
Lippi, G., Simundic, A. M., & Plebani, M. (2020). Potential preanalytical and analytical vulnerabilities in the laboratory diagnosis of coronavirus disease 2019 (COVID-19). Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (CCLM), 1(ahead-of-print). (Studie in voller Länge)

[2] Wehrhahn u.a. (2020)
Wehrhahn, M. C., Robson, J., Brown, S., Bursle, E., Byrne, S., New, D., … & Hadlow, N. (2020). Self-collection: an appropriate alternative during the SARS-CoV-2 pandemic. Journal of Clinical Virology, 104417. (Studie in voller Länge)

[3] Kim u.a. (2020)
Kim, H., Hong, H., & Yoon, S. H. (2020). Diagnostic performance of CT and reverse transcriptase-polymerase chain reaction for coronavirus disease 2019: a meta-analysis. Radiology, 201343. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] Böger u.a. (2020)
Böger, B., Fachi, M. M., Vilhena, R. O., de Fátima Cobre, A., Tonin, F. S., & Pontarolo, R. (2020). Systematic review with meta-analysis of the accuracy of diagnostic tests for COVID-19. American Journal of Infection Control. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] UpToDate (2020)
Raby AB. Tools for genetics and genomics: Polymerase chain reaction. In Tirnauer JS (ed.). Abgerufen am 12.8.2020 unter www.uptodate.com

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